Kinder in Grundschule
Politisch aktiv schon im Grundschulalter - zum Beispiel als Kinderbürgermeister
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Best Practice

Kinderbürgermeister machen Kommunalpolitik

Mit dem Kinderbürgermeister gibt es ein spannendes Format, mit dem Kommunen schon die kleinen Bürger für politisches Engagement gewinnen können. Unser Beispiel aus einer kleinen Stadt, die erfolgreich auf dieses Format setzt.

„Kinder an die Macht“ singt Herbert Grönemeyer. Mit dem Format der Kinderbürgermeister haben Kommunen zumindest die Chance, die Interessen und Anliegen der kleinen Bürger direkt in den politischen Entscheidungsprozess einzubinden. In einer jkleinen Stadt üben Kinderbürgermeister bereits seit vier Jahren erfolgreich ihr Amt aus und bereichern damit den kommunalen Alltag.

Kinderbürgermeister: im Grundschulalter in die Politik

Seit 2018 gibt es in dem kleinen Ort mit rund 7.000 Einwohnern neben dem Bürgermeister auch Kinderbürgermeister. Um die Interessen der Kinder stärker einzubinden, wurde schnell deutlich: die Kinder brauchen ein Sprachrohr und eine Verbindung direkt ins politische Geschehen. Angeregt wurde die Stadt Thalheim im Erzgebirge dazu durch die Partnerschaft zum Markt Roßtal in Bayern. Dort sind seit Längerem Kinderbürgermeister im Amt. „Wir fanden das eine tolle Idee, die wir auch verwirklichen wollten“, erzählt Sylvia Schlicke, die als Quartiersmanagerin in Thalheim zuständig ist für die Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung. Sie betreut federführend auch die Kinderbürgermeister. Zudem war dem Thalheimer Bürgermeister Nico Dittmann als damals jüngsten Bürgermeister der Region die Einbindung der Interessen von Kindern und Jugendlichen ein besonderes Anliegen.

Kinderbürgermeister als Experten für Kinder

„Uns war klar: Wir können nicht immer alle Kinder fragen, wenn wir die Meinung der Kinder zu einem Thema wissen wollen. Deshalb brauchen wir Vertreter und Experten – und die besten Experten für Kinder sind Kinder“, so Schlicke. Ein weiterer Beweggrund für die Einführung der Kinderbürgermeister war die Erkenntnis: „Etwas, womit ich mich als Kind bereits beschäftige, geht nicht mehr weg – das wird Teil meiner Identität“, so Schlicke. Entsprechend könnten aus „kleinen Bürgermeistern später im schönsten Falle politisch engagierte Erwachsene werden“.

Förderung erhalten

Für die Umsetzung der Idee hat sich Thalheim 2017 für die Teilnahme am Projekt „Demokratie in Kinderhand“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung beworben, das die Beteiligung von 6- bis 12-Jährigen zum Ziel hatte. Mit dem Zuspruch der Förderung erhielt die Kommune für zwei Jahre jeweils jährlich 2.000 Euro finanzielle Unterstützung sowie eine intensive personelle Unterstützung bei der Umsetzung der Kinder- und Jugendbeteiligung, wie Schlicke sagt. Mittlerweile ist das Projekt ausgelaufen, die Kinderbürgermeister aber bestehen und seit 2019 hält die Stadt selbst jährlich 2.000 EUR im Haushalt für Kinder- und Jugendbeteiligung bereit.

Die Kinderbürgermeister in Thalheim

Nach der erfolgreichen Ideenwerkstatt und der Vorstellung des Amts der Kinderbürgermeister in der Grundschule war es 2018 schließlich soweit: Die erste Kinderbürgermeisterwahl in Thalheim fand statt und mit Nikita Ihle und Josy Mohr wurden zwei Mädchen im Alter von 8 und 10 Jahren für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt. Wegen Corona wurde sie um ein Jahr verlängert. Seit Januar 2022 sind Alessia Meischner, Karl Brunner, Mia Felice Schubert bereits die Nachfolger im Amt, gewählt von den Thalheimer Kindern parallel zur Bundestagswahl 2021 in den Wahllokalen der Stadt.

Kinderbürgermeister Thalheim
Quartiersmanagerin Sylvia Schlicke (v.l.) mit den alten und neuen Kinderbürgermeistern

Auftritte Seite an Seite mit dem Bürgermeister

Sind die Kinderbürgermeister gewählt, werden sie als Vertreter der Kinder der Kommune mit ihren Meinungen intensiv miteingebunden. So wurden in Thalheim seit 2018 verschiedene Projekte im Kinder- und Jugendbereich verwirklicht, bei denen die Kinderbürgermeister mitgewirkt haben,  etwa bei der Auswahl von Spielgeräten auf den beiden neuen Spielplätzen, bei einer Baumpflanzaktion nach einem Sturmschaden oder der Planung und Durchführung eines Familienwandertages mit Stempelstationen, woraus sich mittlerweile ein fester Familienwanderweg entwickelt hat.

Zudem sind die Kinderbürgermeister bei etlichen repräsentativen Auftritten Seite an Seite mit dem Bürgermeister mit dabei, etwa bei der Eröffnung des Thalheimer Weihnachtsmarktes, des Osterbrunnens oder des neuen Spielplatzes.

Eröffnung des Weihnachtsmarkts
Bei der Eröffnung des Weihnachtsmarktes in Thalheim

Kinder im Rathaus aktiv

Für die Abstimmung in der Kinderrunde finden Kinderstadtratssitzungen mit den Klassensprechern der ersten bis zur sechsten Klasse im großen Stadtsaal statt – geleitet von den Kinderbürgermeistern unter Begleitung Erwachsener Helfer. „Man kann die Kinder bei der Planung gerade von Maßnahmen der Stadtentwicklung als Experten einsetzen“, weiß Schlicke aus Erfahrung, und neben dem immer anwesenden Bürgermeister würden zu diesen Sitzungen auch regelmäßig Stadträte eingeladen. Der wichtigste Effekt sei hierbei: „Die Kinder haben eine Stimme und sie bekommen Zugang zum Rathaus und zur Verwaltung und können ohne Hürden auch ihre eigenen Themen einbringen“, so Schlicke.

Kinder im Stadtrat
So sieht eine Kinderstadtrats-Sitzung aus.

Stärkung des Heimatbezugs

Aus Sicht von Sylvia Schlicke bringt die Beteiligung der Kinder an politischen Entscheidungsprozessen, gekrönt vom Amt der Kinderbürgermeister, der Kommune auch einen langfristigen Mehrwert. „Bei diesem Thema geht es definitiv auch um das Reagieren auf den demografischen Wandel“, so Schlicke, und Kinder, die in Thalheim geboren werden, sollten auch später einmal gerne und bewusst dort leben wollen. Die Beteiligung schon in jungen Jahren kann dazu beitragen. So sagt Schlicke: „Wenn man sich schon als Kind intensiv Gedanken gemacht hat zu seiner Heimat und sich zum Beispiel überlegt hat, was nutze ich, wo gehe ich gerne hin und wo weniger, dann hat man einen ganz anderen Bezug zur Stadt“.

Mittler-Rolle der Eltern

Will man als Kommune Kindern in so jungem Alter beteiligen, ist laut Schlicke klar: „Ohne die Eltern funktioniert das nicht“. So sind diese auch bei den Kinderbürgermeistern die Kontaktpersonen, die die Termine organisieren, die Kinder zu den Treffen bringen und im Hintergrund immer präsent sind. Dadurch ergibt sich nach Erfahrung der Mitarbeiterin nicht zuletzt ein weiterer Mehrwert der Kinderbeteiligung. So sagt Schlicke: „Über die Kinder werden auch die Eltern zum Mitdenken angeregt und bekommen auch sie eine neue Sichtweise auf die Entwicklung in der Stadt“.

Beteiligungs-Formate müssen kindgerecht sein

Damit eine Kinderbeteiligung wie in Form der Kinderbürgermeister funktioniert, müssen die Formate nach Erfahrung von Schlicke absolut kindgerecht sein. „Man muss bewusst in die Hocke gehen und die Welt aus den Augen der Kinder sehen, um hier den richtigen Rahmen zu finden“. Damit das gut vorbereitet sei, brauche es eine Steuerungsgruppe mit Menschen, die Erfahrung mit Kindern haben. Das mache durchaus viel Arbeit, insbesondere die kontinuierliche Begleitung der jungen Bürgermeister. Doch nach den Erfahrungen in Thalheim ist Schlicke überzeugt, dass sich diese lohnt: „Die Kinder werden ernst genommen, ihre Vorschläge werden diskutiert und es wird ihnen auch erklärt, warum etwas nicht funktioniert. Dadurch fühlen sie sich ausgesprochen wertgeschätzt und sie werden gehört in der Kommune – das ist für alle ein großer Gewinn.“

Fotocredits: Stadt Thalheim/Erzgeb.