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Koalitionsvertrag steht: Das steckt für Kommunen drin
Wer die 146 Seiten des Koalitionsvertrags liest, merkt schnell: Es ist nicht die große Vision, auf eine große Erzählung verzichten die Regierungspartner. Diese gemeinsame Erzählung kann es auch gar nicht geben, zu unterschiedlich sind die Vorstellungen der Partner. Aber das Papier zeigt auch: Es ist eine gute Geschäftsgrundlage. Alle wichtigen Punkte sind angesprochen, der Wille zum Handeln ist erkennbar. Wenn auch immer unter Vorbehalt.
So ist das Wort, das am häufigsten in dem 146 Seiten Koalitionsvertrag vorkommt, das Wort: "WERDEN" - es findet sich über 800 Mal, gefolgt vom Wort: "Wir". Letzteres soll wohl das Vertrauen der Regierungspartner symbolisieren, und in der Tat fiel auf: In den letzten Tagen der Koalitionsverhandlungen ist kaum noch etwas nach außen gedrungen, obwohl am vorherigen Entwurf der großen Arbeitsgruppen noch vieles verändert wurde. Die Chancen stehen also gar nicht schlecht, dass die Arbeitsgrundlage tragfähig ist für vier gemeinsame Jahre.
Warum das "Werden" den Koalitionsvertrag immer wieder relativiert
Wie das meistgenutzte Wort "werden" zu verstehen ist, das machte der vermutlich künftige Finanzminister Lars Klingbeil bei der Vorstellung der Pläne gestern gleich deutlich: "Viele Vorhaben stehen unter Vorbehalt", so Klingbeil. So stehe im Vertrag „wir wollen“. Laut Klingbeil bedeutet das, „wir nehmen es uns vor.“ Heißt im Klartext: Die Finanzierung ist in weiten Teilen offenbar noch offen.
Und so bleibt der Koalitionsvertrag in den allermeisten Punkten bei der Umsetzung tatsächlich sehr vage. Aber alle Themen sind angesprochen, die Richtung ist zumindest klar, der Wille zu erkennen.
So findet sich im Papier an vielen Stellen auch der Hinweis, man werde dazu eine Kommission gründen. Direkt mit Regierungsstart etwa zu den Themen Rente, Pflege und Krankenversicherung. Kritiker werden anmerken: "Und wenn du nicht mehr weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis" - positiv kann man aber auch sagen: "Die wirklich wichtigen Fragen haben zumindest einen Anlaufpunkt, wo alles zusammenläuft und auf den Tisch kommt". Warten wir also Ergebnisse ab...
Das sind die konkreten Aussagen im Papier zu den kommunal relevanten Themen:
Stichwort Asylpolitik:
Für neu ankommende Bürgerkriegsflüchtlinge soll es kein Bürgergeld mehr geben, sie bekommen künftig die niedrigeren Leistungen für Asylbewerber.
Außerdem will die neue Regierung den Familiennachzug für Migranten teilweise stoppen, für zunächst zwei Jahre. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet für zwei Jahre aus“.
Zudem soll es eine Ausweitung der Grenzkontrollen sowie Zurückweisungen an den Grenzen geben.
Stichwort Jobcenter:
Das Bürgergeld soll in der jetzigen Form abgeschafft und zu einer „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umgestaltet werden. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir werden Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen. Sanktionen müssen schneller, einfacher und unbürokratischer durchgesetzt werden können.“
Stichwort Digitalisierung, Staatsmodernisierung:
Die Regierung plant ein Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Neben einer umfassenden Staatsreform ist die Rede von massivem Bürokratieabbau. Als Beispiele führt das Papier etwa auf, dass Firmengründungen erleichtert werden sollen. Im Koalitionsvertrag steht dazu: „Wir schaffen einen vollständigen One-Stop-Shop, der alle Anträge und Behördengänge auf einer Plattform digital bündelt und eine Unternehmensgründung innerhalb von 24 Stunden ermöglicht“.
Ebenfalls bürokratisch entschlackt werden sollen die Öffnungszeiten für Bäckereien. Sie dürfen - je nach Bundesland - bisher an Sonn- und Feiertagen nur drei bis fünf Stunden öffnen, künftig sollen sie den ganzen Tag uneingeschränkt öffnen dürfen.
Insgesamt spricht der Koalitionsvertrag mehrfach von der voll digitalisierten Verwaltung. Ein digitales Bürgerkonto soll den Zugang zu Behördendienstleistungen erleichtern.
Stichwort Bildung:
Schulen sollen mit einem neuen Digitalpakt und einem Investitionsprogramm für Sanierungen unterstützt werden. zudem ist die Rede vom Einsatz multiprofessioneller Teams in Schulen. Auch die Anpassung der Förderprogramme für Schulen soll vereinfacht werden. Wörtlich heißt es: "Die Unterstützung von Schulen durch multiprofessionelle Teams stärkt die individuelle Förderung des einzelnen Kindes und damit den Schulerfolg. Individuelle Leistungen der Sozialgesetzbücher, die der Förderung in der Schule dienen, werden wir für die Zusammenfassung zu pauschalierten und strukturierten Unterstützungsleistungen an Schulen öffnen."
Mit Blick auf Schulessen und Kindergärten heißt es: "Wir wollen dafür sorgen, dass alle Kinder mit Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) das kostenlose Mittagessen in Kita und Schule auch erhalten. Dafür sollten die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten, beispielsweise über einen Sammelantrag der Schule, vollumfänglich und flächendeckend ausgeschöpft werden. In Startchancen-Kitas und -Schulen wollen wir modellhaft ein bürokratiearmes BuT-Budget für das Mittagessen erproben."
Stichwort Energiepolitik:
Union und SPD wollen das beschlossene Heizungsgesetz komplett streichen. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“. Das neue Gebäudeenergiegesetz solle „technologieoffener, flexibler und einfacher“ werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung solle „zur zentralen Steuerungsgröße“ werden.
Die Wörter "Atomkraft" oder "Kernenergie" kommen im Koalitionsvertrag derweil nicht vor. Die von der Union im Wahlkampf geforderte Reaktivierung von Kernkraftwerken hat es nicht in das Papier geschafft.
Dafür soll der Strompreis gesenkt werden. Im Papier heißt es wörtlich: "Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung geben wir an Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wirtschaft zurück: durch eine spürbare Entlastung beim Strompreis und durch die Förderung von Investitionen in die Klimaneutralität. Wir führen dem KTF aus dem Sondervermögen jedes Jahr Mittel in Höhe von rund zehn Milliarden Euro zu."
Heißt also auch: Die ursprünglich mal versprochene Auszahlung der Einnahmen des CO2 Preises durch Rücküberweisung an die Bürger wird wohl weiter nicht kommen. Im Papier findet sich dazu ansonsten nichts.
Stichwort: Verkehrspolitik
Hier gibt es viele Stellen im Koalitionsvertrag, wo Änderungen angekündigt werden. Vorab: Was nicht im Papier steht, ist das Wort "Tempolimit" - auf Autobahnen dürfte es also weiterhin kein generelles Tempolimit geben.
Gut für Menschen im ländlichen Raum derweil: Die Pendlerpauschale soll ab dem kommenden Jahr erhöht werden. Ab 2026 soll sie bereits vom ersten Kilometer an bei 38 Cent liegen.
Gleichzeitig findet sich das Thema "PKW-Maut" etwas versteckt im Koalitionsvertrag wieder. Hier heißt es, es solle geprüft werden, wie sich die Autobahn GmbH dauerhaft stabil finanzieren kann.
Mehr Geld soll es für die Bahn geben. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Investitionen in das deutsche Schienennetz werden gesteigert. Das gilt für Haupt- und Nebenstrecken sowie die Großknoten und die durch die Regionalisierungsmittel geförderten Großprojekte gleichermaßen.“
Das Deutschlandticket für den Nahverkehr soll auch nach 2025 erhalten bleiben, Nutzer müssen sich aber von 2029 an auf Preiserhöhungen einstellen.
Stichwort: Wohnungsbau
Der Koalitionsvertrag spricht davon, das Bauen günstiger zu machen. Ziel soll es sein, zusammen mit der Wohnungswirtschaft dafür zu sorgen, dass in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 Euro je Quadratmeter entstehen können. Da der Staat selbst billiger an Geld kommt, soll er sich direkt oder indirekt an Wohnungsbau-Projekten beteiligen. Ziel: Die günstigen Bankkonditionen des Staates soll auf die Investoren übergehen:
Der Auszug aus dem Koalitionspapier dazu: „Wir wollen zudem die günstigen Finanzierungskonditionen des Bundes und die Expertise der Wohnungswirtschaft für schnelles und effizientes Bauen zusammenbringen und werden daher zeitnah durch eine Beteiligung des Bundes, zum Beispiel durch Garantien, die Finanzierungskosten so senken, dass gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 EUR pro Quadratmeter entstehen können.“
Stichwort: Altschulden, Entlastung der Kommunen und Zukunftspakt Kommunen
Eine Einigung gibt es in Sachen Altschulden der Kommunen. Hier gab es lange Streit, weil einige Bundesländer schon selbst Entschuldungsprogramme aufgelegt hatten, andere hingegen nicht. Mehr als die Hälfte der Altschulden betrifft daher Kommunen aus NRW und Rheinland-Pfalz. Die Einigung lautet nun:
Der Bund wird sich mit 250 Millionen Euro jährlich an der Entlastung der Kommunen von Altschulden beteiligen. Dies betrifft insbesondere die Übernahme von übermäßigen Kassenkrediten durch die Länder.
Weniger konkret, aber in der Richtung klar, wird der Koalitionsvertrag bei weiteren Finanzfragen. So soll es eine deutliche Entlastung der Kommunen, insbesondere durch die Verbesserung der Verwaltungsverfahren, Bürokratieabbau und eine Reduzierung der kommunalen Kosten geben. Geplant ist auch eine Verstetigung und Verlässlichkeit der kommunalen Einnahmen. Die Gewerbesteuer soll "weiterentwickelt" werden. Konkret wird das Papier hier nicht, wörtlich heißt es: " Es braucht eine grundsätzliche und systematische Verbesserung der Kommunalfinanzen jenseits von Förderprogrammen. Wir wollen eine Verstetigung und Verlässlichkeit der kommunalen Einnahmen und mehr kommunale finanzielle Autonomie und Gestaltungsmöglichkeiten. Im Falle einer Weiterentwicklung der Gewerbesteuer sichern wir die Einnahmen der Kommunen."
Ähnlich verhält es sich mit einem angekündigten Zukunftspakt. Er soll die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen stärken. Wörtlich heißt es: " Wir orientieren uns am Grundsatz der Veranlassungskonnexität – „Wer bestellt, bezahlt“, das gilt auch für Verwaltungs- und Personalaufwände. Wer eine Leistung veranlasst oder ausweitet, muss für ihre Finanzierung aufkommen. Das heißt, wenn Bundesgesetze oder andere Maßnahmen des Bundes bei den Ländern und Kommunen zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen führen, muss sichergestellt werden, dass die Mittel bei der ausführenden Ebene ankommen."
Ehrlicherweise ist das schon jetzt geltendes Recht. Schön, dass im Koalitionsvertrag noch einmal unterstrichen wird, dass dies bisher nicht funktioniert. Wie die Situation konkret verbessert werden soll, steht aber auch nicht drin. Aber auch hier gilt: Die Richtung stimmt natürlich, es darf nur nicht bei weißer Salbe bleiben...
Weitere Stichworte aus dem Koalitionsvertrag:
Relevant für Kommunen ist zudem noch ein Passus zur Stärkung der Innenstädte. Hier will sich die Koalition für eine verstärkte Förderung aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung einsetzen, was den Kommunen bei der Revitalisierung der Innenstädte helfen soll.
Breiten Raum nimmt auch das Thema "Sicherheit" ein. Doch in den Handlungsankündigungen bleibt das Papier auch hier vage: Man strebe eine Harmonisierung der Sicherheitsvorschriften an, was zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf kommunaler Ebene beitragen soll.
Und auch die Wahlrechtsreform ist im Papier noch einmal Thema. Man wolle das System so verändern, dass alle direkt gewählten Abgeordneten auch in den Bundestag kommen. Gleichzeitig wolle man dafür sorgen, dass die Zahl der Sitze nicht vergrößert werde und dass das Zweitstimmenergebnis auch bei der Sitzverteilung abgebildet wird. Auch dies eine vage Ankündigung ohne weitere Erläuterungen.
Fazit: Der Koalitionsvertrag spricht alle wichtigen Punkte aus kommunaler Sicht an. Der große Wurf ist es nicht, die gute Nachricht aber ist: Die Arbeitsgrundlage ist geschaffen. Und nicht zuletzt dank des 500 Milliarden Investitionsprogramms (Kritiker dürfen auch vom 500 Milliarden XXL-Schuldenprogramm sprechen) stehen die Chancen gar nicht schlecht. Denn es eröffnen sich dadurch Möglichkeiten für Investitionen etwa in Brücken, Straßen und Schienen. Auch wenn aus dem Programm nur ein kleiner Teil direkt an die Kommunen gehen wird, kann sich durch das Programm das Straßenbild vor Ort durchaus zum Positiven verändern.
Entscheidend ankommen wird es nun aber darauf, was die zukünftigen Minister in ihren Ressorts aus der vagen Grundlage machen. Wenn im Programm etwa steht, man wolle Zurückweisungen schon an den Grenzen durchsetzen, klingt das für viele Kommunen hilfreich. Ob das auch wirklich an den Grenzen passiert, wird massiv davon abhängen, ob der oder die künftige Innenministerin das auch wirklich durchsetzt. Denn rechtlich möglich war das schon bisher, nur umgesetzt wurde es faktisch nicht.
Und wenn endlich das Prinzip "Wer bestellt, bezahlt" auch umgesetzt wird, dürfen die Kommunen mit zusätzlichen Milliarden rechnen. Einzig wird es darauf ankommen, ob bei künftigen Gesetzen die Berechnung der Kosten auch real erfolgt. Bisher scheiterte es meist an "Pauschalen", die nicht der Realität der Kosten vor Ort entsprachen.
Und wenn die Jobcenter künftig Sanktionen für "Arbeitsunwillige" verhängen dürfen, wird das zum Aufatmen in vielen Landkreisen und ihren Jobcentern führen. Denn das senkt Kosten und erhöht den Druck. Aber nur, wenn der zuständige künftige Arbeitsminister oder die neue Arbeitsministerin das auch wirklich umsetzt, wird sich vor Ort etwas ändern.
Kurzum: Auf die handelnden Personen kommt es an - das gilt für die Bundespolitik ebenso wie für die Kommunen!
HIER FINDEN SIE DEN KOALITIONSVERTRAG ALS PDF IM ORIGINAL ZUM HERUNTERLADEN: