Die Plauderkasse im Supermarkt hat europaweit für Schlagzeilen gesorgt - doch was können auch Kommunen tun, um der Einsamkeit  von Menschen entgegenzuwirken - Christian Erhardt auf der Suche nach erfolgreichen Beispielen!
Die Plauderkasse im Supermarkt hat europaweit für Schlagzeilen gesorgt - doch was können auch Kommunen tun, um der Einsamkeit von Menschen entgegenzuwirken - Christian Erhardt auf der Suche nach erfolgreichen Beispielen!

Leitartikel

Städte gegen Einsamkeit

Plauderkassen, wie jetzt in einem Supermarkt in den Niederlanden, sind eine geniale Idee. Deutschlands Kommunen können aber noch viel mehr im Kampf gegen Einsamkeit tun, meint Christian Erhardt.

Lange wurde nicht mehr so intensiv über das Thema Einsamkeit diskutiert, wie seit der Eröffnung der Plauderkasse in einem Supermarkt in den Niederlanden. Dort nehmen sich die Kassierer bewusst Zeit, um mit Menschen an der Kasse ins Gespräch zu kommen. Denn auch in Deutschland ist fast jeder zehnte von Einsamkeit bedroht, vor allem ältere Menschen. Und die kommen oft kaum noch aus ihrer Wohnung, der Höhepunkt des Tages ist da nicht selten der Einkauf im Supermarkt oder beim Bäcker. Vorausgesetzt es gibt diese Einrichtungen noch. Im Landkreis Bitburg-Prüm etwa ist schon der Gang zum Supermarkt für viele Ältere ein Problem. Statistisch betrachtet beträgt der Weg zum Supermarkt dort über 3,2 Kilometer. Zum Vergleich: In Offenbach sind es 320 Meter. Die Hoffnung, der Supermarkt werde die Menschen schon vor Einsamkeit bewahren, ist somit zu kurz gesprungen. 

Großes Engagement gegen Einsamkeit vor allem in ländlichen Kommunen 

Vor allem kleine Gemeinden sind im Kampf gegen Einsamkeit vorbildlich mit Projekten unterwegs. In der 1000 Seelen-Gemeinde Marienrachdorf im Westerwald etwa hat ein junger Mann einen Bauernhof der besonderen Art eingerichtet. Dort legen pflegebedürftige Menschen auf einem Hof mit Pferden, Gänsen und anderen Tieren. Pflegehof statt Pflegeheim sozusagen. Senioren kochen hier gemeinsam, geben den Tieren Futter und bieten sich gegenseitig eine Gemeinschaft.

Natürlich gibt es überall Vereine und Seniorenvereinigungen. Hier ist das Problem aber häufig, dass es sich um in sich geschlossene Gruppen handelt. Wirklich einsame Menschen werden damit oft nicht erreicht. 

Ein besonders nennenswertes Angebot für rüstige Rentner gibt es auch im münsterländischen Drensteinfurt. Dort hat sich ein Seniorennetzwerk etabliert. Einmal in der Woche gibt es sehr günstig ein gemeinsames Frühstück in öffentlichen Räumen, an einem anderen Tag trifft sich eine Kreativgruppe, oder es wird ein offenes Mittagessen speziell für Senioren angeboten. 

Besonders gut gefällt mir auch ein Angebot in Altenkirchen in Rheinland-Pfalz. Hier hat sich eine Nachbarschaftshilfe etabliert. Senioren bieten Arbeiten für andere Senioren an und bekommen dafür Punkte. Die Punkte bringen aber kein Geld, sondern sind ein Gutschein, den die Senioren in Zeit einlösen können. Ein Beispiel: Ein körperlich nicht mehr so fitter Rentner kennt sich mit Computern aus und hilft einem Nachbarn beim Einrichten des Rechners. Dafür bekommt er Zeitpunkte. Diese kann er im Netzwerk einlösen, etwa indem ein noch rüstiger Rentner ihm im Gegenzug seinen Rasen schneidet. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, vom Fahrdienst zum Supermarkt bis zum Vorlesen eines Buches. Nicht, Zeit ist Geld, sondern Zeit ist Gold (wert)! 

Einsamkeit? Von wegen! Wie sich ein Rentnerparadies in Skandinavien organisiert...

Wer erleben will, wie der Kampf gegen Einsamkeit in Kommunen professionell geführt wird, dem sei zudem ein Besuch in Aarhus in Dänemark empfohlen. So gibt es in Aarhus unter anderem eine Online-Plattform für selbst organisierte Kontakte zwischen einsamen Menschen. Die Stadt hat zudem Postkarten drucken lassen, die es in vielen Geschäften in der Stadt gibt. Darauf Sprüche wie „Wollen wir zusammen essen gehen?“. Das schaffe nicht nur Aufmerksamkeit für das Thema Einsamkeit, sondern erhöhe auch die Chance, dass ein einsamer Mensch diese Karte jemand anderem weitergibt. Zum 75. Geburtstag bekommt jeder Einwohner der Stadt einen persönlichen Brief mit einer Einladung in die Stadtverwaltung. Der persönliche Kontakt wird an allen Stellen großgeschrieben. Allen voran die Büchereien sind zum Begegnungsort umfunktioniert worden. Eigens eingestellte Sozialarbeiter unterstützen die Kontaktaufnahme von Menschen, fungieren als Brückenbauer. 

So groß und teuer müssen die Ideen in unseren kleineren Städten vor Ort gar nicht sein. Aber ein von der Stadt organisiertes Mittagessen speziell für Senioren in einem Restaurant kann ebenso Brückenbauer sein wie ein Vortrag eines örtlichen Anwalts zum Thema Erbschaftsrecht. Kommune ist, wo Menschen zusammenkommen. Je häufiger, desto besser! 

Wie seniorenfreundlich ist Ihre Stadt/Ihr Landkreis: HIER können Sie abfragen, wie Ihr Landkreis im Senioren-Ranking (Umfrage ZDF) abschneidet: https://deutschland-studie-senioren-familie.zdf.de/studie-2018/district/09162/default

die seniorenfreundlichsten Städte gegen Einsamkeit