Genossenschaften
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Leerstand

Mit Genossenschaften gegen den Verfall von Häusern

In vielen Kleinstädten finden Häuser in Innenstadtlage häufig keine Mieter oder Käufer. Besonders bedauerlich ist dieser Trend, wenn historische Häuser und altes Fachwerk dem Verfall preisgegeben werden, weil Sanierungen kostspielig sind. Selbst ein Förderprojekt des Bundes zum Thema ist inzwischen gescheitert. Erfolg verspricht aber ein Genossenschaftsmodell, wie KOMMUNAL-Recherchen ergaben.

Hann. Münden ist ein Städtchen mit knapp 24.000 Einwohnern im Landkreis Göttingen, Südniedersachsen. Hier starb 1727 im „Gasthaus zum wilden Mann“ der Wandergeselle und angebliche Wunderarzt Johann Andreas Eisenbart. Das Gasthaus gibt es nicht mehr, aber Welfenschloss, Historisches Rathaus und eine von Fachwerk geprägte Innenstadt ziehen viele Touristen an. Von den Fliegerbomben des Zweiten Weltkriegs blieben auch andere Städte im sogenannten „Fachwerk-5-Eck“ weitgehend verschont. Osterode am Harz, Duderstadt, Einbeck und Northeim erstrahlen noch immer im Glanz ihrer Geschichte.

Der Leerstand im ländlichen Raum wächst

Was der Zahn der Zeit nicht schaffte, könnte bald der demografische Wandel erledigen: Während in den Ballungsgebieten kaum bezahlbare Wohnungen zu finden sind, wächst im ländlichen Raum der Leerstand. Erschwerend kommt hinzu, dass junge Familien eher an modernen Eigenheimen in Randlage interessiert sind, als am Wohnen in denkmalgeschützten Häusern in der Innenstadt.

In der Folge finden die historischen Häuser kaum Mieter oder Käufer. Zwar ist die Sanierung von historischen Bauwerken weder billig noch ohne ein erhebliches Maß an Fachkenntnis zu schaffen, aber gerade hölzernes Fachwerk bindet auch dauerhaft Kohlendioxid. Hilfe bieten sollte das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierte, dreijährige Forschungsprojekt „Bürgerfond“.

Wie historische Gebäude vor dem Verfall retten?

Das war die Theorie: Die „Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstätte bei der Stiftung trias“ erwirbt in kleineren Gemeinden bedrohte historische Gebäude inklusive Grundstück und verkauft anschließend für 99 Jahre die Immobilie – nicht das Grundstück – im Erbbaurecht an einen Käufer oder eine Käufergemeinschaft.

Die Erbbaurechtsnehmer sanieren das Gebäude mit Eigenkapital und/oder Darlehen und zahlen mit der zu erwirtschaftenden Rendite die Darlehen zurück. Der zu zahlende Erbbauzins fließt zurück in das Sondervermögen des Bürgerfonds und dient später dem Ankauf weiterer Objekte. Neben Hann. Münden in Niedersachsen dienten Bleicherode und Treffurt in Thüringen, Felsberg, Homberg (Efze) und Witzenhausen in Hessen von 2017 bis 2019 als Modellstädte.

Und das ist die Praxis: Zu einem erfolgreichen Kaufabschluss kam das Projekt „Bürgerfonds“ in keinem dieser Orte. Als Gründe nennt Uwe Ferber, Projektsteuerer in Leipzig, dass in allen Projektstädten unterschiedliche Bedingungen herrschten. „In einer Stadt ist in der Projektphase die Bürgerinitiative implodiert, weil die Vorstandmitglieder schon in einem sehr hohen Alter waren und die Verantwortung für solch ein längerfristiges Projekt wie die Übernahme und Sanierung eines historischen Gebäudes letztendlich zu groß war. In Bleicherode aber geht es weiter.

Dort wird ein Haus gerade von auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbaren Jugendlichen entkernt“, erklärt der Stadtplaner. Richtig gut aufgestellt waren dagegen die Genossenschaftler in Hann. Münden. „Dort sind die engagierten Bürger mit ihrer Genossenschaft schon seit zehn Jahren Vorreiter in diesem Bereich und damit stand dem Projekt sehr viel mehr Expertise als anderswo zur Verfügung.“ Letztendlich haben sich aber ausgerechnet die Genossenschaftler aus Hann. Münden aus dem bundesweiten Fondsmodell zurückgezogen und stattdessen auf einen lokalen Fonds gesetzt.  

Genossenschaften sind das bessere Modell

Bernd Demandt, gelernter Tischler und Hotelier, hält die Genossenschaft für das – zumindest in Hann. Münden – bessere Modell. „Im Rahmen eines Festivals haben sich eine Handvoll Bürger zusammengetan, um ein altes Haus in nur 9 Tagen à 24 Stunden so weit wie möglich zu sanieren – mit ehrenamtlicher Hilfe von Bürgern, Architekten, Handwerkern und Bauhelfern aus ganz Deutschland. Das hat so wunderbar funktioniert, dass unsere Bürgergenossenschaft Mündener Altstadt eG bereits das vierte Projekt in Arbeit hat. Das Bürgerfonds-Modell hätte uns da keine Vorteile gebracht“, bilanziert Bernd Demandt.

Jedoch wird das Bürgerfonds-Modell derzeit von der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank behindert. Ein Zinsniveau von zwei Prozent auf 15 Jahre ist natürlich für jeden Zinsnehmer vorteilhafter als die für den Erbbauzins veranschlagten vier Prozent. Und besonders in kleineren Städten kommt eine weitere Problematik dazu, erläutert Uwe Ferber: „Anders als in Städten wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt sind die Grundstücke im Innenstadtbereich der kleinen Städte nicht nur sehr klein, sondern auch ausgesprochen günstig. Im Regelfall unter 200 Euro pro Quadratmeter. Die Erbpachtzinsen, die da für den Fonds zusammenkommen, sind dann derart gering, dass eine revolvierende Investition in weitere Sanierungsprojekte unrealistisch wird.“

Erbbaurecht wird erst mit besseren Zinsniveau interessant

Aufgeben will er die Idee „Bürgerfonds“ aber genauso wenig wie Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Derzeit lässt uns der extrem günstige Zugang zu Fremdkapital keinen Spielraum“, erklärt der Verfasser des „Bürgerfonds-Gutachtens“. „Erbbaurecht wird erst dann richtig interessant werden, wenn die Zinsen wieder das Niveau vergangener Jahre erreichen“, erklärt der Immobilien-Fachmann. Das Zinsniveau alleine bringt es allerdings auch nicht.

„Wichtig wäre eine Bundes- und Landespolitik, die sagt: Wir statten eine bundesweit aktive gemeinnützige Organisation mit einer soliden Anschubfinanzierung – etwa durch die Städtebauförderung des Bundes – aus, mit deren Hilfe das Engagement der Bürger für ihre historischen Häuser auch finanziell gefördert werden kann. Dies in Verbindung mit einem professionellen Beratungsangebot könnte den Bürgerfonds tatsächlich zu einem Erfolgsmodell machen.“

Das sieht Uwe Ferber ganz ähnlich. „Derzeit ist der Bürgerfonds tatsächlich noch eine lahme Ente. Mit einer soliden finanziellen Anschubfinanzierung könnte so ein Fonds aber tatsächlich zu einem Erfolgsmodell werden und sich dauerhaft selbst tragen. Vorbild dafür könnten auch die britischen Trustmodelle sein, die einfach dynamischere Strukturen haben.“

Die Genossenschaften sind schon auf einem guten Weg

Während die Akteure rund um den „Bürgerfonds“ noch über eine erfolgversprechende Weiterentwicklung des Bürgerfonds nachdenken, ist die Bürgergenossenschaft Mündener Altstadt eG in Sachen Fachwerk-Rettung schon auf einem richtig guten Weg. Bernd Demandt stellt mittlerweile sogar einen Run auf die Mündener Innenstadt fest.

„Mittlerweile interessieren sich sowohl Einheimische als auch auswärtige Investoren für Immobilien in Innenstadtlage. Umso ärgerlicher ist es, dass einige der historischen Häuser sich in der Hand von Menschen befinden, die es nicht kümmert, dass die Immobilien verfallen. Der Stadt tut das nicht gut, aber man kann die Eigentümer schlecht wegen Nichtkümmerns enteignen. Aber auch da bleiben wir dran.“

Längst hat das erfolgreiche Modell Genossenschaft begonnen, sich in anderen Kommunen herumzusprechen. Als Vorstand der Bürgergenossenschaft stehen Bernd Demandt und Sabine Momm interessierten Initiativen gerne beratend zur Verfügung.

„Wir finden es klasse, wenn unser Beispiel Schule macht. Und wir fungieren gerne als Ansprechpartner – für Bürgerinnen und Bürger genauso wie für Kommunen. Die Zeiten, in denen Städte eigenständiges Bürgerengagement misstrauisch beäugten, sollte ja eigentlich vorbei sein.“