Flutkatastrophe in Bad Neuenahr - Blick in ein Klassenzimmer des örtlichen Gymnasiums
Flutkatastrophe in Bad Neuenahr - Blick in ein Klassenzimmer des örtlichen Gymnasiums
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Notunterkünfte

Nach der Flutkatastrophe: Bürgermeister fürchtet massiven Wegzug

Nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen laufen die Aufräumarbeiten. Doch für viele Menschen ist an eine Rückkehr zur Normalität noch lange nicht zu denken. Sie müssen möglicherweise den kompletten Winter über in Notunterkünften leben. Der Bürgermeister der besonders betroffenen Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler rechnet daher auch langfristig mit dem Schlimmsten für seine Stadt.

Nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Juli können möglicherweise tausende Menschen den kompletten Winter über nicht in ihre Häuser zurückkehren. Ihr Bürgermeister Guido Ohrten sagt, das Gas-Netz der Stadt sei weitgehend zerstört. Das betrifft rund 133 Kilometer Erdgasleitungen und 8500 Gaszähler. Bis Oktober lässt sich das wohl nicht beheben - dann beginnt üblicherweise die Heizsaison. Mit ersten Frostnächten ist zu rechnen. Über 3500 Netzanschlüsse werden bis dahin aber voraussichtlich noch kein Erdgas haben. 

Auch die Post erklärt, sie könne die Zahl der verloren gegangenen Pakete und Briefe nicht genau beziffern. Eine der Filialen wurde nach Post-Angaben von den Fluten fast komplett leergespült, 130 Fahrzeuge der Post wurden beschädigt. Diese Katastrophe hat nach Meinung des Bürgermeisters auch sehr langfristige Folgen für die Stadtentwicklung.

Stadt könnte nach der Flutkatastrophe 10.000 Einwohner verlieren

In einem Interview mit der Lokalzeitung in Bad Neuenahr-Ahrweiler malt Gudio Ohrten nun ein düsteres Bild zur Zukunft seiner Stadt. "Ich bin sonst ein hoffnungsloser Optimist. Aber ich glaube, Ende des Jahres werden wir noch 20.000 Einwohner haben", so der Rathauschef in der Zeitung "Rheinpfalz". Aktuell leben in seiner Stadt rund 30.000 Menschen. Allein in Bad Neuenahr-Ahrweiler starben bei der Flutkatastrophe 73 Menschen. Die Zerstörungen von Häusern, Schulen, Firmen, Straßen und Brücken sind massiv. Viele Betroffene kamen inzwischen außerhalb der Stadt unter. "Viele werden wohl dauerhaft weggehen", fürchtet Ohrten. 

Seine Stadt lebt als Kurort vor allem vom Zuzug älterer Menschen, die "hier ihren Lebensabend verbringen wollten", so Ohrten. Aber mit 70 werde sich wohl kaum mehr jemand in einer Kommune mit einem fünf- bis zehnjährigen Wiederaufbau niederlassen. Das führt Ohrten auch auf die Kriegserfahrungen dieser Generation zurück. "Alte Menschen mit diesen Erinnerungen werden sich nicht erneut in kriegsähnliche Verhältnisse begeben wollen", zitiert die Rheinpfalz den Bürgermeister. 

Wie der Bürgermeister die Bürger nach der Flutkatastrophe dennoch zum Bleiben bringen will

Aufgeben will Bürgermeister Ohrten aber nicht. Er sei überzeugt, dass die meisten Menschen eigentlich gerne in ihrer Heimatstadt bleiben wollen. Und so ist die Wärmeversorgung eines der bedeutendsten Themen, mit denen sich die Stadt aktuell beschäftigt. Man werde die Bürger auch bei alternativen Heizmöglichkeiten unterstützen. Das könnten etwa mobile Flüssiggastanks, eine Anbindung an das weniger zerstörte Fernwärmenetz oder ein kurzfristiger Einsatz von Elektroheizungen sein. Ein gewisser Teil der Anwohner werde aber nicht rechtzeitig eine Lösung bekommen. Für diese Menschen werde man Notunterkünfte in Form von Containern bereitstellen.

Und auch für den Nachwuchs versucht die Stadt, Möglichkeiten zu finden. Am kommenden Montag beginnt in Rheinland-Pfalz wieder die Schule. Viele Gebäude wurden jedoch komplett zerstört. Im Bildungsministerium des Landes ist man sich sicher, dass der Unterricht nach der Sommerpause für alle sichergestellt werden kann. Landesweit hätten rund 40 Schulen Schäden davongetragen, mindestens 17 Schulen seien so stark beschädigt, dass sie gar nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden könnten. Darunter auch die Realschule in Bad Neuenahr-Ahrweiler. 

Die Situation in den Schulen nach der Flutkatastrophe 

Schulleiterin Doris Stutz sagte dem Südwestrundfunk, ihr sei es nun besonders wichtig, dass die Jugendlichen sich nach der Katastrophe zumindest in der Schule einigermaßen wohl fühlen können. Das aber sei eine Herausforderung, denn das Erdgeschoss der Erich-Kästner-Schule gleiche einem Rohbau. Boden und viele Wände, die durch den Schlamm verunreinigt waren, mussten laut Stutz komplett entfernt werden. Der Unterricht werde erst einmal in den oberen Stockwerken stattfinden. Dort müssten 320 Kinder untergebracht werden. Dank der Spenden anderer Schulen bauten die Lehrkräfte nun im ersten Stock eine neue Schulbibliothek auf. Platz für ein großes Lehrerzimmer für Konferenzen fehle noch.

In zahlreichen anderen Orten der Region - etwa in Altenburg und der Verbandsgemeinde Grafschaft - wurden inzwischen Container aufgestellt, damit der Unterricht halbwegs geregelt stattfinden kann. Andere Schulen mit Platzproblemen planen Unterricht zunächst im Schichtmodell. Das gilt auch für die Gymnasien in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Das Gebäude des einen Gymasiums ist nicht nutzbar, das andere weitgehend in Takt. So sollen die Schüler der zerstörten Schule nun nachmittags in dem intakten Gebäude unterrichtet werden. 

Probleme bereitet aber noch der Schulverkehr, auch aufgrund vieler zerstörter Straßen und Brücken. Dabei setzt die Stadt stark auf Eltern. Denen sei aber schon gesagt, dass sie auf den teils wenig intakten Brücken viel Geduld mitbringen müssen. Denn der Verkehr schlängelt sich aktuell über sehr wenige Straßen und Umleitungen. Der Schulbusverkehr soll zudem durch Ersatzverkehre möglich werden.