Schreiende wütenden Menschen Hass gegen Kommunalpolitiker
Immer mehr Menschen sind wütend und beschimpfen oder bedrohen Kommunapolitiker.
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Studie in Brandenburg

Kommunalpolitiker fast jeden Tag bedroht

Jeder dritte kommunale Mandatsträger in Brandenburg wird laut einer Studie des Innenministeriums beleidigt oder bedroht. „Es verging im untersuchten Zeitraum statistisch fast kein einziger Tag, an dem es nicht irgendwo in Brandenburg zu einem solchen Vorfall kam", sagt der brandenburgische Innenminister. Er kündigte Konsequenzen an.

Es geht um Faustkämpfe in Stadtverordnetenversammlungen oder um die Androhung einer Vergewaltigung. Es geht um Dezernatsleiter, die sich mittlerweile weigern, die Sitzung einer Stadtverordnetenversammlung zu besuchen, und um Kommunalpolitiker, die sich überlegen, ob sie ihr Amt noch fortführen wollen: Durchschnittlich jeder dritte kommunale Amts- und Mandatsträger in Brandenburg hat zwischen 2014 und 2021 mindestens einmal Beleidigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen oder körperliche Gewalt erlebt. Zu diesem erschütternden Ergebnis kommt eine repräsentative Studie, deren Ergebnisse Innenminister Michael Stübgen (CDU) an diesem Montag, 4. April, in Potsdam vorgestellt hat.

Kommunalpolitiker Opfer von Hass und Gewalt

Für die Studie wurden mehr als 7.000 Kommunalpolitiker im Land befragt. Mehr als 1.500 von ihnen beantworteten die Fragen der mit der Studie befassten Wissenschaftler. „Hochgerechnet auf den untersuchten Zeitraum wurden im Land Brandenburg etwa 2.500 kommunale Amts- oder Mandatspersonen Opfer von Hass, Hetze und Gewalt“, sagte Stübgen. „Es verging also im untersuchten Zeitraum statistisch fast kein einziger Tag, an dem es nicht irgendwo in Brandenburg zu einem solchen Vorfall kam.“ Wie die Studienautorin Christina Rau am Montag sagte, seien unter den eingegangenen Antworten immerhin 42 gewesen, in denen von körperlicher Gewalt berichtet worden sei.“ Wir sehen Gruppen, die deutlich häufiger betroffen sind“, sagte Rau. So sei in den Kreistagen schon jede zweite Person von Beleidigungen, Haß oder Gewalt betroffen gewesen. Auch seien Bürgermeister, Amtsdirektoren und Landräte deutlich stärker betroffen als SVV-Mitglieder.

Mehr Bedrohungen in großen Städten

In den großen Städten gebe es mehr Vorfälle als auf dem Land. Während in der Prignitz und der Uckermark verhältnismäßig wenig Vorgänge bekannt sind, häufen sich die Bedrohungen in der Landeshauptstadt Potsdam und der Gegend rund um Senftenberg. Insgesamt seien Frauen deutlich stärker betroffen als Männer. Und wer sich für ein kontroverses Thema einsetzt, weil er sich etwa für oder gegen Windkraftanlagen oder für oder gegen Flüchtlingsunterkünfte engagiert, wird besonders oft bedroht oder beleidigt. Das gilt für Politikerinnen und Politiker der Grünen und der Linken ebenso wie für solche der AfD, während Vertreter der politischen Mitte, also von CDU und SPD, weniger oft im Fadenkreuz stehen. Zudem sind es oft auch Kommunalpolitiker selbst, die ihre Kolleginnen und Kollegen beleidigen und bedrohen.

Null-Toleranz-Strategie angekündigt

„Viele Leiterinnen und Leiter kommunaler Verwaltungen und viele Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker fühlen sich allein gelassen, wenn es um Hetze, Drohung und Gewalt gegen sie geht“, sagte Stübgen. „Damit wird ein gesamtgesellschaftliches Problem beschrieben, für das wir nur gemeinsam Lösungen finden können.“ Nötig sei ein breit angelegter gesellschaftlicher Dialog. Dazu kündigte der Minister an, dass die kommunalen Bildungsträger im Land mit Unterstützung der „Landesakademie für öffentliche Verwaltung“ in Kürze für kommunale Amts- und Mandatspersonen Seminare und Veranstaltungen zum Umgang, zur Prävention und zur Resilienz gegen Einschüchterung, Hass sowie Gewalt auflegen würden. Polizeilich gebe es mittlerweile eine „Null-Toleranz-Strategie“, sagte Stübgen. Dies gelte im Übrigen auch für ihn selbst: „Seit ich Innenminister bin, gehen alle Beleidigungen und alle Drohbriefe, die ich persönlich erhalte, direkt an den Staatsschutz – und wann immer der Täter ohne allzu großen Aufwand ermittelbar ist, gibt es eine Anzeige. Punkt.“

Kommunen fordern mehr Stellen für Strafverfolgung

Der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg, Jens Graf, mahnte dagegen, der Staat müsse sich schützend vor alle stellen, die sich bedroht fühlen. „Meine größte Sorge ist es, dass es immer noch nicht gelungen ist, bei Amts- und Mandatsträgern ein Vertrauen in die Strafverfolgung zu entwickeln“, sagte Graf. Viel zu oft würde auf eine Anzeige verzichtet, weil man von vornherein vermute, dass nichts passieren würde. Die personelle Kapazität der Strafverfolgungsbehörden müsse so aufgebaut werden, dass diese Stellen mehr Anerkennung unter Kommunalpolitikern erhielten.

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Die Ergebnisse der Studie als PDF