Studien
Bürgerhaushalt hilft sparen
Bürgerhaushalt - wo der erste in Deutschland entstand
Es zeigt sich zudem, dass sie in größeren Gemeinden und Städten verbreitet sind. Bürgerhaushalte zählen zu den populärsten demokratischen Innovationen der letzten Zeit auf kommunaler Ebene. Der erste Bürgerhaushalt entstand übrigens 1989 im brasilianischen Millionenmetropole Porto Alegre. Ziel war damals die Bekämpfung von Korruption und die Einbindung der Bürger in politische Prozesse. In Deutschland wurde der erste Bürgerhaushalt 1998 in der 3000 Einwohner-Gemeinde Mönchweiler in Baden-Württemberg eingeführt.
Anders als damals in Brasilien liegt die Entscheidungsmacht über den kommunalen Haushalt in Deutschland bei den gewählten Repräsentanten einer Gemeinde. In den letzten Jahrzehnten haben alle Länder mehr oder weniger weitreichende rechtliche Instrumente für die direkte Beteiligung der Bürgerschaft wie Referenden und Petitionen in ihre Verfassungen aufgenommen – sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene. Diese direktdemokratischen Werkzeuge dienen jedoch hauptsächlich dazu, die Funktionsweise repräsentativer Institutionen durch die Schaffung engerer Verbindungen zwischen gewählten Politikern und der Bürgerschaft zu verbessern.
Einfluss von Bürgerhaushalten
Empirische Nachweise zum Einfluss von Bürgerhaushalten auf politische und budgetäre Entscheidungsprozesse der Städte und Gemeinden in Deutschland sind noch spärlich. Bisherige empirische Analysen deuten darauf hin, dass Bürgerhaushalte in den meisten Fällen keine oder nur sehr geringen Auswirkungen auf die tatsächliche finanzielle Lage einer Gemeinde haben. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, warum Gemeinden dennoch Bürgerhaushalte einführen.

Eine Erklärung könnte sein, dass sie dazu dienen, Legitimität für bevorstehende Sparmaßnahmen zu finden. In Deutschland haben viele finanziell angeschlagene Gemeinden Bürgerhaushalte eingeführt. Es wurde sogar eine spezielle Form namens „Sparhaushalte“ entwickelt. Eines der wesentlichen Ziele von Bürgerhaushalten in Deutschland ist die Erhöhung der Transparenz in den öffentlichen Finanzen. Sie werden als Instrument eingesetzt, um die Bürger über den lokalen Haushalt zu informieren und sie bei Haushaltsentscheidungen auf kommunaler Ebene zu beraten. Studien zeigen, dass Gemeinden mit Bürgerhaushalten gemessen an der Einwohnerzahl durchschnittlich größer sind. Zudem weisen sie eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung und größere Sozialabgaben pro Kopf im Vergleich zu den Gemeinden ohne Bürgerhaushalt auf.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Bürgerhaushalte offenbar als Werkzeug verwendet werden, um das Verständnis der Bürger für notwendige Kürzungsentscheidungen zu erhöhen und Legitimität für Sparmaßnahmen zu erreichen. Denn mit Bürgerhaushalten lässt sich die Transparenz bezüglich der Finanzsituation einer Gemeinde erhöhen, auch wenn ihr tatsächlicher Einfluss auf die Finanzlage gering ist. Mit der Zeit kann diese bessere Aufklärung über die kommunale Finanzsituation zu einer besser gebildeten Bevölkerung im Bereich der öffentlichen Finanzen führen.
Bürgerhaushalte auf kommunaler Ebene eignen sich zudem sehr gut, um demokratische Beratungen über die Verteilung begrenzter Haushaltsmittel für konkurrierende Verwendungszwecke durchzuführen. Allerdings zeigt sich auch, dass Bürgerhaushalte in Deutschland vorwiegend in größeren Gemeinden durchgeführt werden. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass es in kleineren Städten und Gemeinden für die Bürger leichter ist, direkt mit den gewählten Entscheidungsträgern in Kontakt zu treten und ihnen ihre Präferenzen zum Gemeindehaushalt zu kommunizieren. Umgekehrt ist es auch für die Repräsentanten im Stadt- oder Gemeinderat leichter, im direkten Gespräch mit den Gemeindemitgliedern die fiskalische Situation und etwaige Einsparnotwendigkeiten zu vermitteln.
Martina Eckardt leitet den Lehrstuhl für Finanzwissenschaft an der deutschsprachigen Andrássy Universität Budapest.
Janina Apostolou ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.
