Verfassungsgericht stärkt kommunale Selbstverwaltung
Urteilsbegründung stärkt die kommunale Selbstverwaltung massiv
Karlsruhe räumt den Kommunen in dem Urteil ein direktes Klagerecht ein. Zudem heißt es wörtlich: "Die Finanzkraft einzelner Gemeinden hat auf die Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft grundsätzlich keinen Einfluss". An anderer Stelle heißt es: "Der Staat muss den Kommunen die Mittel zur Verfügung stellen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen". Deutlicher kann man die Rechte der Kommunen kaum noch fassen.
kommunale Selbstverwaltung: Auch die Kommunenvertreter sind trotz Niederlage zufrieden
In einem Gastbeitrag für KOMMUNAL äussert sich der zuständige Beigeordnete des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ebenfalls lobend zu dem Urteil. An dieser Stelle finden Sie den Beitrag von Uwe Lübking vom DStGB:
Bundesverfassungsgericht stärkt gemeindliches Selbstverwaltungsrecht
Beigeordneter Uwe Lübking, DStGB Auch wenn die klagenden Kommunen Sachsen-Anhalts mit ihrer Verfassungsbeschwerde gescheitert sind, hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 21.11.2017 (2 BvR 2177/16) eine richtungsweise Entscheidung zur gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie getroffen. Art. 28 II GG sichert den kreisangehörigen Städten und Gemeinden nicht nur eine umfassende Aufgaben-zuständigkeit örtlicher Angelegenheiten, insbesondere in den Bereichen Kinderbetreuung und Bildungsangebote zu, sondern verwehrt den Bundesländern auch, hinter dem Schutzgehalt des Grundgesetzes zurückbleibt. Landesrecht kann Regelungen enthalten, die mit Art. 28 Abs.2 GG unvereinbar sind, den Städten und Gemeinden steht dann aber ein direktes Klagerecht zum Bundesverfassungsgericht zu, wenn der Schutz der gemeindlichen Selbstverwaltung in der Landesverfassung zu eng, zu schwach oder zu gering ist.

Das Land Sachsen-Anhalt hatte durch eine Änderung des Kinderfördergesetzes bestehende Leistungsverpflichtungen der kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Bereich der Kindertagesbetreuung auf die Landkreise als Träger der öffentlichen Jugendhilfe übertragen. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht diese Aufgabenübertragung als noch verhältnismäßig angesehen hat, sind die Rechte der Gemeinden nachhaltig gestärkt worden.
Kein Dualismus der Selbstverwaltung
Dem „Dualismus des Selbstverwaltungsrechts von Kreis und Gemeinde“ hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig eine Absage erteilt. Vielmehr garantiere Art. 28 II GG den kreisangehörigen Städten und Gemeinden nicht nur die Allzuständigkeit hinsichtlich aller örtlichen Angelegenheiten, sondern die herausgehobene Bedeutung der Gemeinden für den demokratischen Staatsaufbau beinhalte auch einen grundsätzlichen Vorrang der gemeindlichen Aufgabenzuständigkeit. Zu den grundlegenden Strukturelementen von Art. 28 Abs. 2 GG gehört die Eigenständigkeit der Gemeinden auch und gerade gegenüber den Landkreisen. Aus dem verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilungsprinzip folgt ein prinzipieller Vorrang der Gemeindeebene vor der Kreisebene. Genügen Leistungsfähigkeit und Verwaltungskraft einer Gemeinde nicht, um kommunale Aufgaben wahrzunehmen, gewährleistet Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Kommunen das Recht, diese in kommunaler Zusammenarbeit zu erfüllen, bevor der Staat sie an sich zieht.
Selbstverwaltung vor Hochzonung
Daher besteht grundsätzlich ein Vorrang der interkommunalen Zusammenarbeit vor der Hochzonung gemeindlicher Aufgaben auf die Landkreisebene. Erst wenn durch gemeindliche Kooperation die Erfüllung kommunaler Aufgaben nicht sichergestellt werden kann, darf der Staat den Gemeinden die davon betroffenen Zuständigkeiten entziehen. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fordert für die örtliche Ebene insofern eine mit wirklicher Verantwortlichkeit ausgestattete Einrichtung der Selbstverwaltung, die den Bürgern eine effektive Mitwirkung an den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ermöglicht. Auch die Finanzkraft einzelner Gemeinden hat auf die Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft grundsätzlich keinen Einfluss; vielmehr muss der Staat gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG den Gemeinden gegebenenfalls die Mittel zur Verfügung stellen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Dies ist ein klares Signal des Bundesverfassungsgerichts an die Bundesländer, die Städte und Gemeinden durch eine aufgabenadäquate Finanzausstattung in ihrem Selbstverwaltungsrecht zu stärken.