Dorf
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Zukunft des ländlichen Raumes

„Nicht über Probleme reden, sondern Lösungen anbieten“

Der ländliche Raum kann nur gemeinsam seine Probleme effektiv lösen – Davon ist Tim Hartmann überzeugt. Deshalb betreibt er den Blog DorfstattStadt auf dem er Lösungen anbieten und eine Plattform für alle Gestalter in den Dörfern bieten möchte. Im Interview erzählt er uns von seinen bisherigen Erfolgen und warum er die #Dorfkind-Kampagne des BMEL daneben findet.

KOMMUNAL: Deine Gegenkampagne zur #Dorfkind-Kampagne des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat für viel Aufsehen gesorgt. Was war deine Motivation? 

Tim Hartmann: Ich habe mich über die Kampagne des Ministeriums sehr geärgert, weil sie unehrlich war. Aus meiner Sicht muss das Bundeslandwirtschaftsministeriums für die ländlichen Räume da sein und sie unterstützen. Stattdessen tun sie mit der Kampagne so, als wäre auf dem Land ohnehin alles schön und ziehen sich so aus der Affäre. Die Fotos der Kampagne sind offensichtlich gekauft und die Aussagen gehen auch an der Realität vorbei. Sie hätten den Leuten auf dem Land eine Plattform geben müssen. Den Leuten, die auf dem Land etwas bewegen und die auch andere Menschen dazu inspirieren sich zu engagieren. Sie haben das Potential, das die Kampagne hätte haben können, nicht genutzt. Das wollte ich mit meiner Gegenkampagne deutlich machen. 

Du bist jemand, der sich auf dem Land engagiert. Du gibst dem Land durch deinen Blog eine Plattform. Was ist die Idee dahinter? 

Ich selbst liebe das Leben auf dem Land. Umfragen zeigen, dass eigentlich eine große Mehrheit der Deutschen auf dem Land leben möchte. Aber verschiedenste Probleme führen dazu, dass sie doch in die Stadt ziehen. Ich will dafür sorgen, dass es den Menschen, die hier leben, gut geht. Dass niemand aus der Not in die Stadt gehen muss. Auf meinem Blog soll es aber nicht einfach darum gehen, Probleme anzusprechen, sondern Lösungen anzubieten. Die Probleme kennen wir alle, aber wir brauchen frische, neue Ideen, um sie anzugehen.  

Und diese Ideen sammelst du auf deinem Blog DorfstattStadt? 

Ja genau. Ich will eine Vernetzung zwischen allen ländlichen Kommunen und Gegenden schaffen. Denn im Moment scheint jeder Ort das Gefühl zu haben, dass er vor völlig individuellen, unüberwindbaren Problemen steht. Und oft ist ihnen gar nicht klar, dass 100 Kilometer entfernt ein Ort grade an genau dem gleichen Problem sitzt oder sogar schon eine Lösung gefunden hat, die man nutzen könnte. Ich überlege über den Blog hinaus ein Internetforum zu schaffen, auf dem sich Ehrenamtler, Vereine und alle Aktiven auf dem Land vernetzen können. Denn in den meisten Kommunen sind die Leute, die etwas verändern ja doch wenige und auch immer wieder die gleichen. Sich mit Aktiven aus anderen Gegenden vernetzen zu können, würde ihnen sicherlich weiterhelfen.  

Hast du da ein Beispiel? 

Na ja, ich beschäftige mich mit den unterschiedlichsten Bereichen des Dorflebens. Da ist zum Beispiel das Problem, dass viele Freiwillige Feuerwehren keinen Zulauf mehr in ihren Jugendfeuerwehren haben. Also habe ich mir die Jugendwehren verschiedener Orte angesehen und mich mit den Jugendwarten ausgetauscht. Manche haben ganz innovative Ideen, was sie alles mit den Jugendlichen machen können und überlegen sich ganz neue Veranstaltungsformate. In anderen Orten läuft alles nach Schema F und es geht seit Jahren und Jahrzehnten auf die gleichen Ausflüge. Da kannst du dir wahrscheinlich vorstellen, wo die Jugendlichen fehlen und wo nicht. Man muss diese Jugendwarte zusammenbringen, damit sie sich austauschen und gute Ideen voneinander übernehmen können.  

Was für Themen gibt es denn sonst noch auf deinem Blog? 

Das kann alles sein, solange es das Leben auf dem Land betrifft. Ich habe zum Beispiel einen #Dorfkinddienstag, wo ich die Leser auffordere Bilder zu einem bestimmten Thema zu teilen. Zum Beispiel könnte das Thema Feldwege sein und dazu bekomme ich dann verschiedenste Einsendungen. Oft zeigen die Bilder sogar Lösungen für typische Probleme mit den Themen. Dann können die anderen sehen: „Ach, so machen die das! Das sollten wir bei uns auch ausprobieren.“ 

Wie kam es denn dazu, dass du mit DorfstattStadt angefangen hast? 

Das hat eigentlich alles damit angefangen, dass ich aus beruflichen Gründen nach Hamburg umziehen wollte. Ich war 23 Jahre alt und hatte bis dahin immer in Mittelrode gelebt. Den Blog hatte ich eigentlich hochgezogen, um meine Erfahrungen als Dorfkind in der Großstadt festzuhalten. Aber schon in der Vorbereitung auf den Umzug habe ich gemerkt, dass ich nicht in die Stadt will, dass ich nicht weg will. Ich habe meinen Arbeitsvertrag aufgekündigt, mein WG-Zimmer wieder abgegeben und bin zurück nach Mitterode. Viele Leute um mich rum haben den Schritt nicht verstanden. Haben nicht verstanden, dass ich nicht in die Großstadt will. Und da habe ich mir gedacht, ich zeige ihnen einfach über meinen Blog, warum ich mich für das Dorf entschieden habe.