Politik als Gesprächsthema im Supermarkt
Am Ende waren es 47 Prozent!
Bei der Wahlbeteiligung lag die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein, die im Mai 2018 stattfand, sogar knapp über dem Urnengang von 2013: Damals hatten nur 46,7 Prozent der Wähler ihre Stimme abgegeben. Doch das kleine Plus darf nicht täuschen. Noch im März 1994 hatten rund 70 Prozent der Wahlberechtigten an der Wahl der Kreistage und Gemeindevertretungen teilgenommen. Ganz ähnlich war es 2016 in Hessen. Die Wahlbeteiligung geht zurück, und das auch und gerade bei den Kommunalwahlen. Nicht einmal jeder zweite Wähler gibt noch seine Stimme ab, wenn es um Gemeindevertreter oder Kreistagsmitglieder, Ortsbeiräte oder ehrenamtliche Bürgermeister geht. Wie lassen sich solche Ergebnisse steigern? Und was können Kommunen und vor allem Kandidaten gegen solche Befunde unternehmen?
Kommunalwahl: Die Wahlebteiligung sinkt!
„Man sollte denken, dass die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen höher wäre“, sagt Christian Martin. Der Professor für Politologie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel hat sich intensiv mit dem kommunalen Wahlsystem im nördlichsten deutschen Bundesland beschäftigt. „Die Kommunalpolitik ist mit ihren Themen schließlich viel dichter an den Menschen dran.“ Doch spätestens seit den 90er Jahren sinkt die Wahlbeteiligung auf kommunaler Ebene noch deutlich stärker als bei Bundes- oder Landtagswahlen. „Während früher einmal der Abstand bei etwa 15 Prozent lag, sind es mittlerweile oft schon 30 Prozent weniger Wähler, die bei Kommunalwahlen ihre Stimme abgeben.“
Kommunalwahl: Verstehen Sie den Bürger!
Aus Sicht von Martin könnte die sinkende Wahlbeteiligung mit einer Depolitisierung auf der kommunalen Ebene zusammenhängen. Denn hier werde oft über sehr konkrete Dinge entschieden. Bei Kommunalwahlen gehe es nicht um ideologische Differenzen. „Der Wähler fragt sich: Wer löst die Probleme in unserem Ort am Besten? Wer sorgt dafür, dass die Müllabfuhr pünktlich kommt?“, so Martin. Dass an dieser These etwas dran ist, zeigt aus Sicht des Kieler Politologen auch die wachsende Zahl der Wählergruppen und Wählervereinigungen, die bei Kommunalwahlen Erfolge erringen. Zuweilen konzentrierten sich diese Gruppen lediglich auf ein einzelnes politisches Thema. „Die Parteizugehörigkeit von Kandidaten macht oft keinen Unterschied“, meint der Politologe. „Auf kommunaler Ebene sind solche Labels oft viel weniger aussagekräftig.“ Es gehe vor Ort meist um Sachfragen, und wer dafür die besten Lösungsansätze habe.
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Es gibt einen einfachen Grundsatz
„Löst die Probleme vor Ort“, rät der Kieler Wissenschaftler Wahlkämpfern in den Kommunen. „Macht Haustür-Wahlkampf, sprecht mit den Leuten ganz konkret über die Bedeutung der anstehenden Wahlen.“ Nichts wirke besser, um die Wahlbeteiligung anzuheben, als der ganz direkte Kontakt mit dem Wähler: „Gehen Sie hin, die anderen in Ihrer Straße machen das auch!“ Wichtig sei auch die Zahl der Kandidaten vor Ort. „Ein engagierter Wahlkampf mehrerer glaubwürdiger Kandidaten kann die Wahlbeteiligung erhöhen“, so Martin. Denn Wahlen seien für Wähler immer dann interessant, wenn über sie im Alltag gesprochen werde – an der Kasse im Supermarkt, in der Schule nach dem Elternabend, beim Training im Sportverein oder beim Schulungsabend der Freiwilligen Feuerwehr. Wenn es vor Ort ein Thema gebe, was kontrovers diskutiert werde – etwa eine Straße, die ausgebaut werden soll oder ein neu zu bauendes Dorfgemeinschaftshaus - trage auch das dazu bei, dass mehr Menschen zur Wahl gingen. Dort, wo Kommunalpolitik dagegen vor allem im stillen Kämmerlein stattfinde, beteiligten sich weniger Menschen.
In kleineren Orten ist die Wahlbeteiligung besser
Gefährlich für die örtliche Wahlbeteiligung ist aus Sicht von Christian Martin dagegen die Bildung von Großgemeinden und Ämtern. Denn Kommunalwahlen lebten davon, dass der Bürger die Kandidaten kennt. „Kleinere Gemeinden neigen seit Jahren zu einer höheren Wahlbeteiligung“, sagt der Kieler Professor. „Die Bindungswirkung der Gemeinden ist hier höher ausgeprägt: Man kennt einander, man vertraut den Kandidaten stärker.“ Gemeindefusionen führten oft eher zu Bürgerferne. Problematisch seien auch manche komplizierten Wahlsysteme. „Durch Kumulieren und Panaschieren entstehen in manchen Bundesländern Wahlzettel, die den Wähler schlicht überfordern“, so seine Erfahrung. „Hier muss man sich fragen, wo die Grenze ist, was der Bürger eigentlich noch leisten kann.“ Ein besonders krasses Beispiel dafür war die Kommunalwahl 2016 in Frankfurt am Main. Die Größe des Stimmzettels ließ sich damals bereits in Quadratmetern berechnen: 0,876. Zwanzig Listen mit bis zu 93 Kandidaten sorgten für einen Stimmzettel von 1,43 Metern Breite. Und auch in München gab es schon einen Stimmzettel von 1,38 Metern Breite und 60 Zentimetern Höhe. Wer soll da eigentlich noch den Überblick behalten?
Ganz ähnlich äußert sich dazu auch der Münsteraner Politikwissenschaftler Norbert Kersting. Er hat an der Westfälischen Wilhelms-Universität den Lehrstuhl für „Vergleichende Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Kommunal- und Regionalpolitik“ inne. „Bei vielen Wählern gilt die Kommunalwahl als Wahl zweiter Klasse, die Europawahl sogar als Wahl dritter Klasse“, so seine Forschungen. „Die Menschen sehen oft nicht, was die Kommunen alles leisten – dass dort zum Beispiel achtzig Prozent aller Gesetze praktisch umgesetzt werden.“ Und die bei den Kommunalwahlen antretenden Parteien seien oft pragmatisch unterwegs. Sie fänden sich mit der geringen Wahlbeteiligung ab, investierten oft nur wenig Geld in die Mobilisierung ihrer Hochburgen und in die Vorbereitung der Urnengänge. „Dabei müssen sie auch bei einer Kommunalwahl zwei Dinge schaffen. Nämlich...
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