Will raus aus dem Lockdown: Blick auf das Schloss über Augustusburg
Will raus aus dem Lockdown: Blick auf das Schloss über Augustusburg
© Von Hedwig Storch - Eigenes Werk

Pilotprojekt

Wie zwei Gemeinden dem Lockdown entrinnen wollen

Wie können Hotel, Museum und Restaurant so schnell wie möglich wieder öffnen? Und wie wird es möglich, dass wieder Touristen kommen dürfen? 2 Kommunen in Sachsen sind besonders auf den Tourismus angewiesen und werden nun Modellstadt für schnelle Öffnungsschritte. Entsteht da eine neue Hoffnung für ganz Deutschland?

Trotz Lockdown - ab Dienstag läuft die Internationale Tourismusbörse ITB an - natürlich rein virtuell. Also mehr Träumen vom Urlaub als Urlaub zum Anfassen. Sachsen wird auf der Reisemesse als "Offizielle Kultur-Destination" auftreten. Das klingt gut, aber die Realität sieht natürlich auch in Sachsen im Moment ganz anders aus. Geschlossene Hotels, Kaffee nur "to Go" und vom Museumsbesuch darf auch maximal virtuell geträumt werden. In Augustusburg und Oberwiesenthal ändert sich das jetzt. Die beiden kleinen Gemeinden mit knapp 5000 beziehungsweise rund 2500 Einwohnern sind die große Hoffnung der Branche. Wenn das Modellprojekt da klappt, gibt es neue Chancen für den Tourismus in ganz Deutschland. Aber der Reihe nach...

Mit zusätzlichen Testzentren aus dem Lockdown

In Augustusburg, 4900 Einwohner hat die malerische Kleinstadt mit ihrem herrlichen Blick auf das ehemalige Jagdschloss der sächsischen Kurfürsten, entsteht ein eigenes Schnelltestzentrum. Dafür wurden extra Container aufgestellt. Jeder, der will, kann sich dort testen lassen und bekommt - negatives Testergebnis vorausgesetzt - eine digitale Eintrittskarte. Die ist drei Tage gültig und kann dann mit einem weiteren negativen Schnelltest verlängert werden. Die Eintrittskarte berechtigt dann dazu, Gaststätten, Hotels und Restaurants zu besuchen. Eine digitale Besucherkarte also für Gastronomie, Läden und Hotels. 

Bürgermeister Dirk Neubauer ist zuversichtlich, dass es schon am Dienstag, den 9. März losgehen kann. Dann soll eine Schnelltestschulung für das künftige Personal durchgeführt werden. Das Deutsche Rote Kreuz übernimmt das. Rückenwind vom Land für das Projekt haben die beiden Orte schon. In der neuen Coronaverordnung für Sachsen sind Augustusburg und Oberwiesenthal in dieser Woche als Modellstädte aufgenommen worden. Die neue Verordnung ist zwar noch nicht als Amtliche Bekanntmachung veröffentlicht, die alte Verordnung läuft aber am Sonntag aus, so dass die neue am Freitag, 5. März veröffentlicht werden dürfte und dann ab Montag, den 8. März in Kraft ist. Rechtlich steht den beiden Kleinstädten also trotz Lockdown nichts mehr im Wege. 

Ich glaube, dass die Bereitschaft für Tests in der Bevölkerung gegeben ist, wenn es im Gegenzug Öffnungsmöglichkeiten gibt".

Dehoga-Chef Axel Klein

Kooperation zwischen Augustusburg und Oberwiesenthal 

Augustusburg soll nicht allein von dem Projekt profitieren. Gönnen und Gönnen können heißt es nicht nur im Rheinland, sondern auch in Sachsen. Oberwiesenthal, die Kleinstadt, knapp 60 Kilometer von Augustusburg entfernt, soll ebenfalls an dem Projekt teilnehmen. "Wir arbeiten eng zusammen, es ist quasi ein Kooperationsprojekt", so Bürgermeister Neubauer. Auch die Wirtschaft wird eng in das Projekt eingebunden. Die Hotel- und Gaststättenverband Dehoga sitzt mit im Boot. Ihr Hauptgeschäftsführer Axel Klein sieht Vorteile nicht nur für den Tourismus, sondern auch für die Testbereitschaft der Menschen insgesamt durch solche Projekte. In einem Interview mit dem MDR sagte er: "Ich glaube, dass die Bereitschaft für Tests in der Bevölkerung gegeben ist, wenn es im Gegenzug Öffnungsmöglichkeiten gibt". 

Wie sicher ist das Anti-Lockdown-Projekt wirklich? 

Der Bürgermeister von Augustusburg, Dirk Neubauer ist sich sicher: "Das Restrisiko ist durch die digitale Nachverfolgung und das flächendeckende Schnelltestsystem gering. Da ist das Risiko, sich in einem Supermarkt anzustecken, wahrscheinlich höher", so Neubauer. Freuen kann sich der Kleinstadt-Bürgermeister auch über das Geld, das ihm das Land zur Verfügung stellt. Die Schnelltests zahlt der Freistaat Sachsen. Die Finanzierung des Personals muss die Stadt hingegen selbst übernehmen. Der Stadtrat hat dazu in seiner Sitzung vor wenigen Tagen bereits eine Extraausgabe von 10.000 Euro beschlossen. 

Im Sächsischen Staatsministerium für Kultur und Tourismus jedenfalls denkt man schon weiter. Ministerin Barbara Klepsch, früher selbst Oberbürgermeisterin von Annaberg-Buchholz, kündigte an, auch für Chemnitz und Dresden Konzepte erarbeiten zu wollen, die eine schrittweise Öffnung von Kultur- und Freizeitstätten ermöglichen sollen. Es solle vor allem darum gehen, sichere Kontakte zu ermöglichen. 

Die Ankündigung gilt auch politisch als wichtiges Signal, nachdem vor 2 Wochen Sachsens Ministerpräsident Kretschmer in die Schlagzeilen geraten war, weil er in einem Interview gesagt hatte, dass er Osterurlaub in Deutschland nicht für realistisch halte. Auch beim Beschluss der Bund-Länder-Konferenz am Mittwoch hatte Sachsen in einer Protokollerklärung dargelegt, man halte einige der beschlossenen Punkte für - so wörtlich - "nicht vertretbar".