
Bürgermeister
Schwäbischer Bürgermeister mit afrikanischen Wurzeln
Fast wäre Joy Alemazung nach Afrika zurückgekehrt, doch dann fügte es sich anders. Der gebürtige Kameruner blieb in Deutschland. Seit 2022 ist der gebürtige Kameruner Bürgermeister der 10.000 Einwohner zählenden Stadt im Ostalbkreis. Wenn er im Restaurant „Deutscher Kaiser“ in Heubach einkehrt, wird er von allen Seiten begrüßt. Dass er je in die Kommunalpolitik gehen wird, hätte Alemanzung nicht gedacht, als er nach seinem Abitur zum Studium nach Deutschland kam und als Stipendiat der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung promovierte.
„Ich wollte wieder zurück nach Afrika“, sagt Alemazung. In seiner Magisterarbeit schrieb er über Demokratisierungsprozesse in Afrika, in seiner Doktorarbeit beschäftigte sich der in Erlangen und Kiel ausgebildete Sozial- und Politikwissenschaftler mit afrikanischer Staatenbildung und Transformation – doch alle Stellen, die in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika zu vergeben waren, wurden nur an deutsche Staatsbürger vergeben. „Ich war damals noch einmal in Kamerun, und berichtete am Goethe-Institut vom Studium in Deutschland“, sagt Alemazung.
Bürgermeister mit afrikanischen Wurzeln
„Die Dozentin schaute mich ungläubig an, als ich sagte, ich wolle zurück nach Kamerun.“ Aber alles Suchen blieb vergebens: Ein Lehrauftrag an der Hochschule Bremen sorgte schließlich dafür, dass sich Alemazung doch nach Deutschland orientierte. Es folgten Stellen bei „Engagement Global“ in Stuttgart, wo er in Kommunen für entwicklungsbezogene Bildung und Kommunalentwicklungspolitik in den Bundesländern warb, und im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Berlin.
Großes ehrenamtliches Engagement
Was ihn in die deutsche Kommunalpolitik brachte? Für seine Antwort benutzt der Bürgermeister ein Zitat des indischen Philosophen Rabindranath Tagore: „Wenn wir Bäume pflanzen, obwohl wir wissen, dass wir nie in ihrem Schatten sitzen können, dann haben wir den Sinn des Lebens verstanden.“ Alemazung war es immer wichtig, sich ehrenamtlich zu engagieren: An der Universität half er Kommilitonen beim Umgang mit dem Ausländeramt. In Bremen war er Jugendtrainer beim SV Werder Bremen. An den Schulen seiner drei Kinder war er stets als Elternvertreter aktiv, wurde sogar in den städtischen Elternrat gewählt. Alemazung engagierte sich immer und überall.
Für Dezernentenstelle "überqualifiziert"
Doch beruflich lief nicht alles, wie es sollte: Für die Stelle im Bundesministerium pendelte er nach Berlin. Mit seiner Familie aber lebte er in Schwäbisch Gmünd. Auf Dauer war das zu viel. „Ich hatte bei Engagement Global die kommunale Ebene kennen und schätzen gelernt – und bewarb mich bewusst um Stellen in Kommunalverwaltungen“, sagt Alemazung. Doch auch das scheiterte: Als er sich um eine Dezernentenstelle bewarb, wurde er als „überqualifiziert“ bezeichnet. In Schwaben verstand man nicht, warum der erfolgreiche, promovierte Ministerialreferent aus Berlin plötzlich auf die kommunale Ebene wollte.
Da wurde in Heubach ein Bürgermeister gesucht. Alemazung ließ sich von den örtlichen Christdemokraten aufstellen – und wurde gewählt. „Es gab in dieser Partei keinen anderen Kandidaten“, sagt der Bürgermeister. Sein freundlicher Umgang mit Menschen, seine Mitmenschlichkeit beeindruckten im Wahlkampf. Und sein großes Engagement. „Für mich heißt es jetzt: Heubach zuerst!“, sagt Alemazung. Was nicht so schwer ist, denn Heubach geht es eigentlich recht gut: Rund um den Marktplatz mit seinen Fachwerkhäusern gibt es keinen Leerstand. Gleich in seinem ersten Jahr als Bürgermeister wurde das Glasfasernetz in Heubach ausgebaut, und um Kinder und Jugendliche stärker am Leben in der Stadt zu beteilige, startete Alemazung ein Jugendparlament. „Die Menschen hier haben mich gut aufgenommen“, sagt der Bürgermeister. Rassismus oder Anfeindungen wegen seiner Herkunft habe er nicht erlebt.
Noch allerdings fehlt dem Bürgermeister die Nachhaltigkeit. „Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen“, sagt Alemazung. „Nicht die Wirtschaft oder die Umwelt – der Mensch steht im Mittelpunkt und muss beides kontrollieren und so steuern, dass für künftige Generationen genug Ressourcen übrig sind.“ Alemazung setzt deswegen auf den fairen Handel: Die Heubacher Realschule wurde als „Fair trade school“ zertifiziert. Die übrigen Schulen der Stadt arbeiten daran. Und Alemazung denkt über eine Strategie zur Vermeidung von Plastik nach: Schon die Grundschulkinder sollen in Heubach lernen, dass man auch mit einem Korb zum Einkaufen in den Supermarkt gehen kann. Und auch fair gehandelte Produkte sollen Einzug in die Kommune finden.
Heubach: Städtepartnerschaft in Mali
Ein großes Thema in Heubach sind dabei die berühmten schwäbischen Mittelständler. „Wir haben in unserer Stadt viele Familienunternehmen, die seit vielen Jahren hier ansässig sind“, sagt der Bürgermeister. „Da müssen wir dafür sorgen, dass Heubach für diese Betriebe attraktiv bleibt.“ Eine günstige Energieversorgung und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel stehen für Joy Alemazung deswegen ganz oben auf der Agenda. Und auch hier kommt wieder Afrika ins Spiel: Denn die Stadt Heubach hat eine Städtepartnerschaft in Mali. Und seit Juni 2022 pflegt Bürgermeister Alemazung Kontakt mit Kommunen im Senegal. Beide Seiten wollen im Bereich Fachkraftmangel, Ausbildung, Erneuerbare Energieversorgung und Abfallmanagement zusammenarbeiten.
Wir brauchen eine geordnete Zuwanderung nach Deutschland.“
Denn Joy Alemazung hat ein großes Ziel: Eine gesteuerte Zuwanderung nach Deutschland. sagt Alemazung. Denn in Heubach würden Fachkräfte gebraucht. „Aber die Menschen müssen die Sprache können, um hier eine Ausbildung zu beginnen oder einen Job zu finden.“ Als Beispiel verweist er auf einen Mann aus Kamerun, der mit dem C1-Sprachzeugnis nach Deutschland kam. Er fand ohne Probleme einen Ausbildungsplatz bei einem Pflegedienst in Heubach. „Und wir brauchen mehr solcher Leute, die in unseren Arbeitsmarkt einwandern“, sagt Alemazung. „Alle unsere Betriebe leiden unter Fachkräftemangel und suchen händeringend nach Auszubildenden.“ In den Partnerkommunen in Afrika soll deswegen gezielt auf Sprachkurse verwiesen werden. „Und ich hoffe, dass wir das künftig auch per Videokonferenz von Deutschland aus anbieten können“, sagt Joy Alemazung. „Denn auf ausländische Mitarbeiter werden wir auch in Zukunft angewiesen sein.