Augen auf beim Digitalisieren
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Szenario

Beim Digitalisieren Augen offen halten

Wenn moderne Technologie auf menschliche Nachlässigkeit trifft - dieses Szenario aus dem Jahr 2035 zeigt, warum Digitalisierung in der Verwaltung nicht nur eine Frage von Software ist, schreibt Ilona Benz.

Stellen Sie sich eine Amtsstube im Jahr 2035 vor. Ein Sachbearbeiter bearbeitet einen Widerspruch gegen einen von ihm erlassenen Verwaltungsakt. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, dass aus seinen Angaben zum Sachverhalt die falschen Rechtsfolgen abgeleitet wurden. Bei dem Bescheid handelt es sich um einen teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt. Ein algorithmengestütztes Fachverfahren hatte dem Sachbearbeiter einen Entscheidungsvorschlag unterbreitet, den dieser unverändert freigegeben hat.

Digitalisieren - ein Szenario



Das Prüfprotokoll des Programms zeigt genau, wie der Sachverhalt Schritt für Schritt mit den rechtlichen Anforderungen verglichen und geprüft wird.  Der Sachbearbeiter vermutet, dass möglicherweise ein Fehler entstanden ist, weil eine kürzlich erfolgte Rechtsänderung nicht richtig berücksichtigt wurde. Er erinnert sich an eine Schulung, die er besucht hat. Weil einführend darüber informiert wurde, dass die Rechtsänderung bereits im Algorithmus des Fachverfahrens berücksichtigt sei und die Schulungsinhalte äußerst kompliziert waren, war er an den entscheidenden Stellen nicht aufmerksam. Er hatte sich darauf verlassen, dass ihm das Programm diese schwierigen Prüfschritte abnehmen würde. Nun ist er wegen des Termindrucks im Tagesgeschäft nicht in der Lage, den Widerspruch zu bearbeiten und den Verwaltungsakt entsprechend zu korrigieren. Er muss den Fall schließlich unbearbeitet an seine Chefin abgeben.    

Mit Technologien nicht blauäugig umgehen



Dieser kleine gedankliche Ausflug in die nahe Zukunft der Verwaltungsdigitalisierung soll nicht davon abhalten, moderne Technologien in der Antragsprüfung einzusetzen. Vielmehr soll er dafür sensibilisieren, dass all das nicht blauäugig und gedankenlos geschehen darf. Der Einzug von Technologie in die Verwaltungsarbeit muss kritisch reflektiert, mögliche Folgen und Auswirkungen antizipiert sowie Risiken identifiziert und minimiert werden. Das Gedankenexperiment soll auch zeigen, dass es dabei mitnichten nur um technische Risiken wie IT-Sicherheit, Datenschutz oder Ausfallsicherheit, geht. Vielmehr spielt menschliches Verhalten eine mindestens ebenso große Rolle. Der Einsatz von Technologie macht etwas mit den Menschen. Er lässt sie nicht nur ängstlich, sondern mitunter auch sorglos, abhängig und nachlässig werden. Verwaltungsdigitalisiererinnen und -digitalisierer dürfen auf diesem Auge nicht blind sein.



Dr. Ilona Benz berät als Managerin Kunden im öffentlichen Sektor in Digitalisierungs- und Transformationsprojekten. Die Autorin freut sich über Reaktionen an ilona.benz@mail.de