Corona-Rettungsschirm-Kommunen
Die prekäre Situation der Kommunen beschäftigt auch den Bundestag.
© 123rf

Corona-Krise

Rettungsschirm für Kommunen-so denken Politiker im Bundestag darüber

Die Kommunen befürchten durch die Corona-Krise Einbußen in zweistelliger Milliardenhöhe. Der Ruf nach einem Rettungsschirm wird immer lauter. Doch die Politik bleibt zögerlich. Die Politiker im Bundestag argumentieren unterschiedlich.

Die Kommunen warten in der Corona-Krise dringend auf einen finanziellen Rettungsschirm von Bund und Ländern. Die kommunalen Spitzenverbände wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag,  mahnen ihn dringend an. Doch die Politiker ringen noch um eine Entscheidung. KOMMUNAL fasst den Stand der aktuellen Debatte im Bundestag zusammen.

CDU/CSU: Mai-Steuerschätzung abwarten vor Hilfe für Kommunen

Der kommunalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Haase, warnt in der Debatte um einen Rettungsschirm in der Corona-Krise für Kommunen vor Aktionismus.

"Wir sollten in Krisenzeiten nicht  unseren dramatischen Instinkten folgen", plädierte er in der jüngsten Sitzung des Bundestags für eine "sorgfältige Abwägung von Optionen und Risiken". Haase schlägt vor, erst dann seriöse Entscheidungen zu treffen, wenn die Steuerschätzung im Mai vorliegt.

Allerdings steht auch für ihn fest: "Die Kommunen brauchen Unterstützung durch Bund und Länder." An die Länder, die grundsätzlich für deren Finanzausstattung zuständig sind,  appellierte der CDU-Politiker: "Lassen Sie ihre Kommunen jetzt nicht im Regen stehen. Sie sind es, die das öffentliche Leben aufrechterhalten."

SPD fordert sofortigen Rettungsschirm

Die SPD-Abgeordnete Elisabeth Kaiser wirbt vehement für mehr Unterstützung.  "Die Kommunen brauchen jetzt einen Rettungsschirm", verlangt sie. Notwendig sei endlich eine Lösung für das Altschuldenproblem aufgrund von Kassenkrediten. Ihre Fraktion schlägt auch vor, Fördermaßnahmen in Kommunen zu entfristen und Nachweispflichten zu vereinfachen. Kommunen müssten ausserdem bei den zusätzlichen Sozialkosten entlastet werden. "Die Menschen erwarten, dass Bürgermeister jetzt alles tun", führt Kaiser an.  Sie müssten darin unterstützt werden. Und sie spart nicht mit Lob: "Als erste Ansprechpartner sind sie die Krisenmanager vor Ort, die Erhebliches leisten."

Grüne warnen: Nicht länger warten

Zum schnellen Handeln rät Stefan Schmidt von Bündnis 90/Die Grünen. "Schon im Mai werden die Kommunen vor leeren Kassen stehen", unterstreicht er. "Länger warten, geht da also nicht." Auch er schlägt vor: Der Bund soll den Kommunen die zusätzlichen Sozialkosten abnehmen. Über einen Verteilschlüssel, nicht über die Gießkanne, wie er betont. "Es ist Zeit, dass Bund und Länder zusammen entschlossen reagieren", unterstreicht Schmidt. Denn: "Einnahmen brechen ein, Ausgaben steigen, Fixkosten bleiben."  Kommunale Unternehmen müssten unbeschränkt Zugang zu Liquititätshilfen bekommen. Auch Schmidt pocht auf eine Lösung bei den kommunalen Altschulden der Kommunen.

AfD: Bund muss Altschulden-Lösung umsetzen

Der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk kritisiert ebenso, dass die Verhandlungen über die Altschulden der Kommunen nicht vorankommen. Der Bund müsse der  Empfehlung der Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse nachkommen. Die Verschuldung der kommunalen Kernhaushalte sei um rund 35 Prozent gestiegen, zitiert Gottschalk die Kommission. Die Kassenkredite hätten sich zwischen 1997 bis 2014 verzehnfacht.

FDP: Bund tut bereits, was er kann

"Der Bundeshaushalt ist kein Goldesel", kontert die FDP-Abgeordnete Ulla Ihnen. Mit Schulden- und Garantieübernahmen im Nachtragshaushalt tue der Bund, was er kann. Er habe bereits beträchtliche Hilfen für die Kommunen beschlossen. "Oberste Priorität haben jetzt Gesundheits- und Freiheitsrechte und der Schutz der Wirtschaft", sagt sie. "Später können wir darüber reden, welchen Anteil Bund, Länder und Kommunen leisten."

Keine Zustimmung zum Linke-Antrag für Rettungsschirm

Der Bundestag debattierte auf Antrag der oppositionellen Linken über einen Rettungsschirm für Kommunen. Ihr Antrag wurde in den federführenden Haushaltsausschuss verwiesen. Die Linke will, dass die Bundesregierung  aufgefordert wird, die Verhandlungen über einen Altschuldenfonds abzuschließen. Ziel müsse es sein, dass der Bund die  Zins- und Tilgungsverpflichtungen überschuldeter Kommunen übernimmt.

Außerdem spricht sich die Fraktion unter anderem für einen Solidarpakt III für strukturschwache Kommunen aus. Der Linke-Abgeordnete Stefan Liebich, Mitglied im Finanzausschuss, mahnt in der Debatte: "Wenn wir eine Katastrophe verhindern wollen, müssen wir sofort handeln." Er sieht den Bund in der Pflicht und verweist auf Dänemark. Dort sicherte die Regierung den Kommunen in der Corona-Krise längst konkrete Hilfen zu.

Stefan Liebich: Einkommenssteueranteile neu berechnen

Der Linke stellt außerdem die Höchstbeträge bei der Verteilung der Einkommenssteueranteile an Gemeinden in Frage. Liebich sagte KOMMUNAL: "Es bleibt fraglich, ob der Höchstbetrag ein geeignetes Mittel ist, um für eine wirklich gerechtere Verteilung des Gemeindeanteils an der Einkommenssteuer zu sorgen."  Denn nach wie vor seien die Einkommenssteueranteile an den gesamten kommunalen Einnahmen in den ostdeutschen Bundesländern im Vergleich zum Westen deutlich niedriger. Steuerkraftunterschiede zwischen einzelnen Kommunen eines Landes würden nur unzureichend angeglichen.

Unterschiede zwischen finanzstarken und schwachen Kommunen

Durch die Festsetzung von Höchstbeträge haben sich laut einer Modellrechnung des Bundesamt für Statistik von 2015 die Unterschiede zwischen finanzschwachen und finanzstarken Kommunen im Schnitt um lediglich 90 Euro je Einwohner verringert, wie aus der aktuellen Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine kleine Anfrage von Linken-Abgeordneten hervorgeht. Sie liegt KOMMUNAL exklusiv vor.

Der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer ist durch das Gemeindefinanzreformgesetzt festgelegt. Rechtsverordnungen des Länder regeln den Verteilerschlüssel zwischen den Gemeinden eines Landes. Der Höchstbetrag war eingeführt worden, um Steuerkraftunterschiede zwischen Gemeinden gleicher Größe zu verringern. Er beträgt derzeit 35.000 Euro für Alleinstehende und 70.000 Euro für zusammen veranlagte Ehepartner. 

Der Bund prüft üblicherweise alle drei Jahre gemeinsam mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden, ob der jeweilige Gemeinde-Anteil an der Einkommenssteuer eines Landes geändert wird, indem die Höchstbeträge angepasst werden.

Höchstbeträge neu anpassen?

Die nächste Abstimmung dazu finde in diesem Jahr statt, kündigte der Bund jetzt in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage  an. Das Statistische Bundesamt werde die nächste Modellrechnung im Laufe dieses Jahres erstellen. Stefan Liebich kritisiert, dass über die Auswirkungen der Höchstbeträge auf Steuerkraftunterschiede für die Jahre 2016 bis 2019 keine Daten vorliegen.

Spanne zwischen Kommunen in West und Ost groß

Laut Bundesfinanzministerium ist die Spanne immer noch groß: So lag der Einkommenssteueranteil an den bereinigten Einnahmen in Bayern zum 31. Dezember 2019 bei 19,2 Prozent, beim Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern hingegen lediglich bei 9,8 Prozent. Auf Platz 2 liegt Hessen mit 17 Prozent, gefolgt von Baden-Württemberg mit 16,4 Prozent.

Die Ergebnisse für die anderen Flächenländer: Rheinland-Pfalz 16 Prozent, Saarland 15,2 Prozent, Schleswig-Holstein und Niedersachsen jeweils 14,5 Prozent, Nordrhein-Westfalen 13,4 Prozent, Sachsen-Anhalt 10,6 Prozent, Brandenburg, 11,3 Prozent, Thüringen 11,1 Prozent, Sachsen 10,3 Prozent. Bundesweit liegt der Einkommenssteueranteil bei durchschnittlich 15 Prozent.