Geothermie: Bohrturm im bayerischen Sauerlach
Geothermieanlage im oberbayerischen Sauerlach
© Stadtwerke München

Energiewende

Die Zukunft im Blick: Geothermie in Unterhaching

Ein Viertel des deutschen Wärmebedarfs - 300 Terrawattstunden Energie - könnte mittels Geothermie generiert werden, sagen Experten. In den meisten Kommunen ist das Zukunftsmusik, nicht aber im bayerischen Unterhaching. Im Münchener Speckgürtel könnten schon 2028 alle Haushalte an Erdwärme angeschlossen sein.

Schon im Jahr 2001 - neun Jahre nach dem ersten UN-Klimagipfel in Rio de Janeiro - fiel in der Kommune Unterhaching die Entscheidung, in der Wärmeerzeugung zukünftig voll auf Geothermie zu setzen. Im südlichen Bayern macht diese Umstellung durchaus Sinn. Neben dem Oberrheingraben und großen Teilen Norddeutschlands gehört das südliche Bayern zu den drei Regionen, in denen die Geothermie riesiges Potential hat. 

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Geothermie?

Die Erde ist ein riesiger Wärmespeicher. Je tiefer die Erdschichten, desto wärmer das Wasser in diesen Schichten. Im Durchschnitt steigt die Temperatur pro 100 Meter um drei Grad Celsius an. Mittels Bohrungen wird das heiße Wasser an die Oberfläche geholt, die Wärme entzogen und abgekühlt wieder hinabgepumpt. Dabei unterscheidet man zwischen oberflächennahen Bohrungen (bis 400 Meter), mittleren Bohrungen (400 - 2000 Meter) und Tiefenbohrungen (ab 2.000 Meter). Im Tiefenbereich kostet eine Bohrung zwischen 10 und 15 Millionen Euro - etwa 30 Prozent mehr als eine Erdölbohranlage. Trotz der immensen Kosten hat die Geothermie laut Experten viele Vorteile: 

  • Es gibt keinen Ressourcenverbrauch, weil das Wasser immer wieder in die Erde zurückfließt und sich dort erneut erhitzt. 
  • Diese Art der Wärmegewinnung produziert kein CO2.
  • Geothermie ist extrem effizient. 
  • Flächeneinsparung
  • Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen sinkt. 
  • Versorgungssicherheit
  • Erhöhung des Immobilienwertes

Was bringt Geothermie dem Endverbraucher - finanziell?

"Langfristig eine billigere Wärmeversorgung", erklärt Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching GmbH & Co KG, ein 2002 gegründetes Tochter-Unternehmen der Gemeinde. Seit 2007 liefert es in der Stadt CO2-freie Wärme aus einer Tiefenquelle. Derzeit werden in Unterhaching bereits 60 Prozent des Wärmebedarfs mit Geothermie abgedeckt. "Brutto beträgt der Anschlusspreis bei einer Neuerschließung derzeit 7.500 Euro. 3.500 Euro kostet es, wenn die Umgebung bereits angeschlossen ist und wir von Keller zu Keller arbeiten können, sagt der Fachmann.  "Nicht wenig Geld, aber dafür braucht der Häuslebesitzer auch nie wieder in seine Heizanlage zu investieren oder einen Kaminkehrer zu bezahlen." Er rechnet vor: "Nehmen wir ein Reihenhaus, dessen Besitzer derzeit 20.000 Kilowattstunden Gas im Jahr verbraucht. Schon jetzt - angefeuert durch die Preissteigerung bei Gas und Erdöl durch den Krieg in der Ukraine - sind wir mit unserer Geothermie im Jahresvergleich um 30 Prozent günstiger." Dazu kommen die Förderungen, die der Bund bei Investitionen in eine regenerative Wärmeversorgung zahlt und die Gemeinde Unterhaching lege, unterstreicht Geisinger, noch einmal 1.000 Euro zusätzlich drauf.

Geothermie: der Umstieg kostet  

Bis Juni 2021 betrug das Investitionsvolumen in das Unterhachinger Geothermienetz etwa 105 Millionen Euro. Fördergelder und Investitionszuschüsse haben die Umstellung erst möglich gemacht. Den weiteren Ausbau des Netzes bis 2028 will die Gemeinde komplett fremdfinanzieren. Wolfgang Geisinger: "Das ist möglich, weil wir als Gemeinde finanziell gut aufgestellt sind und unser Unternehmen sich eine gute Position erarbeitet haben, um das Vertrauen der Banken zu genießen."

Geothermie: 1 Quadratmeter Erdwärme heizt ein Haus

Gefahren inklusive?

Kritiker bemängeln, dass die tiefenen Bohrung in drei- oder viertausend Metern Erdbeben auslösen könnten. Andere befürchten den Verlust an Grundwasser. Wolfgang Geisinger verneint: "Es gibt keine Vermischung mit Grundwasser und das Wasser aus der Tiefe ist als Trinkwasser gar nicht brauchbar. Es entstehen keine Hebungen und Senkungen und auch keine Hohlräume." Mikroseismische Ereignisse könne es aber durchaus geben. Weil das mit niedrigen Temperaturen zurückgeleitete Wasser dazu führen könnte, dass sich Gestein kurzfristig zusammenzieht, einzelne Steine abbrechen und ins Rutschen geraten.

"Vor 15 Jahren hat es hier so ein kleines Ereignis gegeben, das vielleicht 10 bis 20 Menschen gespürt haben. Seitdem war nichts mehr und in 18 Geothermie-Projekten rund um München hat es noch kein einziges Problem gegeben. Stand der Wissenschaft jetzt: Geothermie beinhalte kein Schadenspotential." Zwar habe es, sagt der Experten, in Basel am 8. Dezember 2006 tatsächlich einen Vorfall gegeben, der ein Erdbeben ausgelöst habe. Damals hatten die Betreiber des Baseler Projektes 12.000 Kubikmeter Wasser auf einen Schlag in den Boden geleitet. "Das war einfach ungeschickt gemacht", erklärt Wolfgang Geisinger. "Bei uns wird das Wasser nur in homöopathischen Dosen zurückgeleitet: mit maximal 114 Litern pro Sekunde."  

         

Fotocredits: Grafik: Wärmewende durch Geothermie