Der stationäre Handel wird immer weiter vom Online-Handel zurückgedrängt. Die Grünen wollen das Problem jetzt anders anpacken.

Keine Arbeit am Sonntag - im Online-Handel

26. Juni 2017
Keine Arbeit mehr an einem Sonntag im Online-Handel - das fordern die Grünen in Niedersachsen. Könnten Innenstädte so vor dem Aussterben bewahrt werden?


Stefan Körner, 1977 geboren in Langenhagen. Abitur 1996 in Lehrte. Studium der Sozialwissenschaften an der Universität Hannover (Vordiplom). 2013 bis 2015 Büroleiter des Regionalbüros von Rebecca Harms, MdE; 2014 bis 2015 Vorsitzender des Grünen Regionsverbands Hannover; seit 2015: Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen

„Samstags gehört Vati mir“: Mit diesem Slogan und einem Werbefilm forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund bereits 1955 neben der 40-Stunden- auch die 5-Tage-Arbeitswoche – mit Erfolg. Das Wirtschafts- und Erwerbsleben hat sich seitdem durch technischen Fortschritt und Globalisierung deutlich gewandelt, doch das Bedürfnis nicht nur von Müttern und Vätern, sondern einer Mehrheit der Beschäftigten nach Regeneration, Erholung und gemeinsam erlebter Familienzeit am Wochenende ist geblieben. Mit unserer klaren Aussage zum Schutz des arbeitsfreien Sonntags auch im Versandhandel und gegen dessen schleichende Aushöhlung haben wir bundesweit für Aufsehen gesorgt. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass wir nichts mehr gefordert haben, als die Umsetzung geltenden Rechts. Nicht nur Kirchen und Gewerkschafter teilen unsere Position, auch Teile des Einzelhandels und viele betroffene Beschäftigte unterstützen den Erhalt des arbeitsfreien Sonntags.

Gleiche Rechte wie im Online-Handel?

Uns GRÜNEN geht es vor allem darum, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu betonen und Sonntagsarbeit auf notwendige Tätigkeiten und besondere Ausnahmen zu begrenzen. Dahinter stehen folgende Kernfragen: Welches Menschenbild haben wir und in welcher Gesellschaft wollen wir leben? Haben wir das Bild des „homo oeconomicus“ und damit einer Gesellschaft, die Konsum und den Kosten-Nutzen-Optimierern oberste Priorität einräumt? Oder haben wir ein Menschenbild, das jenseits der reinen Konsumorientierung auch eine Zeit für Regeneration, Erholung und für gemeinsame freie Zeit im Familien- und Freundeskreis als wertvoll betrachtet? Wir wollen Letzteres. Daraus leitet sich unsere Position ab, die Ausnahmen für Sonntagsarbeit zu begrenzen und nicht immer weiter auszuhöhlen – dies gilt für den stationären Einzelhandel ebenso wie für den Versandhandel. Um weiteren Fehldeutungen vorzubeugen: Jeder soll auch sonntags im Online-Shop bestellen können, was er will und was die Kreditkarte hergibt. Die Bearbeitung der Bestellung kann aber bis montags warten. Dem steht die Forderung aus Teilen der Wirtschaft entgegen, die Arbeit auch an Sonn- und Feiertagen zuzulassen, was derzeit bereits rund jeder Vierte gelegentlich oder regelmäßig praktiziert. Mit seinem Urteil vom November 2014 hat das Bundesverwaltungsgericht diesem Ausdehnen der Arbeitszeit einen Riegel vorgeschoben: Eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken, Büchereien und Callcentern an Sonn- und Feiertagen sei nicht erforderlich, um besondere Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken, entschied das Leipziger Gericht. Die obersten Verwaltungsrichter mussten prüfen, ob das Land Hessen berechtigt war, in einer Verordnung weitreichende Ausnahmeregelungen zur Arbeit am Sonntag zu treffen. Auch in Artikel 140 des  Grundgesetzes genießt der arbeitsfreie Sonntag besonderen Schutz. Das Arbeitszeitgesetz legt zudem fest, dass Arbeitnehmer „an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden“ dürfen – mit Ausnahmen etwa für Rettungsdienste, Krankenhäuser, Theater oder Landwirtschaftsbetriebe, aber auch für Kellner, Busfahrer, Feuerwehrleute oder Journalisten. Hinzu kommen weitere Sonderregelungen in den Bundesländern.

Online-Handel und stationärer Handel

Nun argumentieren Städte und Einzelhandel häufig, dass sich die geltenden Regelungen zu Ladenöffnungszeiten – trotz der bestehenden Ausnahmen – immer weniger mit der Konkurrenz der Innenstädte zum Versandhandel vertragen. Ihre Lösung: Mehr Sonntagsöffnungen für alle Bereiche. Unsere Antwort ist: Es gibt keine Notwendigkeit, dass immer mehr und weitere Dienstleistungsbereiche ihre Arbeit auf den Sonntag verlagern wollen – zu Lasten der Beschäftigten und dringend benötigter Regenerationsphasen, zu Lasten gemeinsam erlebter Familienzeit und auch zu Lasten der Gesundheit jedes Einzelnen, wie zunehmende Krankschreibungen und Burn-out-Diagnosen zeigen. Und natürlich müssen die gleichen Schutzrechte entsprechend des geltenden Arbeitszeitrechts auch für den Versandhandel gelten. Wir brauchen am Sonntag nicht überall telefonische Bestellannahme und keine geöffneten Versandstationen – so wie es auch keine geöffneten Büchereien und Geschäfte am Sonntag geben muss. Der konsequente Schutz des Sonntags auch im Versandhandel liegt daher im fundamentalen Interesse des stationären Einzelhandels und damit der Städte.