Die Lebenschancen hängen immer mehr vom Wohnort ab - das zeigt der Finanzreport 2019 der Kommunen
Die Lebenschancen hängen immer mehr vom Wohnort ab - das zeigt der Finanzreport 2019 der Kommunen
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Finanzreport: Kassensturz der Kommunen

Deutschland boomt und mit ihr die Kommunen. Zumindest viele Kommunen. Denn sie werden immer reicher, bilden Rücklagen, können dringend nötige Investitionen endlich angehen. Ganz anders die ärmeren Kommunen - sie werden noch ärmer, trotz der Konjunktur. Deutscher Schuldenkönig ist wieder die Stadt Pirmasens.

Der Finanzreport 2019 müsste eigentlich Grund zum Jubeln sein. Unterm Strich fahren die Kommunen Milliardenüberschüsse ein - gar von historischen Überschüssen sprechen die Macher der Studie, die Bertelsmann Stiftung. Überschüsse zum siebten Mal in Folge, das gab es in der Tat lange nicht. Sowohl Steuereinnahmen als auch Rücklagen erreichten neue Rekordwerte. KOMMUNAL hatte zuvor schon exklusiv berichtet, dass die Kassenkredite, also quasi der Dispo-Kredit der Kommunen, nach Jahren ebenfalls wieder sinkt. HIER gehts noch mal zum Beitrag. 



Doch die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen starken und schwachen Kommunen werden immer größer. Wie aus der Auswertung hervorgeht, klaffen Steuereinnahmen, Investitionen, Rücklagen und Verschuldung der Kommunen zunehmend auseinander. Auffällig sind dabei regionale Unterschiede. Während Städte, Gemeinden und Kreise vor allem in Bayern und Baden-Württemberg überdurchschnittlich gut dastehen, gibt die wirtschaftliche Lage vieler Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland Anlass zur Sorge.

Finanzreport 2019 - das sind die Zahlen 

Zwischen den Jahren 2012 und 2018 sind dem Finanzreport zufolge die Steuereinnahmen der Kommunen um satte 36 Prozent gestiegen. Das gilt vor allem für Kommunen in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. Die ostdeutschen Kommunen erreichten derweil nur 61 Prozent des Westniveaus. So liegen dann auch von den 40 einkommenstärksten Kommunen 39 in Westdeutschland. Von den 40 schwächsten Kommunen 35 in Ostdeutschland. 

Erstmals untersuchte der Kommunale Finanzreport auch die Bar- und Sichteinlagen der Kommunen, womit er einen noch besseren Blick auf die Finanzlage erlaubt. Im Zuge hoher Überschüsse sind diese Einlagen zwischen 2012 und 2017 von 33 Milliarden Euro auf 48 Milliarden Euro gestiegen. Auch hier gibt es jedoch erhebliche Unterschiede in den Regionen. So erreichen die bayerischen Kommunen pro Einwohner den neunfachen Wert des Saarlandes. 

Während die so genannten „starken Städte“ zusammen ein Plus von 3,8 Milliarden Euro machten, verzeichneten die „schwachen Städte“ trotz boomender Konjunktur ein Defizit von 0,9 Milliarden Euro. Ursache für die großen Unterschiede sind einerseits die Sozialausgaben. Die schwachen Städte geben für Kosten der Unterkunft zweieinhalb Mal so viel aus wie starke Städte. Auf der anderen Seite erzielen wohlhabendere Städte zweieinhalb Mal so hohe Steuereinnahmen wie ärmere.

Das sind die Städte mit den höchsten Steuereinnahmen pro Kopf 

Während der Kreis München etwa 3816 Euro Steuereinnahmen je Einwohner erzielt, sind es im Erzgebirgskreis gerade mal 667 Euro. Die besonders dramatischen Fälle kommen aber beiweitem nicht nur aus Ostdeutschland. Viele Gemeinden insbesondere in Sachsen und Thüringen stehen verhältnismäßig stabil da. Die meisten Kommunen in wirklichen Haushaltskrisen finden sich im Westen, vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Die Steuereinnahmen laut Finanzreport 2019

Die Unterschiede bei den Steuereinnahmen, vor allem die Schwäche ganzer Regionen zeigt sich auch im Ländervergleich. Auch hier haben Bayern und Baden-Württemberg die höchsten Einnahmen. Die ostdeutschen Länder hinken deutlich hinterher, holen aber prozentual betrachtet teils auf. 

Finanzreport 2019 der Länder

Finanzreport zeigt auch den Schuldenkönig 

Die Stadt Pirmasens bleibt laut dem Report, wie schon in früheren Erhebungen, die Stadt mit den höchsten Kassenkrediten. 8239 Euro je Einwohner sind es. Damit liegt sie vor Oberhausen. Die Stadt war beim letzten Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung noch Schlusslicht, in anderen Erhebungen war Pirmasens bereits länger der traurige Schuldenkönig. KOMMUNAL berichtete HIER!

Drittplatzierter bei den Kommunen mit den höchsten Kassenkrediten ist Kaiserslautern vor Mühlheim an der Ruhr und Hagen (beide NRW). 

Hoffnung für Kommunen

Die klammen Kommunen können sich dennoch Hoffnung auf etwas bessere Zeiten machen. Denn erstmals scheint die Bundesregierung mit ihrem Tabu in Sachen Altschulden zu brechen. Erstmals könnte es Bundesmittel dafür geben. Zumindest stellt das die Bundesregierung im Rahmen der Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" erstmals in Aussicht. Zwar konnte sich die Kommission nicht einigen, die Bundesregierung legt aber einen eigenen - nicht mit den anderen Kommissionsmitgliedern abgestimmten - Vorschlag vor. Unklar ist nur, wie viel Geld es geben wird und vor allem wann. Denn der Bundesfinanzminister winkt bereits ab. Die Hintergründe haben wir HIER analysiert!