Mann vor Büchern KI in der Verwaltung
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz können in Archiven wichtige Bestände gesichert werden.
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Digitalisierung

Wie KI die Verwaltung revolutioniert

Vereinzelt setzen Kommunen bereits Künstliche Intelligenz ein. Die Potenziale für Effizienzsteigerung und die Hoffnungen auf Entlastung sind groß. Doch nicht jedes KI-Projekt ist auch für kleine Gemeinden geeignet und der Einsatz in der Verwaltung muss gut vorbereitet sein.

Sophia trägt eine Brille und lächelt freundlich. Beim ersten Kontakt stellt sie sich vor und bietet dann ihre Hilfe bei der Suche nach Informationen über Verwaltungsdienstleistungen des Landkreises Marburg-Biedenkopf an: „Wonach soll ich für Sie suchen?“ „Ich möchte ein Auto zulassen. Was muss ich dazu wissen?“ An einem verregneten Samstagabend beantwortet Sophia schnell und geduldig zahlreiche Fragen rund um die Fahrzeugzulassung. Sie listet benötigte Unterlagen auf, gibt die zu zahlenden Gebühren an und beschreibt die einzelnen Schritte des Zulassungsverfahrens.

KI: Chatbot in der Verwaltung

Sophia arbeitet derzeit für den Landkreis Marburg-Biedenkopf und den Vogelsbergkreis in Mittelhessen sowie für die Landesverwaltung Hessen. Im Moment steht die fleißige Mitarbeiterin noch unter Beobachtung. Die Qualität ihrer Arbeit wird regelmäßig überprüft, denn Sophia ist ein Roboter. Genauer ein Chatbot, also ein „textbasiertes Dialogsystem, das die Unterhaltung in natürlicher Sprache mit einem technischen System erlaubt“, wie die Initiative „Künstliche Intelligenz in Kommunen (KoKI)“ den Chatbot-Begriff definiert. Chatbots sind ein bekanntes Beispiel für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Kommunen und deren Vewaltung.

Doch was ist unter KI zu verstehen? Christian Rupp, kommunaler KI-Experte und Chief Digital Officer bei einem Software- und Beratungshaus, beschreibt KI als die „Fähigkeit, dass Computersysteme Aufgaben selbstständig lösen können, die von der Komplexität her bisher menschliche Fähigkeiten erfordert haben“.

Christan Rupp, kommunaler IT-Experte

Künstliche Intelligenz in Kommunen

In der Breite der rund 11.000 Kommunen ist KI noch nicht angekommen. Es gibt in den Städten und Gemeinden erst vereinzelt Anwendungen im Kontext von Bildern, Videos, Text und Sensordaten, wie Jens Libbe erklärt. Er forscht am Deutschen Institut für Urbanistik anwendungsorientiert zum Einsatz von KI in Kommunen. So werden Webseiten von Gemeinden mithilfe von KI in leichte Sprache oder in Fremdsprachen übersetzt. Andere Kommunen lassen den Zustand von Straßen über KI-Bilderkennung erfassen und bewerten. Im nordrhein-westfälischen Bergheim sortiert und verteilt KI die Post und im Aachener Dom erkennt und meldet ein KI-basiertes Branderkennungssystem entstehende Brände.

Grafik KI-Symbolbild

KI-Vorreiter: Stadt Heilbronn

Zu den KI-Vorreitern unter den Kommunen zählt die Stadt Heilbronn. Seit drei Jahren setzt das Stadtarchiv KI zur Erkennung von Gebäuden und Personen auf Fotos ein. „Die Aufnahme analoger Fotos in die Recherchedatenbank ist ein sehr arbeitsintensiver Prozess. Man steht bei jedem Foto vor der Frage, wie viel Zeit man in die Beschreibung des Fotos investiert“, erläutert Miriam Eberlein, wissenschaftliche Archivarin und Projektleiterin, den Anknüpfungspunkt für die KI-Bilderkennung. Die Beschreibung eines Fotos mit Datum, Fotograf, abgebildeten Personen und Gebäuden, Ort oder Anlass der Aufnahme hat Auswirkungen auf die Qualität des Rechercheergebnisses. Zur Recherche der Fotoinformationen fehlt dem Stadtarchiv jedoch das Personal. Die Software erkennt auf Fotos abgebildete Personen und macht sie über einen Personenindex recherchierbar. War früher eine Mitarbeiterin hauptsächlich damit beschäftigt, analoge Fotos in die Recherchedatenbank aufzunehmen und zu beschreiben, erfasst sie heute Personen und Gebäude im KI-Modell und überwacht die Qualität der Ergebnisse der KI.

Miriam Eberlein

Wir sparen durch die KI nichts an Ressourcen, aber erzielen

viel bessere Ergebnisse.“

Miriam Eberlein, wissenschaftliche Archivarin in der Stadt Heilbronn

Wissen sichern, Personal erhalten

KI wird die Arbeit in den Verwaltungen der Städte und Gemeinden verändern. Den Fach- und Arbeitskräftemangel wird sie abmildern, aber nicht lösen können, sind Projektleiterin Miriam Eberlein und der KI-Experte Christian Rupp überzeugt. Sorgen vor Personaleinsparungen durch den Einsatz von KI kann Miriam Eberlein nach mehr als drei Jahren der Zusammenarbeit mit Kollege Roboter entkräften. „Denn es ist nicht weniger Arbeit. Wir sparen gar nichts an Ressourcen, aber erzielen mit gleichen Ressourcen viel bessere Ergebnisse." Außerdem betreibe man mit der KI auch Wissenssicherung, weil neue Mitarbeitende dank der KI auf gespeichertes Wissen ausgeschiedener Kolleginnen und Kollegen zugreifen können.

Collage Fotos

Jens Libbe sieht das ähnlich. KI könne Freiräume und Entlastung für Mitarbeitende in der Kommunalverwaltung schaffen. Chancen sieht er vor allem dort, wo Aufgaben von einem hohen Anteil an Lese- und Schreibtätigkeiten geprägt sind und schriftliche Korrespondenz routinemäßig erfolgt. Hilfreich ist KI auch, um allgemeine Fragen zu Verwaltungsdienstleistungen zu beantworten oder komplexe und fachspezifische Texte zusammenzufassen. Große Potenziale gebe es auch für sprachliche Überarbeitungen oder Übersetzungen, bei Erstentwürfen von Vorlagen wie Gremienbeschlüssen oder Reden, der Erfassung und Strukturierung großer Textmengen sowie der Kategorisierung und qualitativen Auswertung von Beiträgen aus Bürgerbeteiligungsverfahren.

Damit Kommunen diese Potenziale voll ausschöpfen können, empfiehlt Libbe die Erarbeitung grundlegender Strategien und Vereinbarungen, etwa einer Digital- oder Datenstrategie. Auf dieser Grundlage ließen sich dann auch Regeln zum verantwortungsvollen Umgang mit KI entwickeln. Zugleich könnten dadurch die Risiken eines KI-Einsatzes reduziert werden. Für Christian Rupp ist ein gutes Datenmanagement der kritische Faktor für eine erfolgreiche Nutzung von KI. „Je schlechter die Daten sind, desto mehr halluziniert die KI. Die KI kann ja nicht lügen, sie kann nur reproduzieren, womit sie gefüttert wurde“, warnt Rupp.

Je schlechter die Daten sind, desto mehr halluziniert die KI.“

KI-Experte Christian Rupp

Tipps für kleine Gemeinde-Verwaltungen

Kleine Gemeinden kann das jedoch schnell überfordern. Große Sprachmodelle mit eigenen Daten zu trainieren, wie etwa bei der Entwicklung der Text-Assistenz „F13“ in der baden-württembergischen Landesverwaltung, sind aufwendig und teuer. „Das kann keine Kommune unter 100.000 Einwohner stemmen“, ordnet Rupp die Machbarkeit solcher KI-Projekte ein. Für kleine Kommunen seien landesweite Lösungen sinnvoller. In Hessen soll eine Basisversion von Chatbot Sophia im nächsten Jahr allen hessischen Kommunen kostenlos bereitgestellt werden. Die Datengrundlage des Chatbots pflegen die Kommunen über das Landesredaktionssystem „Hessen-Finder“ gemeinsam. Aktuell sind dort mehr als 4.000 Leistungsbeschreibungen zu Verwaltungsdienstleistungen hinterlegt.

Die Potenziale von KI für Effizienzsteigerung, Beschleunigung und Verbesserung der Servicequalität sind noch lange nicht ausgeschöpft, sind sich die Experten einig. Sophia, der freundlich lächelnden Mitarbeiterin beim Landkreises Marburg-Biedenkopf, könnte etwa ein zweites Leben als photorealistischer Avatar, der die Inhalte kommunaler Webseiten in Gebärdensprache übersetzt, bevorstehen.