der Landkreis Böblingen will mit Schnelltests die Zahl der corona-Infektionen drastisch senken
der Landkreis Böblingen will mit Schnelltests die Zahl der corona-Infektionen drastisch senken
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Landkreis legte Blaupause vor

Schnelltests: Böblinger Modell macht Schule - Landkreis legt Zahlen vor

Kostenlose Corona-Schnelltests für alle - und das mit einem einmaligen Konzept. Der Landkreis Böblingen hat in der vergangenen Woche deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt, nachdem KOMMUNAL das Modell vorgestellt hatte. Jetzt wollen weitere Regionen folgen - der Landkreis selbst kann erste Erfolgszahlen vermelden.

3100 Schnelltests in der ersten Woche - das ist die erste Zahl, die Böblingen Landrat Roland Bernhard in diesen Tagen stolz verkünden kann. Der Landrat hatte in der vergangenen Woche auf Kosten des Kreises fünf Testzentren in seinem Kreis einrichten lassen. Dort können sich alle Bürger die möchten, seither zwei mal in der Woche kostenlose Schnelltests durchführen. Damit es keine Schlangen gibt, kann sich jeder einen Termin vorher über eine App organisieren. Bis zu 100 Schnelltests pro Stunde seien möglich, hatte Landrat Bernhard stolz zum Start gesagt. Nach nur fünf Tagen waren nun 3100 Menschen in einem der Zentren. 123 Testungen seien positiv ausgefallen. Da bekannt ist, dass Schnelltests nie eine absolute Sicherheit bieten, wurden diese Personen umgehend einem "normalen", sprich einem PCR-Test unterzogen. "Das sind 123 Infektionsketten, die unterbrochen wurden", freut sich der Landrat über den Erfolg.

Schnelltests zeigen beim Inzidenzwert offenbar Wirkung 

Genau das war die große Hoffnung der Organisatoren der Aktion - mehrere Ärzte und Apotheker im Landkreis hatten dem Landrat die Aktion vorgeschlagen. Denn nur wenn Infektionsketten unterbrochen werden können, kann auch die Inzidenz sinken, so die Überlegung. Das Problem: Meist wird erst getestet, wenn ein konkreter Verdacht vorliegt. Das sollte mit den Schnelltests geändert werden. Nach dem Motto: Wer einen Geschäftstermin hat, kann zur Sicherheit vorher noch schnell in einem der fünf Zentren für einen Schnelltest vorbeikommen um sicherzugehen. In der Tat sinkt der Inzidenzwert in Böblingen stetig - trotz der neu aufgetretenen Fälle durch die zusätzlichen Testungen kontinuierlich. Aktuell liegt der Wert bei 40. 

Organisatorisch waren die Schnelltests kein Problem 

Im Schnitt vier Minuten Wartezeit mussten die Interessenten einrechnen, zeigen die ersten Auswertungen aus der ersten Woche in Böblingen. Die Kosten sind übrigens überschaubar - maximal 250.000 Euro wird die Aktion kosten, vermutet man im Kreishaus. Durchgeführt werden die Tests von Apothekern im Landkreis mit Unterstützung vom DRK. 

Wegen des Erfolgs haben sich nun weitere Regionen entschieden, ähnliche Aktionen nach dem Vorbild des "Böblinger Modells" zu starten. Seit gestern können sich auch in Halle in Sachsen-Anhalt alle Bürger testen lassen. Anders als im ländlich geprägten Kreis Böblingen gibt es in der Stadt mit seinen 230.000 Einwohnern aber nur ein einziges Schnelltestzentrum. 

Kommen Schnelltests deutschlandweit? Stottert-Start befürchtet...

Und auch deutschlandweit läuft die Diskussion um Corona-Schnelltests inzwischen quer durch alle Parteien. Bundesgesundheitsminister Spahn hatte angekündigt, Schnelltests in ganz Deutschland möglich zu machen. Ab März soll es soweit sein. Experten warnen aber bereits vor zu großen Hoffnungen. Sie sprechen von einem zu erwartenden Stotter-Start. Viele Bundesländer sind bisher nicht vorbereitet, sie hatten mit einer Schnelltest-Offensive frühestens ab April gerechnet. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund geht davon aus, dass nicht genügend Schnelltests vorhanden sein werden. Die Beschaffung und Verteilung an Millionen von Menschen sei eine Mammutaufgabe, so ihr Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Er plädiert für einen Stufenplan. An erster Stelle sollten Kitas und Schulen stehen. 

Die Bundesvorsitzende des Verbandes der Ärzte, Teichert hält nicht viel von den Schnelltest-Offensive, wie sie jetzt starten soll. Das reiche nicht aus, es brauche auch klare Regeln und eine Strategie. 

Schnelltests ja, aber dafür neues Spritzen-Debakel?  

Derweil laufen laut Bild-Zeitung schon erste Krisen-Gespräche mit Verbänden wie der Chemischen Industrie. Die große Angst: Es könnte bald zu wenig Impfspritzen geben. Auch der Verband der Medizintechnik-Hersteller spricht schon von "Problemen bei der Verteilung der Produkte durch unkoordinierte Mehrfachbestellungen auf Länderebene". Dadurch könnten Fehlproduktionen, Lieferengpässe und Verteilungsprobleme zwischen den Ländern entstehen. Der Chemieverband will deshalb schnell eine Onlineplattform aufbauen, um ein Spritzen-Debakel zu verhindern. 

Weiteres Ungemach deutet sich beim Thema Impfstoff-Zugang für Hausärzte an. Die Hausärzte sollen ja ab April ebenfalls impfen dürfen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung warnt nun, dass Impfwillige in den Praxen stehen könnten und kein Impfstoff vorhanden sei. Auch Zubehör wie Tupfer, Spritzen und Kanülen könnten knapp werden. Unklar ist auch noch, wie die Patienten überhaupt erfahren sollen, wann sie zu ihrem Hausarzt gehen können um sich impfen zu lassen.