Der Bunker im Stuttgarter Stadtteil Steinhardenfeld beherbergt heute ein Turmuhrenarchiv.
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Katastrophenschutz

Kriegsgefahr: Schutzräume in Kommunen gesucht

Ein Knopfdruck auf die Warn-App – und schon wissen Bürgerinnen und Bürger, wo der nächste Schutzraum liegt. So stellen sich Experten vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) die Zukunft vor. Doch ob es in Deutschland überhaupt flächendeckend wieder Schutzräume geben wird, ist noch offen. Bund und Länder arbeiten derzeit an einem Konzept, das voraussichtlich im Herbst veröffentlicht werden soll. Welche Ideen Kommunen vorschweben - ein kleiner Überblick.

Seit 2022 wird wieder über Notfallpläne, Schutzräume, Warnsysteme und Vorratshaltung diskutiert. Doch auch rund dreieinhalb Jahre, nachdem Rußland den ersten Angriff auf die Ukraine gestartet hat, fehlen wichtige Entscheidungen für den Schutz der deutschen Bevölkerung. Die Kommunen fordern klare Vorgaben vom Bund, die immer noch ausstehen. 

Schutzräume für Bevölkerung in anderen Ländern

In Ländern wie der Schweiz oder Finnland dagegen ist die Vorsorge laut einem MDR-Bericht klar geregelt: Dort gibt es rechtliche Vorgaben und eine flächendeckende Infrastruktur. In Deutschland dagegen wollen die Städte, Gemeinden und Landkreise nun im Rahmen eines Bundeskonzeptes ihre Rolle definieren. In der Schweiz gibt es rund 370.000 private und öffentliche Schutzräume, um für jeden der rund 8,9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner einen Schutzplatz bereitzuhalten.  Auch Schweden und Finnland haben viele Schutzräume für die Bevölkerung.

Statt Neubauten Schutzräume in bestehenden Gebäuden

Der Bund denkt bei Schutzräumen nicht an Neubauten, sondern an eine schnelle Aufrüstung bestehender Gebäude. Tiefgaragen, Bahnhöfe, Tunnel oder öffentliche Keller – all dies liegt im Verantwortungsbereich der Kommunen. Sie müssen vor Ort prüfen, welche Bauten sich eignen, und deren Nutzung koordinieren. „Wir benötigen eine schnellere Lösung als Neubauten“, sagt der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler. Bis zu 1 Million Schutzplätze ließen sich so schaffen.

Kaum öffentliche Schutzräume nutzbar in Deutschland

Aktuell sind in Deutschland noch 579 öffentliche Schutzräume mit insgesamt 477.593 Schutzplätzen Zivilschutzzwecken gewidmet. Diese sind jedoch akut nur sehr begrenzt nutzbar.  Kernaussage des von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (kurz: BImA) erstellten Berichts ist, dass eine Reaktivierung der wenigen und im Bundesgebiet sehr ungleich verteilten noch öffentlich gewidmeten Schutzräume grundsätzlich möglich ist. Zeit- und Kostenaufwand der Reaktivierung hängen ab von dem Schutzniveau, das die Schutzräume bieten sollen. 

Öffentliche Zufluchtsorte werden geprüft

Wie das BBK auf Anfrage von MDR AKTUELL mitteilte, werden derzeit Kriterien für "öffentliche Zufluchtsorte" abgestimmt, um "eine Identifikation geeigneter Bausubstanz zu ermöglichen". Anschließend sollen die passenden Bauwerke bundesweit zügig erfasst werden.  Bundesinnenminister Alexander Dobrindt deutete jüngst an, dass die Bundesregierung vor allem Mehrzweckbauten als offizielle Schutzräume im Blick habe - also Bahnhöfe oder Tiefgaragen. Auch Tunnel und Keller würden sich eignen. 

Leipzig: Citytunnel als Schutzraum?

In Leipzig nannte Krisenschutz-Leiter Uwe Efer gegenüber der Leipziger Volkszeitung den Citytunnel als möglichen Zufluchtsort. Daneben gebe es zahlreiche weitere Objekte in kommunaler Hand. Thüringens Innenminister Georg Maier verwies auf Tiefgaragen: „Auch wenn sie nicht für diesen Zweck gebaut wurden – im Notfall können sie Leben retten." In Kiew zeige sich,  dass die U-Bahn dort der größte Schutzraum ist. "Die ist auch nicht dafür gebaut worden", so Meier.

Sachsen-Anhalt: Keine Schutzräume bisher

In Sachsen-Anhalt stellt sich die Lage schwieriger dar: Dort fehlen U-Bahnen und Tunnel, Schutzräume gibt es gar nicht. Die Landes-Innenministerin Tamara Zieschang mahnt eine „konzeptionelle Antwort für den physischen Schutz der Bevölkerung“ an. Gerade in Ostdeutschland sind Kommunen vor besondere Aufgaben gestellt. Nach der Wiedervereinigung wurden die Schutzräume der DDR nicht übernommen. Heute existieren hier keine öffentlichen Anlagen. 

Pilotprojekte in Kommunen ab 2026

Damit Bürgerinnen und Bürger im Ernstfall schnell den nächsten Schutzraum finden, sollen Apps und Kartendienste Informationen liefern. Doch die technische Umsetzung und Datenpflege werden nur mit Unterstützung der Kommunen gelingen. Sie müssen geeignete Objekte erfassen, Daten bereitstellen und im Ernstfall auch die Information der Bevölkerung sicherstellen.

Geplant sind einfache, mobile Ausstattungen: Feldbetten, sanitäre Anlagen, Trinkwasser und Lebensmittel. Ab 2026 sollen Pilotprojekte zeigen, wie Zufluchtsorte tatsächlich genutzt werden. Hier sind Kommunen besonders gefordert: Sie werden Träger der praktischen Umsetzung sein – von der Lagerung bis zur Wartung. Die Bundesregierung plant zu dieser Frage ab 2026 Pilotprojekte. "In einem solchen Pilotverfahren soll gelernt werden, was Menschen in Zufluchtsorten tatsächlich über welchen Zeitraum benötigen – und welche Ausstattung dabei gegebenenfalls zu viel oder zu wenig ist", so das BKK auf Anfrage des MDR. 

Kommunen brauchen multifunktionale Schutzräume

Ob Krieg, Hochwasser oder andere Katastrophen – Schutzräume sollen künftig multifunktional sein. Kommunen müssen also nicht nur Räume bereitstellen, sondern sie auch so ertüchtigen, dass sie verschiedenen Szenarien standhalten. Fachleute warnen, dass Bedrohungslagen sich schnell ändern können.

Für Städte und Gemeinden bedeutet das Schutzraum-Konzept: mehr Verantwortung, mehr Planung und vermutlich auch mehr Kosten. Sie müssen Gebäude identifizieren, Daten liefern, Schutzräume ausstatten und im Ernstfall betreiben. Ob das Konzept des Bundes wirklich funktioniert, hängt damit entscheidend von der kommunalen Ebene ab – und davon, ob sie für diese neue Aufgabe ausreichend ausgestattet wird.

Private Schutzräume - Empfehlungen geplant

Und was ist mit privaten Schutzräumen? Die Kosten für einen privaten Schutzraum hängen sehr von den gegebenen Voraussetzungen, der gewünschten Größe sowie der Ausstattung ab. Das BBK will laut MDR dieses Jahr noch Empfehlungen dazu veröffentlichen, wie private Kellerräume "niedrigschwellig" zu schutzbietenden Räumen hergerichtet werden können

Mehr Informationen zu Schutzräumen in Deutschland.