Die Kommunalfinanzen werden nach der Corona-Krise eine andere sein
Die Kommunalfinanzen werden nach der Corona-Krise eine andere sein

Corona und Finanzpolitik

Stadtentwicklung und Kommunalfinanzen

29. Juli 2020
Erforderlich sind Gestaltungsmaximen – in Zeiten der Corona-Krise müssen wir Kommunalfinanzen ganz neu denken, meinen unser Gastautoren Uwe Hochmuth und Michael Mangold.

Die besorgniserregende Entwicklung der Kommunalfinanzen ist das Ergebnis zahlreicher Einflussgrößen. Monokausale oder andere grob vereinfachende Erklärungen und Lösungsversuche verbieten sich daher grundsätzlich. Es gilt zunächst, dieses Phänomen als ein sehr komplexes und für jede Kommune spezifisches Optimierungsproblem zu erkennen und daran anknüpfend entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Besondere Schwierigkeiten entstehen jedoch durch den Umstand, dass viele Stellgrößen nicht unmittelbar durch die Kommunen beeinflussbare Rahmenbedingungen sind, zu denen aktuell noch die Corona-Krise hinzu kommt.

Kommunalfinanzen: Das sind die drei größten Herausforderungen 

Nach einer Phase negativer Finanzierungssaldi der Kommunen bis 2011 ergaben sich durch die gute gesamtwirtschaftliche Entwicklung und trotz der steigenden Sozialausgaben in den acht Folgejahren Finanzierungsüberschüsse. Selbst in dieser positiven Entwicklungsphase hat sich aber durch unterschiedliche Teilhabe am konjunkturellen Aufschwung und verschiedener Belastung durch Sozialleistungen die bereits lange vorhandene Schere zwischen stärkeren und schwächeren Kommunen  noch weiter geöffnet. Diese Situation wird sich trotz der beschlossenen Hilfsprogramme voraussichtlich weiter verschlechtern, weil die strukturellen Probleme noch nicht gelöst sind und Konzepte jenseits kurzfristiger Notoperationen für den Umgang mit dieser Situation noch fehlen.

Uwe Hochmuth Ist Finanzwissenschaftler an der HdWM Mannheim und war davor Stadtkämmerer in Karlsruhe
Uwe Hochmuth Ist Finanzwissenschaftler an der HdWM Mannheim und war davor Stadtkämmerer in Karlsruhe 

Die aktuelle Krise verstärkt die Auswirkungen der drei wichtigsten Problembereiche kommunaler Finanzen: Altschuldenlast, Investitionsrückstand, hohe Sozialausgaben - und schafft insbesondere für die strukturschwächeren Kommunen die zunächst als fatal erscheinende Konsequenz einer aussichtslosen Situation. Aber auch die stärkeren Städte werden mit wenigen Ausnahmen auf schwierige Zeiten zugehen. Erst auf der Grundlage tiefer gehender Studien lassen sich je nach kommunaler Besonderheit spezifische Lösungsstrategien finden. Sie benötigen jedoch über lange Zeit hinweg eine sehr vorsichtige Gestaltung und genaue Steuerung, um angemessen mit der Gefahr zu starker, die Nachsteuerung behindernder Festlegungen umgehen zu können. Der notwendigen Flexibilität steht jedoch oftmals ein anderes wichtiges Ziel entgegen: die Schaffung stabiler infrastruktureller Voraussetzungen zur Sicherung dauerhafter finanzmittelgenerierender Bedingungen durch umfangreiche Investitionen.

Kommunalfinanzen sind im Kern Ausdruck kommunaler Sachpolitik 

Insgesamt kann man jedoch davon ausgehen, dass die Problemlagen jeweils sehr unterschiedlich gelagert sind, nicht zuletzt abhängig davon, wie ausgeprägt die Leistungsfähigkeit der örtlichen Wirtschaft ist und wie hoch die Soziallasten sind. Selbst bei erkennbaren Strukturen auf stark aggregierten Ebenen verbirgt sich dahinter ein sehr ausdifferenziertes Bild, das es notwendig macht neben den notwendigen bundes- und landesweiten Hilfsaktionen kommunenspezifische Lösungen zu suchen. Sie müssen sich der Finanzhilfen und ihrer eigenen Mittel so bedienen, dass kurzfristige Lösungen nicht gegenüber mittel- und langfristigen Verbesserungen dominant werden.

Michael Mangold  Ist wissenschaftlicher Berater am Institut für angewandte Wirtschaftsforschung e.V. Tübingen
Michael Mangold Ist wissenschaftlicher Berater am Institut für angewandte Wirtschaftsforschung e.V. Tübingen

Finanzen sind in ihrem Kern immer Ausdruck der kommunalen Sachpolitik. Stark verkürzt lässt sich also sagen, dass die mittel- bis langfristige Stadtentwicklungsstrategie wesentlich über die finanzielle Situation einer Kommune mitbestimmt; von ihr hängt ihre kurzfristige Reaktionsfähigkeit und in der Gesamtsicht ihre Resilienz ab. Die Festigung der kommunalen Finanzkraft ist jenseits der von außen bestimmten Rahmenbedingungen durch die Qualität der ausdifferenzierten Gestaltung der Stadtentwicklung bedingt. Es bedarf hierzu einer Integration von Pflichtaufgaben und eigenbestimmten Entwicklungszielen unter den Aspekten der praktischen Machbarkeit, der scharf gerechneten Wirtschaftlichkeit und der gesellschaftlichen Vorteilhaftigkeit. Dies ist in zahlreichen Fällen in den bisherigen Formen der Entscheidungsfindungen jedoch kaum noch möglich, da viele vorhandene Strukturen sklerotisch und innovationsimmun wurden. Ein Ausdruck davon ist der starke Wunsch der Zivilgesellschaft, mehr als bisher in die Meinungs- und Entscheidungsfindung der Kommunalpolitik und der Verwaltung einbezogen zu werden, dem aber ohne strukturelle Änderungen in der Verwaltungspraxis nur rudimentär nachgekommen werden kann. Dem entsprechen zu wollen, erhöht jedoch die Komplexität erheblich und erfordert die Entwicklung neuer Kooperationsformen und entsprechender Kompetenzen.

Es geht um Gestaltungsmaxime 

Die Finanzsituation ist ein Indikator für die jeweilige kommunale Situation, aber nicht unbedingt ein guter dominanter Ausgangspunkt für gravierende Entscheidungen der längerfristigen kommunalen Entwicklung. Es bedarf vielmehr einer erkennbaren Gestaltungsmaxime, von den drei oben genannten Entwicklungsaspekten sollte die dauerhafte gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit stadtpolitischer Vorstellungen das Optimierungsziel sein und die beiden anderen als zwingende Randbedingungen fungieren.