Die Stichwahl soll in NRW erneut abgeschafft werden.
CDU und FDP wollen die Stichwahl erneut abschaffen - Der Widerstand ist jedoch groß.
© Angela Rohde/shutterstock

Stichwahl: Demokratisches Fundament oder Kostenfalle?

NRW könnte das einzige Bundesland ohne Stichwahl werden. CDU und FDP halten den zweiten Wahlgang für einen unnötigen Kostenfresser. Die Oppositionsparteien in NRW sowie viele Kommunalpolitiker und kommunalpolitische Experten sehen in der Abschaffung eine Schwächung der Demokratie.

Stichwahlen sind ein bewegtes Thema in Nordrhein-Westfalen - und das Hin und Her geht weiter. 1994 wurden sie von der SPD eingeführt, 2007 von CDU und FDP abgeschafft, 2011 mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP wieder eingeführt und nun will sie die aktuelle schwarz-gelbe Regierung erneut abschaffen. Die Begründung: Mit der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Stichwahlen, hätten sich die Bürger bereits selbst gegen den zweiten Wahlgang bei (Ober-)Bürgermeister- und Landratswahlen entschieden. Es sei sinnvoll eine Wahl, die von vielen Wahlberechtigten nicht genutzt werde, abzuschaffen und somit Kosten zu sparen. Derzeit werden Bürgermeister und Landräte in NRW mit absoluter Mehrheit gewählt. Kann im ersten Wahlgang kein Kandidat die absolute Mehrheit für sich gewinnen, kommt es zwei Wochen später zu einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich versammeln konnten. Wird die Stichwahl abgeschafft, so reicht bei den Bürgermeister- und Landratswahlen eine relative Mehrheit aus, um ins Amt gewählt zu werden.

Bürgermeister sprechen sich für Stichwahl aus

Dieses Vorhaben ist in den letzten Wochen auf massive Kritik gestoßen - nicht nur von den Oppositionsparteien. 51 Bürgermeister kritisieren die Abschaffung der Stichwahl in einem offenen Brief an Ministerpräsident Armin Laschet. Sie warnen davor, die Abschaffung berge eine große Gefahr für die Demokratie. Wird eine Bürgermeisterwahl mit relativer Mehrheit entschieden, kann auch ein Kandidat etwa mit 20 oder 30 Prozent der Stimmen Bürgermeister werden. Wenn eine große Mehrheit der Wähler gegen den gewählten Bürgermeister gestimmt haben, sei dessen Legitimität stark gefährdet, argumentieren die Unterzeichner des offenen Briefs. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Verwaltungschefs von Bedburg, Castrop-Rauxel, Dormagen, Erndtebrück, Freudenberg, Grevenbroich, Neuenkrichen-Seelscheid, Rommerskirchen und Schwerte.

Auch bei einer Expertenanhörung im Landtag sprachen sich die meisten Redner gegen die Abschaffung der Stichwahl aus. Die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung kritisiert etwa, dass die Abschaffung die Partizipationsmöglichkeit der Wähler einschränke. Die Bürger müssten die Möglichkeiten bekommen sich mit einer absoluten Mehrheit für einen Kandidaten zu entscheiden. Und Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen stellte in Frage, ob die These, zu wenige Bürger würden sich an den Stichwahlen beteiligen, überhaupt haltbar ist. Dazu gab er zu bedenken, dass es bei den Kommunalwahlen 2014/15 zu 62 Stichwahlen gekommen sei. Bei 45 dieser Stichwahlen habe der Wahlsieger mehr absolute Stimmen erhalten als im ersten Wahlgang. Dies spreche gegen eine niedrige Wahlbeteiligung.

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Trotz dieser Bedenken möchten CDU und FDP einen entsprechenden Gesetzesentwurf rechtzeitig in den Landtag einbringen, um schon bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2020 auf Stichwahlen verzichten zu können. Damit wäre Nordrhein-Westfalen das einzige deutsche Bundesland in dem eine relative Mehrheit ausreicht, um Oberbürgermeister, Bürgermeister oder Landrat zu werden.