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  3. Neue Konzepte gegen den Ärztemangel
Eine Kommune im Münsterland hat ihre Hausärzte nun über die Gemeinde angestellt und betreibt das Versorgungszentrum selbst
Eine Kommune im Münsterland hat ihre Hausärzte nun über die Gemeinde angestellt und betreibt das Versorgungszentrum selbst
© 123rf

in kommunaler Trägerschaft

Neue Konzepte gegen den Ärztemangel

von Christian Erhardt-Maciejewski
Chefredakteur | KOMMUNAL
12. Januar 2023
Im Münsterland hat in dieser Woche ein erstes medizinisches Versorgungszentrum in kommunaler Trägerschaft eröffnet. Die Gemeinde Wettringen will damit dem Hausärztemangel vorbeugen. Begleitet wurde die Kommune bei dem Projekt von einem Fachmann auf dem Gebiet, dem Berater Adrian W.T. Dostal. Vor allem die Zulassung des Zentrums durch die Kassenärztliche Vereinigung musste organisiert werden. KOMMUNAL hat mit ihm über das Projekt und die Möglichkeiten zur Vorbeugung gegen Ärztemangel gesprochen.

Die eigentliche Geschichte ist schnell erzählt: 2 Hausärzte gaben zum Jahreswechsel ihre Arztpraxen auf, um seit diesem Jahr als Angestellte im Medizinischen Versorgungszentrum des Ortes zu arbeiten. Trägerin des Versorgungszentrums ist die Gemeinde Wettringen. "Wir wollen damit die Hausarzt-Versorgung in Wettringen für die Zukunft sichern", so Bürgermeister Berthold Bültgerds. Der Vorteil aus Sicht der Macher: Ärzte können so auch in Teilzeit arbeiten, eine weitere Ärztin hat in Wettringen schon zugesagt, dass sie das Versorgungszentrum ab Februar unterstützen wird. Auch die unternehmerische Verantwortung wollen immer weniger Ärzte selbst tragen, so dass die Kommune ihnen ein Festgehalt zahlt und so auf einen Standortvorteil hofft. Urlaub muss das Versorgungszentrum auch nicht machen, so die Stadt, da sich die Ärzte nun gegenseitig vertreten können. 

Stolz auf die Eröffnung ist auch Adrian W.T. Dostal, Berater im Gesundheitsbereich und mehrfacher Gastautor zum Thema Ärztemangel in KOMMUNAL. Er  hat die Kommune bei der Einrichtung begleitet und in Wettringen im Kreis Steinfurt unter anderem die Zulassung des Versorgungszentrums durch die Kassenärztliche Vereinigung innerhalb von sechs Monaten organisiert. 

KOMMUNAL: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, wenn eine Kommune einen solchen Schritt gehen will? 



Dostal: Grundsätzlich ist es immer schwierig die an einer Lösung beteiligten Akteure, die da sind: die Gemeinde, das Kommunalparlament, das relevante Sample an sich einbringenden Hausärzten mit ihrem Personal, den Immobilieneigner und den Zulassungsausschuss der  Kassenärztlichen Vereinigung für eine gemeinsame Lösung zu gewinnen. Diesen Prozess zielgerichtet zu moderieren, sehen wir als eine unserer zentralen Aufgaben als externer Berater an. In Wettringen konnte dies besonders gut gelingen, da alle Akteure von Anfang an „an einem Strang zogen“. Daher konnte das Medizinische Versorgungszentrum in kommunaler Trägerschaft in Rekordzeit von einem halben Jahr gegründet werden.

KOMMUNAL: Ist Wettringen ein Einzelfall oder wie viele Kommunen arbeiten bereits mit solchen Methoden?



Dostal: Auch wenn es darüber keine Statistiken gibt, kann man davon ausgehen, dass allein in wohl bald 2.000 Kommunen eine modernere, nachhaltigere und attraktivere Infrastruktur für Praxisräume auf den Weg gebracht wurde. Dabei haben Kommunen in den wenigsten Fällen selbst „Geld in die Hand nehmen müssen“, sondern „nur“ positive Bedingungen für private Investoren in einer unglaublichen Vielfalt geschaffen. Daneben flankieren auch zahlreiche kommunale Förderprogramme zusätzlich die Neuansiedelung von Ärzten. 

In Eigenregie der betroffenen kleineren Kommunen gibt es Stand heute 24 kommunale Medizinische Versorgungszentren mit rund 60 Standorten. Manche davon sind auch Teil der zunehmend vielfältiger werdenden Landschaft von Gesundheits- und Versorgungszentren. Daneben gibt es die ersten Gesundheitskioske in Großstädten. 

KOMMUNAL: Für Kommunen bedeuten solche Zentren aber wieder "Geld in die Hand zu nehmen" - warum ist das aus Ihrer Sicht gut eingesetztes Steuergeld?



Dostal: Alle wissen mittlerweile Bescheid, dass die sogenannten Nachrücker-Ärzte, dies gilt nebenbei bemerkt auch für den Zahnärzte- und die sonstigen Facharztgruppen, fast ausschließlich als Angestellte in einem ärztlichen Team arbeiten wollen. Der „Einzelkämpfer“ in einer Ein-Personen-Praxis hat aus Sicht dieser Generation insoweit größtenteils ausgedient. Also: Der Lösungsansatz muss immer die Schaffung eines solchen Lösungsangebots beinhalten. Nur einen Praxisnachfolger zu suchen, scheitert zwangsweise in den meisten Fällen. Solche Anstellungsmöglichkeiten sind vorderhand sicherlich zuerst einmal im privatwirtschaftlichen Bereich auszuloten. Wenn jedoch vor Ort der Markt versagt und es zu keinem privatwirtschaftlichen Angebot in ausreichendem Maße kommt, muss die vom Ärztemangel „bedrohte“ Kommune selbst tätig werden. 

KOMMUNAL: Nicht überall sieht man das in den Kommunen aber so positiv - vom "gegenseitigen Ausspielen der Kommunen" ist die Rede, davon, dass man in einen Wettbewerb um die Ärzte und die besten Verträge einsteigt, statt auf Wettbewerb zu setzen. Wo sind die Hindernisse und Fallstricke solcher Modelle aus Ihrer Sicht? 

Dostal: Da sich die Kommunen im Wettbewerb auch um die ärztlichen Ressourcen befinden, können solche Hindernisse anderenorts, bei Nachbargemeinden gleichzeitig enorme Vorteile zur Realisierung eines eigenen Versorgungskonzepts zur Folge haben. Also Hindernisse, sind nicht per se negativ, sondern nur in den Kommunen, in denen sie zum Vorschein kommen.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Es gibt überall auch privatwirtschaftliche Ansätze zum Schaffen von weiteren Anstellungen von Nachrücker-Ärzten. Insgesamt hat hier der Gesetzgeber schon vor vielen Jahren die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen, um solche Praxis-Expansionen in der Fläche zu ermöglichen. Zum weiteren sollte festgehalten werden, dass seit Ende 2015 Kommunen als Betreiber von Medizinischen Versorgungszentren tätig werden dürfen. Diese, nennen wir es durchaus „Erlaubnis“, ist seinerzeit nicht mit einem gleichzeitigen „Geldsegen“ ausgestattet worden. Dies hat den einfachen Grund darin, dass solche Einrichtungen regelmäßig – wie privatwirtschaftliche Gemeinschaftspraxen auch, bereits kurze Zeit nach ihrer Gründung – Überschüsse erwirtschaften. Durch die bereits erwähnten Förderungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen, der Bundesländer und mittlerweile auch zahlreichen Landkreise, kann zudem manche Anschubfinanzierung gezielt abgerufen werden. 

KOMMUNAL: Herzlichen Dank für das Gespräch 

Schwarzer Peter

Das Schwarze-Peter-Spiel um die Hausärzte

Drei oder vier Stipendien für einen Landkreis, um den Ärztemangel auf dem Land zu beheben – das ist geradezu läppisch, meint unser Gastautor Adrian Dostal. Er beschreibt, was Kommunen tun können, um den Hausärztemangel in den Griff zu bekommen.
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