Das Förderprogramm Soziale Stadt ermöglicht in Rendsburg die "Grüne Mitte". © BIG-Städtebau

Stadtentwicklung: Programm "Soziale Stadt"

23. Juni 2017
„Urbanes Gebiet“ – das ist das neue Schlagwort im Baurecht. Neue Baugebiete sollen mit den Fehlern der Moderne Schluss machen, deutschen Städten neues Leben einhauchen. Was in Ballungsgebieten nun das Baurecht regeln soll, ist auf dem Land schon seit dem Jahr 1999 mit dem Projekt „Soziale Stadt“ im Gang. KOMMUNAL geht der Frage nach, wie die Aufwertung strukturschwacher Ortsteile bisher gelungen ist.

Text: Tong-Jin Smith Zwei Jahre ist es her, dass die „Grüne Mitte“ in Rendsburg-Mastbrook eröffnet wurde. Die rund 1,5 ha große Grünfläche im Zentrum des Quartiers in der Gemeinde in Schleswig-Holstein bietet nun für die Bewohner eine willkommene Spiel- und Freizeitanlage. Hinter der Kita lockt neben einem Bolzplatz und verschiedenen Spielgeräten, an denen Kinder ihre Geschicklichkeit ausprobieren können, eine Pergola für Picknicks sowie eine große Wiese, die durch Bäume von den umliegenden Straßen abgeschirmt ist. Ziel war es, in diesem als benachteiligt geltenden Stadtteil ein intensives Nebeneinander von Aktivitäten zu ermöglichen und eine attraktive Begegnungsfläche für alle Bewohner zu schaffen.

Soziale Stadt ermöglichte Umgestaltung

Als bauliche Maßnahme im Rahmen des Förderprogramms Soziale Stadt hat die Kleinstadt Rendsburg 200.000 Euro investiert, weitere 260.000 Euro steuerten Bund und Land bei. Zustande gekommen waren die Pläne für die Umgestaltung dieser städtischen Grünfläche in verschiedenen Workshops mit den Bürgern – vor allem mit den Kindern im Quartier. „Die Wahrnehmung hat sich verändert“, sagt Stadtplanerin Christina Ebel von BIG Städtebau, die als treuhänderischer Sanierungsträger für die Stadt Rendsburg tätig ist. „Mastbrook war in eine soziale Schieflage geraten. Die Schulabbrecherquote war hoch, die Migrantenquote auch. Wer hier lebte, wollte im Grunde nur noch weg.“ Daher habe die Stadt vor über zehn Jahren die BIG Städtebau damit beauftragt, hier aktiv zu werden. Einer der ersten Schritte sei es gewesen, ein Quartiersmanagement zu etablieren und die Deutsche Annington, der ein Großteil der in die Jahre gekommenen Mehrfamilienhäuser gehörte, zu überzeugen, in die Wohn- und Aufenthaltsqualität zu investieren. Aktuell wird der Neubau einer Mehrzweckhalle neben der Stadtteilschule realisiert, die als weiterer zentraler Treffpunkt im Quartier gedacht ist und Platz bieten wird für eine Turnhalle, Clubräume und ein großzügiges, multifunktionales Foyer, das durch mobile Wände für verschiedene Veranstaltungen umgebaut werden kann. Auch dieser Neubau wird aus Mitteln der Sozialen Stadt gefördert.

Christina Ebel arbeitet als Stadtplanerin für Rendsburg. © Dirk Mathesius

Knapp 54 Prozent der geplanten 3,8 Millionen Euro werden von Bund und Land getragen, während die Kommune 1,75 Millionen Euro investieren muss. „Es gibt heute im Gegensatz zu unserer Anfangszeit im Quartier ein breites Bekenntnis der Stadtgesellschaft zu Mastbrook“, erklärt Ebel. „Zwar können wir hier jetzt nicht von einer heilen Welt sprechen, der Stadtteil ist immer noch spannungsgeladen. Aber die Empfindung ist anders. Die Bewohner verhalten sich anders.“ Dazu trage auch der Stadtteilbeirat bei, der mit Rückgrat für die Forderungen und Bedürfnisse der Bewohner einsteht. Aus Mitteln ihres Verfügungsfonds können Einzelprojekte finanziert werden, die der Verbesserung der Lebensbedingungen in der Nachbarschaft dienen und dabei Selbsthilfe und Eigenverantwortung fördern. „Es braucht länger als nur die relativ kurze Förderung im Rahmen der Sozialen Stadt, um Netzwerke zu verstetigen“, so Ebel. Dennoch sei jede Maßnahme und jeder Schritt wichtig. Eingeführt wurde das Städtebauförderprogramm Soziale Stadt 1999, wobei die Programmmittel auf Grundlage des Art. 104 b GG für städtebauliche Investitionen eingesetzt werden. Nach Auskunft des BMUB wurden bis einschließlich 2016 insgesamt 782 Maßnahmen in 441 Städten und Gemeinden in das Bund-Länder-Programm aufgenommen. Nach Verabschiedung der ressortübergreifenden Strategie Soziale Stadt durch das Bundeskabinet im vergangenen Jahr hat der Bund seine Mittel für das Programm aufgestockt und stellt im Jahr 2017 190 Millionen Euro bereit.

Soziale Stadt fördert ländliche Kommunen

Vor allem Kommunen in ländlichen Regionen sollen von den Mitteln für Stadtumbau profitieren, wobei das Thema Integration im Fokus steht. Auch wenn dem Programm die Annahme zugrunde liegt, dass räumliche Nähe zwischen Bewohnern im Quartier auch zu sozialer Nähe führt, kann nicht prinzipiell von einem Quartierseffekt ausgegangen werden. „Man muss differenziert schauen. Ein konkreter Zusammenhang zwischen Quartier und sozialer Lage ist nach neueren Studien nicht grundsätzlich nachweisbar“, sagt Stadt- und Raumplanerin Anne Volkmann von der TU Dortmund. Man müsse auch genau hinschauen, warum ein Stadtteil als benachteilgt eingestuft werde und dabei im Auge haben, dass Quartiere im Kontext der Gesamtstadt bestimmte Funktionen einnehmen. „Das Förderprogramm Soziale Stadt kann keine strukturelle Ursachenbekämpfung vornehmen“, so Volkmann. „Man kann damit Arbeitslose nicht in Arbeit bringen. Aber man kann mit lokal basierter Sozialarbeit an aktuelle Problemlagen anknüpfen - etwa durch das Partnerprogramm BIWAQ, um Jugendliche für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren und die lokale Ökonomie einzubinden.“ Der Einschätzung stimmt auch Olaf Schnur, Senior Researcher beim vhw, zu. Auf kommunaler Seite geht es beim Programm Soziale Stadt als Teil eines integrierten Stadtentwicklungsplans neben der Bündelung von Fördermitteln auch um die Verzahnung von Fachwissen aus den verschiedenen Ressorts. Genau das kann aber problematisch sein, wie Timo Heyn von Empirica, der Bundestransferstelle zum Städtebauförderungsprogramm Soziale Stadt, sagt.  „Man muss die nicht-investive Klammer, die das Programm vorsieht, füllen. Schwer wird das, wenn verschiedene Ressorts – Städtebau, Jugendarbeit, Gesundheit, etc. – ein jeweils anderes Verständnis und entsprechende Denkweisen haben. Hier ist ein gutes kommunales Projektmanangement gefordert.“ Das betreffe auch die Einhaltung der Förderformalitäten, an deren Harmonisierung es auf Bundes- und EU-Ebene mangelte.

Timo Heyn von der Bundestransferstelle zum Städtebauförderungsprogramm Soziale Stadt

„Man muss also fairerweise sagen, dass es trotz aller positiver Wirkungen zwei Grundprobleme gibt“, so Heyn. „Zum einen die Einbindung verschiedener Ressorts und Träger, die nicht üblicherweise mit Stadtentwicklung zu tun haben. Zum anderen die Befristung der Mittel und die kurzen Förderzeiten.“ Um die angetretenen Prozesse, das Quartiersmanagement und die nicht-investiven Maßnahmen zu verstetigen, seien auch die Kommunen gefordert, darin sind sich alle Experten einig. „Vereine ohne Mittelausstattung tun sich schwer, professionelle Strukturen in der Gemeinwesenarbeit zu schaffen und aufrechtzuerhalten“, sagt Heyn. „Und befristete Projekte tragen nicht zur Vertrauensbildung in die Förderlandschaft bei.“ Auch bei der Einbindung von privaten Wohnungseigentümern seien die Kommunen gefordert. Hier spiele gutes Quartiersmanagement eine entscheidende, intermediäre Rolle. „In einigen Fällen hat sich die „Haus und Grund“ als guter Partner für Kommunen erwiesen, um über eine Direktansprache Investitionen in Gang zu bekommen und wirtschaftliche Zwänge mit gesellschaftlicher Verantwortung in Einklang zu bringen“, meint Heyn. „Aber das setzt ein hohes Engagement auf kommunaler Seite voraus. Die Stärke der „Sozialen Stadt“ liegt eben in strukturiertem Fördermanagement, nicht in klassischer Verwaltung.“