Symbolbild KI
Die Künstliche Intelligenz bringt immense Herausforderungen für die Schule der Zukunft mit sich.
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KI-Debatte

Künstliche Intelligenz an Schulen - was Experten jetzt raten

Seit der Chatbot ChatGPT offen zugänglich ist, werden die möglichen Einflüsse der KI auf den Schulalltag diskutiert. KOMMUNAL befragte dazu drei Experten an der Regierung von Niederbayern - und auch dazu, wie die kommunalen Sachaufwandsträger sich schon jetzt auf eine Zukunft mit der KI vorbereiten können. Es gibt schon jetzt spannende Praxisbeispiele.

Über einer Matheaufgabe brüten, mühsam eine Erörterung schreiben oder das Mittelalter recherchieren? Was bislang Teil des Schüleralltags war, ist so wohl bald nicht mehr die Realität. Grund dafür ist die immer komplexer und fehlerärmer funktionierende Künstliche Intelligenz, wie sich derzeit exemplarisch am Chatbot ChatGPT beobachten lässt. Doch was bedeutet dies für die Schule der Zukunft?  KOMMUNAL  hat mit drei Experten an der Regierung von Niederbayern gesprochen, die intensiven Einblick haben in den Einsatz der KI vor Ort.

KI und ChatGPT sorgen für große Veränderungen

„Die ChatGPT ist nur ein Vorgeschmack darauf, wie potent die KI bereits ist. Wir müssen uns hier auf große Veränderungen einstellen“, sagt Ludwig Hellauer, der als informationstechnischer Berater Digitale Bildung an der Regierung arbeitet. Zusammen mit seinen Kollegen Martin Fritz, medienpädagogischer Berater Digitale Bildung, und Andreas Klar, dem Koordinator Digitale Bildung, ist er intensiv befasst mit dem Einsatz der KI und der Ausweitung der Digitalen Bildung an den Schulen in Niederbayern. Dabei steht für die drei Experten außer Frage: „Die Reise ist klar und der Weg ist vorgezeichnet: Die Schule wird immer noch digitaler werden“. So seien bereits jetzt zahlreiche Tablets und Geräte an den Schulen im Einsatz, bis 2028 soll laut Ministerpräsident Markus Söder jedes Kind ein eigenes Endgerät haben.

Künstliche Intelligenz an den Schulen

Auch wenn die ChatGPT aktuell in aller Mund ist – KI-Instrumente rund um die Schulen gibt es laut Fritz schon deutlich länger. „Der Grund für den Hype um die ChatGPT ist schlicht, dass man nun mit der KI reden kann und diese KI offen zugänglich ist für alle“, so der Berater. Andere KI-Anwendungen gebe es allerdings schon seit einigen Jahren an Schulen, etwa „bettermarks“, eine KI, die im Mathematikunterricht eingesetzt werden kann. Dabei bekommen die Schüler vor dem Computer speziell auf ihren Wissensstand abgestellte interaktive Mathematik-Aufgaben gestellt und erhalten auf ihre Lösungsversuche hin personalisierte Rückmeldungen und weiterführende Aufgaben, ergänzt durch eine automatische Korrektur für Lehrkräfte. Bei vielen Schülern ist laut Fritz wiederum schon seit Längerem PhotoMath im Einsatz, eine App, bei der mithilfe der Handykamera eine Matheaufgabe gescannt wird und in Folge nicht nur die Lösung, sondern auch der komplette Lösungsweg erscheint.

Virtual Reality: Teuer, aber nützlich

Ein Spezialbereich ist zudem die sogenannte „Virtual Reality“, die zwar sehr teuer ist, aber ebenfalls bereits im Alltag mancher Schulen angekommen ist. So wird beispielsweise an der Berufsschule Deggendorf bereits virtuell geschweißt. Dabei arbeitet der Auszubildende mit einem Schweißbrenner, der wie ein realer Brenner gehandhabt wird, an einer Werkstück-Attrappe. Währenddessen simuliert das System Lichtbogen und Schweißnaht sowie das Werkstück in seinen metallischen Eigenschaften. Der Schüler nimmt dies über einen Schweißhelm so wahr, als wäre es real. Parallel dazu analysiert die Lernsoftware die Daten des Schweißvorgangs und meldet dem Schüler zurück, was er noch verbessern muss. Der große Vorteil: Es wird kein Material verschwendet.

Virtuelles Schweißen
Virtuelles Schweißen - ein Beispiel für Virtual Reality an Schulen

Vorteile der KI beim Lernen

Als Vorteile der KI erkennen die Experten von der Regierung die individuell zugeschnittene Aufgabenstellung beim adaptiven Lernen. „Die Schüler sitzen vor dem Computer und werden genau dort abgeholt, wo sie gerade stehen“, so Klar, und bei manchen KIs könne sogar die Lesegeschwindigkeit, Eintippgeschwindigkeit und die Sicherheit bei der Beantwortung bewertet und in Sekundenschnelle adaptiert werden. Der Schüler erhält also kein vorher bereits komplett erstelltes Arbeitsblatt mehr, sondern eine individuell angepasste Übungsfolge, mit der er bestmöglich lernen kann. „Die Schüler werden dadurch selbstständiger“, so Hellauer, und die Lehrer könnten sich wiederum besser auf jene Schüler konzentrieren, die besonders viel Unterstützung benötigen. „Ein großes Problem im Schulalltag sind ja immer wieder die heterogenen Klassenstrukturen“, so Klar. Hier könne der Einsatz von KI tatsächlich helfen, da der Lehrer so die Möglichkeit habe, den Stoff für die gesamte Klasse zu erklären und in einer anschließenden Übungseinheit an den Computern jeden Schüler mit für sie passenden Aufgaben üben zu lassen und sich um schwächere Schüler zu kümmern.

Die KI als Herausforderung für die Schulen

Bei allen Vorteilen steht für die Experten außer Frage: „Die Herausforderungen durch die KI sind enorm und es ist nicht leicht, mit der Geschwindigkeit der Technik Schritt zu halten“. So zeige gerade die ChatGPT, wie weit entwickelt die KI bereits sei. Bittet man die ChatGPT etwa um einen Erörterungstext zu einem bestimmten Thema, bekommt man in Sekundenschnelle ein durchaus akzeptables Ergebnis. „Die Qualität der durch die KI produzierten Texte ist erschreckend gut“, so Fritz, und einem Missbrauch durch die Schüler seien da natürlich Tür und Tor geöffnet. Klar ist damit auch: Altbewährte Prüfungstraditionen und Hausaufgabenstellungen sind kaum mehr haltbar, möchte man das Wissen der Schüler tatsächlich überprüfen.

Erörterung, erstellt von ChatGPT
"Erschreckend gut" - die Leistung der ChatGPT

Neue Prüfungskultur notwendig

„Wir als Schule stehen vor der großen Herausforderung, die tradierten Prüfungsformate den neuen technischen Entwicklungen anzupassen“, so Klar. Zum einen müssten die Schüler akzeptieren, dass sie trotz KI lernen müssten. Zum anderen aber müssten insbesondere die Lehrer neu denken und die Stellschrauben ändern, mit denen die individuelle Leistung der Kinder geprüft werden kann. Mögliche Ansätze sind: Offenere Fragestellungen, die eine KI nicht beantworten kann. Mündliche Verteidigung von schriftlichen Seminararbeiten. Oder etwa das Bereitstellen von fehlerhaften Lösungen, bei denen die Schüler den Fehler finden sollen.

Schulalltag hinkt Stand der Technik hinterher

An den Schulen sind diese großen Umwälzungen teilweise noch nicht angekommen, wie Hellauer wahrnimmt. „Wir müssen vielen Lehrern erstmal bewusst machen, dass die KI tatsächlich schon längst da ist und von den Schülern auch benutzt wird – vielen ist das in dieser Dimension überhaupt nicht klar“. Nicht selten mangele es darüber hinaus auch noch an der technischen Ausstattung, an modernen Geräten oder einer funktionierenden Internet-Verbindung.

Medienkompetenz notwendig

Allerdings geht es laut Hellauer, Fritz und Klar bei weitem nicht nur um eine adequate technische Ausstattung und eine Anpassung der Prüfungskultur. „Mit der zunehmenden Präsenz der KI geht ein neuer Bildungsauftrag an die Schulen einher“, so Klar. Verbote seien hier keine Lösung, vielmehr gehe es darum, die Medienkompetenz der Heranwachsenden zu schulen. „Die Schüler sollen in der Schule lernen, wie man vernünftig und souverän mit der KI umgehen und sie sinnvoll nutzen kann, sie aber nicht missbraucht“, so die Experten, die der Meinung sind: „Die Schule darf auf keinen Fall nur reagieren, sondern soll die Kinder im Idealfall bereits auf die Technik der Zukunft vorbereiten“. Womöglich bedeute das irgendwann auch, die Schüler darin zu schulen, das Maximale aus einer KI herauszuholen.

 Kommunen sind gefragt

Auch die kommunalen Sachaufwandsträger müssen sich aus Sicht der Experten schon jetzt auf eine Zukunft mit der KI vorbereiten. Erstmal brauche es dazu potente Geräte und eine vernünftige Internetanbindung. „Ist kein ordentliches Internet vorhanden, wird das in Zukunft sein, als gäbe es kein fließend Wasser an der Schule“, sagt Hellauer. Große Server vor Ort seien hingegen oft gar nicht mehr nötig, da die Schulen ihre Daten zunehmen in der Cloud speichern, wie Fritz sagt. Klar ist bei alledem: Die technischen Anforderungen steigen und es braucht professionelle IT-Fachkräfte, um aktuell auf Entwicklungen reagieren zu können. „Im Moment ist dafür meist ein Lehrer an der Schule abgestellt, der häufig überfordert ist mit den komplexen IT-Entwicklungen. Umso hilfreicher wäre es, wenn es einen ausschließlich für die Schulen zuständigen kommunalen Systemadministrator gibt“, so die Experten.