Bürgermeister Steffen Grimm, Sondershausen
Steffen Grimm, Bürgermeister aus Sondershausen war früher Polizist und will die alte Residenzstadt voranbringen.
© Benjamin Lassiwe

Porträt

Sonderhausen soll Kulturstadt werden

Die Kreisstadt Sondershausen in Thüringen hat 21.000 Einwohner. Seit fünf Jahren ist Steffen Grimm Bürgermeister der Stadt. Das Ziel des ehemaligen Polizisten: Die alte Residenzstadt als Kulturstadt etablieren.

Wer in der Kreisstadt Sondershausen vom Bahnhof in die Stadt läuft, merkt es schnell: Die Stadt hat eine große Vergangenheit. Alte Villen säumen die Straße und mitten im Stadtzentrum findet sich das Residenzschloss der Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs hier regierten. Heute ist Sondershausen Kreisstadt des Kyffhäuserkreises: Und die Kreisverwaltung und das frisch modernisierte Rathaus liegen gemeinsam an einem Platz direkt vor den Toren des Schlosses.

Musik- und Bergstadt Sondershausen

“Wie nennen uns Musik- und Bergstadt”, sagt Bürgermeister Steffen Grimm. Denn in Sondershausen gibt es bis heute ein einst aus der fürstlichen Hofkapelle hervorgegangenes Symphonieorchester, das “Loh-Orchester”. Die „Theater Nordhausen / Loh-Orchester Sondershausen GmbH“ besteht aus vier Gesellschaftern: Die Stadt Nordhausen ist Hauptgesellschafter mit 60 Prozent. Die Stadt Sondershausen ist mit 20 Prozent beteiligt und die Landkreise Nordhausen und Kyffhäuserkreis mit je 10 Prozent. Doch schon die 20 Prozent sorgen für einen Haushaltsposten von 1,3 Millionen Euro im Etat der heute knapp 21.000 Einwohner zählenden Kommune. “Das ist etwas, das wir uns leisten”, sagt Grimm. „Denn einer unserer Schwerpunkte ist die Kultur.“ Im Stadtrat gebe es regelmäßig Diskussionen über den Zuschuss für das Orchester, dessen Kosten sich die Stadt - wie auch ihr Theater – mit dem benachbarten Nordhausen teilt. Bislang aber habe man den Zuschuss stets am Leben erhalten. Zumal die Stadt mit einer Musikakademie und einem Festspielprogramm auch ansonsten stark in Kultur investiert.

Bürgermeister setzt auf Kultur 

Dass Bürgermeister Grimm dabei selbst Fan eines ganz anderen Musikstils ist, wird beim Blick in sein Büro klar: Auf dem Fenstersims stehen Konzertbecher von Hardrock-Konzerten, eine stolze Kollektion nennt das Stadtoberhaupt sein Eigen. “Aber die Konzerte unseres Orchesters werden nachgefragt, auch von Besuchern außerhalb von Sondershausen”, sagt Grimm. „Und auch ich selbst gehe dort gerne hin.“ Und das ist wichtig für die Stadt, deren wichtigste Wirtschaftsbereiche ansonsten der Kali-Bergbau und der Bundeswehrstandort sind. Denn noch immer hat der Kyffhäuserkreis eine der höchsten Arbeitslosenquoten in Thüringen. Und der Kampf gegen die Verödung der Innenstadt ist aus Sicht von Grimm eine der wichtigsten Aufgaben des Bürgermeisters. Auch hier setzt das Stadtoberhaupt auf Kultur: Als die letzte Buchhandlung der Stadt schloss, wandte sich Grimm an das “Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel”. Es gelang tatsächlich, einen Buchhändler für Sondershausen zu begeistern. “Für mich war es ein unhaltbarer Zustand, keine Buchhandlung mehr in Sondershausen zu haben”, sagt Grimm. “Ich bin froh, dass wir dort jemanden gefunden haben.”

Sonderhausen

Kampf gegen Verödung der Innenstadt

Bei anderen Branchen war die Stadt bislang nicht so erfolgreich. Über 4.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche stehen derzeit in der Innenstadt leer. Der Bürgermeister schreibt Handelsketten und Fillialunternehmen an, versucht, sie für Sondershausen zu begeistern – bislang allerdings oft ohne Erfolg. “Es liegt immer im Verhältnis zwischen Kunde und Laden, Betreiber und Geschäftsinhaber”, sagt Grimm. “Wenn es kein Geschäft gibt, kann der Kunde nicht hingehen - und wenn kein Kunde kommt, können Sie kein Geschäft halten.” Ihm persönlich liege das Problem der verwaisenden Innenstadt am Herzen. “Was wir da umsetzen können und werden, bleibt aber schwierig.”

Selbst hat Grimm noch vor einigen Jahren nicht einmal im Traum daran gedacht, sich heute mit solchen Fragen zu beschäftigen. Nach einer Elektrikerlehre im Kalibergbau arbeitete er zunächst bei einer Firma, die Aufzüge wartet. 1998 ging er zur Thüringer Landespolizei, absolvierte ein verwaltungswissenschaftliches Studium. Und als sein Vorgänger in den Ruhestand gehen wollte, entschied er sich, sich in seiner Stadt kommunalpolitisch engagieren zu wollen. Als Parteiloser setzte sich Grimm gegen insgesamt sechs Mitbewerber durch. “Mir ist es wichtig, dass die Stadt vorankommt”, sagt Steffen Grimm.

Was mich im Amt überrascht hat, ist die Schwierigkeit von Prozessen in der Verwaltung.“

Steffen Grimm, Bürgermeister Sondershausen

Vom Grillfest zur Stadtrallye

Denn trotz eigenem Orchester und eigener Musikakademie lagen die Potentiale des Kulturtourismus viele Jahre brach. Grimm gründete eine Stabsstelle für Kultur, Tourismus und Wirtschaftsförderung und suchte eine geeignete Stabsstellenleiterin, die das Amt mit Ideen füllen konnte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die neue Mitarbeiterin rief zahlreiche neue Veranstaltungsreihen ins Leben, die Sondershausen auch außerhalb der Stadtgrenzen bekannt machten. So initiierte die Stadt am Tag der Deutschen Einheit erstmals ein großes Grillfest im Schlosshof und lud zum Auftakt in den Advent zum „Glühweinzauber“ ein, der die Innenstadt in einen gut besuchten und mit vielen Highlights gespickten Adventsmarkt verwandelte.

Und im kommenden Jahr soll es unter dem Namen „Sondershausen Rollt“ erstmals eine Stadtrallye geben, bei der Menschen „zwischen 2 und 90 Jahren“ durch die Innenstadt fahren können: Vom Dreirad über Fahrräder oder Rollatoren, alles, was rollt, ist erlaubt. Positives Feedback gibt es dafür in den in den sozialen Netzwerken: Denn Grimm setzt auf Internetpräsenz, um junge Leute für Sondershausen zu begeistern.

Sondershausen

Bürgermeister war Polizist

Und wie ist es dem ehemaligen Polizisten beim Wechsel in das Bürgermeisteramt ergangen? “Ich muss sagen, dass ich in meiner Meinung und bei meinen Projekten sehr frei bin”, erzählt der 52-Jährige. “Ich bin keinen parteipolitischen Zwängen oder Fraktionszwängen unterworfen – als Unabhängiger kann ich mit wechselnden Mehrheiten arbeiten.” Zwar gebe es immer wieder einmal “gewisse Machtdemonstrationen” der Stadtratsfraktionen, insgesamt aber ist Grimm mit der Unterstützung aus der Politik zufrieden. “Was mich mehr überrascht hat, ist die Schwierigkeit von bestimmten Prozessen in der Verwaltung”, sagt Grimm. “Vieles muss erst zur Kommunalaufsicht, muss geprüft werden, dann geht es zurück, wird im Ausschuss nochmal beraten, überwiesen, dann geht es in den Stadtrat und nochmal zurück in den Ausschuss.” Für Grimm, der sich selbst eher als einen Pragmatiker sieht, kosten solche Vorgänge zu viel Zeit. “Ich würde lieber manchmal sagen: So machen wir es ab morgen – aber da hat auch das Amt des Bürgermeisters seine Grenzen.”

Fotocredits: Stadt Sondershausen