Ordnungsdienst
Seit knapp einem Jahr sind in der Gemeinde kommunale Mitarbeiter auch als Ordnungskräfte im Einsatz.
© Gemeinde Illingen

Schutz

Sicherheit: Gemeinde schafft Mitarbeiter-Polizei

Die Polizeiwache am Ort ist abends und nachts nicht besetzt. Die Bürger und Bürgerinnen fühlten sich nicht sicher. So entschied sich die 16.000 Einwohner-Gemeinde Illingen, Beschäftigte freiwillig zusätzlich zu ihren Jobs abends auf die Straße zu schicken. „Für die Mitarbeiter ist das ein attraktiver Nebenverdienst, außerdem haben sie eine starke Motivation, ihre Heimat zu schützen“, sagt der Bürgermeister. Und anders als bei einer Bürgerwehr werden die Ordnungskräfte weitergebildet - und die Kommune vertraut ihnen.

Wie sicher sich die Bürger in einem Ort fühlen, hängt von vielen Faktoren ab. Die Kriminalitätsstatistik ist das eine, die subjektive Wahrnehmung das andere. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die sichtbare Präsenz von Ordnungskräften, die im Zweifelsfall eingreifen und schlichten können. In Illingen, einem 16.000 Einwohner-Ort in Baden-Württemberg hat man sich dazu entschieden, mangels vorhandener Vollzugspolizei in den Abendstunden als Kommune selbst tätig zu werden. Seit Sommer 2024 sind dort kommunale Mitarbeiter auch als Ordnungskräfte im Einsatz. Die ersten Erfahrungen sind vielversprechend.

Vermüllung, Beleidigungen und Drogenmissbrauch

„Wir sind hier zwar im ländlichen Bereich, aber wir haben in den umliegenden Städten einige Gruppen, die dort mehr oder weniger verdrängt werden durch starke Kontrollen“, sagt Andreas Hübgen, der Bürgermeister von Illingen. Dabei handle es sich meist um Gruppen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit der Bahn nach Illingen fahren und die dortige Ortsmitte für ihre Treffen nutzen. Immer wieder habe es hier in der Vergangenheit Probleme gegeben, erzählt Hübgen. So wurde Alkohol- und Drogenmissbrauch beobachtet, kam es zu Beleidigungen von Passanten und hinterließen die Gruppen den Platz nicht selten vermüllt.

Fehlende Vollzugspolizei vor Ort

Angesichts der Probleme im Ortskern hätten die Beschwerden von Anwohnern in der Vergangenheit zugenommen und sich manche Bürger nicht mehr sicher gefühlt im Ort, auch wenn die objektiven Zahlen nicht angestiegen seien, sagt Hübgen. Den Jugendgruppen mit Streetworkern oder der örtlichen Jugendhilfe zu begegnen, sei dabei kaum möglich gewesen. „Das Problem war, dass es sich um sehr unstete und heterogene Gruppen von außerhalb handelt, also um Jugendliche, die nicht hier leben und die wir nur schwer erreichen können für kommunale Angebote“, so der Bürgermeister. Ein Einsatz der Polizei vor Ort wiederum sei ebenfalls nicht ausreichend möglich gewesen. Der Grund: Es gibt in Illingen zwar eine Polizeiwache, allerdings ist diese nur tagsüber besetzt, also nicht in den meist relevanten Abendstunden.

Ausbildung
Die frisch ausgebildeten Ordnungskräfte mit Bürgermeister Andreas Hübgen (Mitte)

Suche nach kommunaler Lösung

Schon längere Zeit hat es in Illingen aufgrund der angespannten Lage Diskussionen darüber gegeben, wie man für mehr Präsenz und Sicherheit im Ortskern sorgen kann. Einen externen Sicherheitsdienst zu engagieren, wurde dabei laut Hübgen von Vornherein ausgeschlossen. „Zum einen ist das für uns nicht finanzierbar“, so der Bürgermeister, „zum anderen können wir bei einem externen Dienst nicht sicher sein, wie sich die Sicherheitskräfte im praktischen Einsatz vor Ort wirklich verhalten“. So entstand schließlich der Plan, einen kommunalen Ordnungsdienst ins Leben zu rufen, für den gezielt Mitarbeiter gewonnen werden sollten, die bereits seit Längerem für die Kommune arbeiten.

Kommunale Mitarbeiter für Ordnungsdienst gesucht

Um einen kommunalen Ordnungsdienst zu etablieren, wurde ein Aufruf an die Mitarbeiter der Kommune gestartet und abgefragt, wer sich vorstellen könnte, neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit auch als Sicherheitskraft im Ort unterwegs zu sein. 20 Mitarbeiter haben sich darauf gemeldet, 12 davon wurden schließlich ausgewählt. Diese arbeiten bereits länger für die Kommune in ganz unterschiedlichen Bereichen, darunter die Verwaltung, der Bauhof oder Rechnungshof. 

Um für ihren neuen Einsatz als Ordnungsdienst gewappnet zu sein, haben die Mitarbeiter im Rahmen ihrer regulären Arbeitszeit eine 90-stündige Fortbildung durchlaufen, die aus 60 Theorie- und 30 Praxis-Stunden bestand. Im Zentrum der Ausbildung standen Themen wie Selbstschutz, Kommunikation und Konfliktmanagement, am Ende haben die Mitarbeiter eine Prüfung abgelegt. Bewaffnet werden die Mitarbeiter nicht. „Wir vertreten bei unserem kommunalen Ordnungsdienst ganz klar ein kommunikatives und schlichtendes Modell und ich möchte auf keinen Fall, dass die Mitarbeiter in Gefahrensituationen geraten“, sagt Bürgermeister Hübgen.

Fahrzeug
Mit ihrem Einsatzfahrzeug sind die Ordnungskräfte in Illingen unterwegs

Pilotprojekt läuft seit Sommer 2024

Seit Juni 2024 sind die frisch geschulten Mitarbeiter der Kommune nun regelmäßig in Illingen unterwegs. Ausgestattet mit entsprechenden Uniformen, Funkgeräten und einem Einsatzfahrzeug zeigen sie Präsenz in der Innenstadt und achten laut Hübgen darauf, dass es zu keinem schädigenden und störenden Verhalten kommt. „Wir wollen durch den Einsatz des kommunalen Ordnungsdienstes ein Signal senden und zeigen: Leute, wir sind hier und haben den öffentlichen Raum im Auge“, so der Bürgermeister.

Koordination durch Ordnungsamt

Die Planung der Einsätze und die Aufteilung der zusätzlichen Stunden läuft über die Leitung des Ordnungsamtes, wobei genau auf die jeweilige Gesamtstundenzahl und Arbeitszeitregelung der Mitarbeiter geachtet werde, wie Hübgen betont. Die zusätzlichen Stunden werden den kommunalen Ordnungskräften in Form von angeordneten Überstunden im Folgemonat ausbezahlt. 

„Für die Mitarbeiter ist das ein attraktiver Nebenverdienst, außerdem haben sie eine starke intrinsische Motivation, ihre Heimat zu schützen“, sagt der Bürgermeister. Davon profitiere auch die Kommune. „Mit der größte Vorteil des kommunalen Ordnungsdienstes ist, dass wir die Mitarbeiter gut kennen und genau wissen, wer hier für die Kommune unterwegs ist und was dieser nach außen vertritt“, sagt Hübgen. Ein weiterer Vorteil: Der Einsatz der eigenen Mitarbeiter kostet die Kommune laut Hübgen „nur etwa 20 Prozent dessen, was ein externer Sicherheitsdienst kosten würde“.

Faschingszug
Auch beim Faschingszug waren Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes vor Ort

Wieder mehr Sicherheit im Ort

Nachdem der kommunale Ordnungsdienst seit knapp einem Jahr im Einsatz ist, zieht Hübgen eine erste positive Bilanz. „Unsere Grundidee ist definitiv aufgegangen und der Respekt für den Ordnungsdienst ist da“, so der Bürgermeister. Zudem gebe es viele gute Rückmeldungen seitens der Bürger, was das Sicherheitsgefühl im Ort anbelange. Und auch die Jugendlichen selbst würden mittlerweile gut auf die kommunalen Mitarbeiter reagieren. „Sie haben gemerkt, dass wir sie nicht vertreiben wollen, sondern es uns einfach um ein gutes Miteinander geht“, sagt Hübgen.

Gleichwohl betont der Bürgermeister, dass der Ordnungsdienst nicht die Arbeit einer professionellen Vollzugspolizei leisten könne. „Das, was die Polizei an Knowhow und Sicherheit bietet, können wir nicht ersetzen“, so Hübgen und mitunter führe das bei den Bürgern zu Missverständnissen und seien die Erwartungen an den Ordnungsdienst zu hoch. Insgesamt aber habe sich die Einführung der kommunalen Truppe sehr bewährt und soll das Pilotprojekt in Illingen mittelfristig verstetigt werden.

Fotocredits: Gemeinde Illingen