Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup
Frank Mentrup sagt: “Ich habe realistischere Vorstellungen von der bunten Lebenswirklichkeit in einer Stadtgesellschaft bekommen.”
© Fionn Grosse

Bürgermeister-Porträt

Ein Arzt und Therapeut als Oberbürgermeister

Frank Mentrup kann in der Karlsruher Kommunalpolitik einen reichen Erfahrungsschatz – einsetzen - auch aus der Psychiatrie. Unser Bürgermeister des Monats!

Hauptberuflich kommt er aus der Psychiatrie: Der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup arbeitete viele Jahre lang als Mediziner überwiegend in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Und auch wenn er dort nie seinen Facharzt machte: 18 Jahre in der Realität eines Krankenhauses haben Mentrup geprägt. „Ich glaube, dass diese Erfahrungen der politischen Tätigkeit in einer Kommune ganz gut zupasskommen”, sagt Mentrup. In der Klinik habe er ganz viele Lebenssituationen, ganz viele Krisensituationen und ganz viele Lebensumstände von Familien kennengelernt, die er sonst nie so im Detail erlebt hätte, zudem intensive Teamarbeit über Berufssparten hinweg. “Ich habe dadurch realistischere Vorstellungen von der bunten Lebenswirklichkeit in einer Stadtgesellschaft bekommen”, sagt Mentrup.

Erfahrungen als Therapeut hilfreich in Kommunalpolitik

 

Das gelte etwa für das Thema Gewalt in der Familie oder für prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse. „Sie lernen Kinder kennen, die in dritter Generatition von Transferleistungen durch den Sozialstaat leben”, sagt Mentrup. “Sie erleben ganz viele Kinder, die Diskriminierungserfahrungen machen etwa aufgrund ihrer Hautfarbe.” Das seien Erfahrungen, die auch einem Mediziner nahe gingen, zumal man gerade in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sehr eng mit den Familien zusammenarbeite. “Das ist ein Erfahrungsschatz, der mir in der Politik sehr zugute kommt”, sagt Mentrup. Dazu komme, dass ein Arzt und Therapeut auch lernen müsse, mit der eigenen Aggressivität, aber auch der Aggression der anderen umzugehen, ohne den Gesprächsfaden abreißen zu lassen. “Das ist manchmal in der Politik auch ganz hilfreich. Etwa bei Bürgersprechstunden. Ab und an sehe ich da, dass neben dem konkreten Anliegen eines Bürgers auch eine psychische Not oder Notlage im Hintergrund vorhanden sein könnte”, sagt Mentrup. „Das hilft dann, im Gespräch zu bleiben und nicht in einer Abwehrhaltung gleich zu sagen: Also, wenn Sie mir jetzt so kommen, dann rede ich nicht mehr mit Ihnen.”

Karlsruher Modell - Stadt des ÖPNV

Bundesweit bekannt ist Karlsruhe nicht nur als Sitz des Bundesverfassungsgerichts, sondern auch als Stadt des öffentlichen Nahverkehrs. 1992 entstand dort das “Karlsruher Modell”: Straßenbahnen übernahmen die Bedienung regionaler Eisenbahnstrecken, auch stillgelegte Strecken wurden wiederöffnet und mit den Stadtbahnen direkt mit der Innenstadt verknüpft. “Dieses Karlsruher Modell ist recht kostspielig, aber ein Vorbild für viele andere Städte in Europa”, sagt Mentrup. Zu einer Zeit, in der sich die Bahn eher aus der Fläche zurückgezogen habe, sei ein eigentlich sehr in die Zukunft gerichtetes Projekt entstanden. “Wir haben heute einen Verkehrsverbund, der mit den höchsten Schienenanteil in Deutschland hat, und im Blick auf den Klimaschutz damit eine der besten Infrastrukturen vorhält.”

Energiesparen: Statt Eislaufbahn Rollschuhbahn geplant



Doch Straßenbahnen verbrauchen Strom: Auch Karlsruhe wird von der aktuellen Energiedebatte bewegt. Als sich im September 4.000 Delegierte aus aller Welt zur Vollversammlung des Weltkirchenrats in der Stadt trafen, war die Innenstadt hell erleuchtet. Am Schloss fand jeden Abend eine Multimedia-Show statt, bei den Schlosslichtspielen. Wie das zum Einsparen von Energie passt? “Die Medienkunst sehen wir als kulturellen Beitrag”, sagt Mentrup. “Da geschieht vieles mit Hilfe von LEDs und ist nicht so energieaufwendig, wie es von außen aussieht.” Seit Mitte August setzt die Stadt aber die Einsparempfehlungen des Deutschen Städtetags um: Im Rathaus wird die Temperatur reduziert, die Beleuchtung findet nur noch auf einem Mindestmaß statt. Und während in früheren Jahren vor dem Schloss im Winter eine Eislaufbahn aufgestellt wurde, ist dort in diesem Jahr eine Rollschuhbahn geplant. Denn die wird deutlich weniger Energie verbrauchen.

Rettungsschirm für Stadtwerke gefordert

„Was wir aber dringend brauchen, ist ein bundesweiter Rettungsschirm für Stadtwerke”, sagt Mentrup. „Denn die hohen Kosten sorgen dafür, dass die Stadtwerke bundesweit in eine Schieflage geraten.” Das sei ein Problem: Denn die Stadtwerke kümmern sich ja nicht nur um die Energieversorgung der Städte und Gemeinden. Sie erfüllen noch viele andere Aufgaben. „Und wenn die mal wegbrechen, dann bricht auch den Städten ein großes Maß an Gestaltung und den Bürgern ein großes Maß an Sicherheit weg”, warnt der Karlsruher Oberbürgermeister. Insgesamt müsse die Politik in den nächsten Jahren wohl eher eine Diskussion darü

ber führen, aus welchen Projekten sich die öffentliche Hand vielleicht auch zurückziehen könne. “Mit unseren Bädern, mit unseren Kultureinrichtungen, mit unserer Messe- und Kongressgesellschaft, mit unserem öffentlichen Personennahverkehr, dem Klinikum und etwa auch mit unserem Zoo finanzieren wir mit kommunalen Mitteln Infrastruktur in einer Dimension, die nicht nur den 300.000 Einwohnern Karlsruhes, sondern einem großen regionalen Umfeld zugutekommt.” Darüber müsse dringend mit dem Bund und dem Land gesprochen werden: „Wenn diese Infrastruktur in dieser Qualität erhalten werden soll, muss sie stärker von den finanziellen Mitteln, die wir als Stadt haben, unabhängig werden.”

Als Oberbürgermeister Vorbild im Umgang mit Vielfalt

Was Frank Mentrup in die Politik gebracht hat?  “Die Lust, Verantwortung zu übernehmen”, sagt der Bürgermeister. Schon zu Schülerzeiten sei er Klassensprecher gewesen. Später habe er sich in politischen Jugendorganisationen engagiert. „Medizin und Politik sind immer parallel bei mir gegangen und ich musste mich dann irgendwann mal für das eine oder das andere Hauptamt entscheiden”, sagt Mentrup. Es wurde die Politik. Zunächst war er Stadtrat in Mannheim, später saß er für die SPD im Stuttgarter Landtag. Dann die Wahl zum Oberbürgermeister. „Das größte Ziel als Oberbürgermeister ist immer, die Stadtgesellschaft zusammenzuhalten und auch kulturelles Vorbild im Umgang mit Vielfalt zu sein”, sagt Mentrup. “Ich finde es total spannend, im Grunde mit allen Bereichen der Stadt etwas zu tun zu haben und nie zu wissen, wenn man morgens ins Büro kommt, welches Problem dann wieder auf den Tisch flattert.” Zum Beispiel, wenn es um den Neubau eines Fußballstadions geht.

Ringen um Fußballstadion

Die Stadt stand vor der Frage, ob man ein neues Stadion irgendwo an den Stadtrand baut oder das liebgewonnene Wildpark-Stadion saniert. “Da habe ich in einem relativ aufwendigen Prozess mit ganz viel Bürgerschaftsbeteiligung am Ende das Ergebnis erzielt, dass wir jetzt einen an derselben Stelle des Altbaus machen, während des laufenden Spielbetriebs”, sagt Mentrup. Wobei sich hinter “ganz viel Bürgerschaftsbeteiligung” auch recht radikale Fußballfans befanden. “Eine Kultur, die mir teilweise fremd ist”, sagt Mentrup. “Aber insgesamt akzeptiere ich es, dass ein solcher Fußballverein und ein solches Fußballstadion für die Region extrem identitätsstiftend sind - und auch gute Drehscheibe, um gesellschaftliche Gruppen und Interessen an einer Stelle bündeln und in eine Diskussion bringen zu können.“

Zitat Oberbürgermeister Frank Mentrup Karlsruhe

 

Was Mentrup jemandem rät, der sich zum ersten Mal um ein Bürgermeisteramt bewirbt? “Auf alle Fälle schon vorab kommunalpolitische Erfahrung sammeln, indem er oder sie im Gemeinderat oder einer vergleichbaren Institution schon mal aktiv ist”, sagt Mentrup. “Ich würde auch raten, es nur machen zu wollen, wenn man neugierig auf Menschen ist und eine gewisse Bereitschaft mitbringt, sich auch sehr flexibel auf manchmal erst mal ziemlich aussichtslos wirkende Aufgaben einzulassen.” Denn in der Kommunalpolitik schade schließlich nichts mehr, als der Verzicht darauf, Entscheidungen zu treffen. “Auch Entscheidungen, die sich im Nachhinein als falsch erweisen, sind immer noch besser, als keine Entscheidungen zu treffen”, sagt Mentrup. “Und wenn man mit einem solchen Naturell und einer solchen Offenheit gut umgehen kann und ein bisschen neugierig auf Menschen ist, kann man mit so einer Tätigkeit sehr glücklich werden.