Forsa zur Energiewende

Hürden auf dem Weg zur Energiewende

Zwei von drei Deutschen äußern Verständnis für die Aussagen von Klimaleugnern. Der Mehrheit der Deutschen sind zudem die Energiepreise das wichtigste Gut, erklärt Forsa-Chef Manfred Güllner.

Seit jeher sind Sonne und Wind die Energiearten, die die Bürger am liebsten zur Erzeugung von Energie genutzt sehen wollen. Insofern hatte 2011 auch eine Mehrheit der Bürger den vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie und die damit eingeleitete „Energiewende“ für richtig gehalten. Und aktuell befürwortet weiterhin eine Mehrheit, die Energiewende zügig voranzutreiben. Den von der „Kohlekommission“ empfohlenen Termin für den vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung hält insofern auch die Hälfte der Bundesbürger für zu spät. Doch blickt man etwas genauer hinter diese „Bewusstseins-Fassade“, dann zeigt sich, dass der Klimaschutz im Alltag und auf der Verhaltensebene bei vielen doch nicht den hohen Stellenwert hat, den man nicht zuletzt aufgrund der intensiven öffentlichen Diskussion vermuten könnte. So gibt es für drei Viertel aller Bundesbürger Probleme, die sie für wichtiger und drängender halten als den Klimaschutz. Und zwei Drittel glauben auch, an der Behauptung der Klimawandel-Leugner, die Menschen könnten gegen den Klimawandel wenig bewirken, sei etwas Wahres dran. Schließlich habe sich das Klima schon immer gewandelt und auf jede „Kaltzeit“ sei eine „Warmzeit“ gefolgt.

Kann der Klimawandel durch eine Energiewende aufgehalten werden?

Zweifel gibt es auch daran, ob die Energiewende so wie vorgesehen gelingen kann; denn nur eine Minderheit von 22 Prozent glaubt, dass der Energiebedarf in Deutschland alleine durch die an sich gewünschten erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Die große Mehrheit meint, nach wie vor müssten die herkömmlichen Energiearten noch zur Erzeugung von Energie genutzt werden. Dies meinen selbst 58 Prozent der Anhänger der Grünen. Und die für eine erfolgreiche Energiewende erforderlichen Maßnahmen werden keinesfalls von allen Bürgern akzeptiert. Das betrifft die Errichtung neuer Anlagen zur Gewinnung von Energie mit Hilfe von Wind und Sonne, den Bau neuer Gaskraftwerke, die die Energieversorgung auch dann sicherstellen, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, oder den Bau von „Stromautobahnen“, die den im Norden erzeugten „grünen Strom“ in den Süden und Westen transportieren müssen.

Klimawandel

Niedrige Energiepreise versus Klimaschutz

Bedenken gegen die Energiewende werden zudem auch durch die Furcht vor höheren Energiepreisen beflügelt. So glauben nur ein Bruchteil der Bundesbürger, dass im weiteren Verlauf der Energiewende mögliche höhere Energiepreise von den Haushalten ohne weiteres zu verkraften wären. Die Mehrheit glaubt hingegen, dass höhere Energiepreise die Haushalte in Deutschland in Schwierigkeiten bringen könnten. Mehr Bürger glauben, dass die Unternehmen in Deutschland höhere Energiekosten ohne weiteres verkraften könnten. Doch auch in Bezug auf die Wirtschaft hat eine Mehrheit die Befürchtung, dass Unternehmen bei höheren Energiepreisen Arbeitsplätze ins Ausland verlagern könnten, wo die Energiekosten niedriger sind. Bei aller generellen Akzeptanz des Umwelt- und Klimaschutzes und der Energiewende: Für die Mehrheit der Bundesbürger ist eine sichere und bezahlbare Energieversorgung – egal wo und wie der Strom erzeugt wird – wichtiger als dass der Strom aus erneuerbaren Energien stammt. Dass nicht die Herkunft des Stroms, sondern eine sichere und bezahlbare Versorgung mit Strom aus jedweder Energieart wichtiger ist, glauben in überdurchschnittlichem Maße die Bewohner im ländlichen Raum (in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern).

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​Kluft zwischen "Bewusstseins-Überbau" und "Verhaltens-Unterbau"

Die dargestellten Befunde einer aktuellen forsa-Studie bestätigen die seit langem bestehende Kluft zwischen dem „Bewusstseins-Überbau“, in dem alles, was mit Ökologie zu tun hat, einen hohen Stellenwert hat, und dem „Verhaltens-Unterbau“, bei dem dieser hohe bewusstseinsmäßige Stellenwert allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. Die gewisse „Schizophrenie“ vieler Bürger zeigt sich auch daran, dass viele Verständnis für Proteste haben, die sich gegen notwendige Maßnahmen zur Realisierung der Energiewende richten, aber 55 Prozent gleichzeitig auch gewaltsame Proteste wie jüngst im Hambacher Forst gegen die weitere Nutzung der Braunkohle für gerechtfertigt halten. Gerade die Politiker vor Ort müssen sich auf diese „Schizophrenie“ der Bürger einstellen.