Diskussionrunde
Wenn Worte zu Waffen werden - über Sprachverbote und Identitätspolitik
Was in Köln mit einer simplen Umbenennung begann, wurde schnell zur bundesweiten Debatte. „Spiel- und Aktionsfläche“ statt Spielplatz – für manche ein Fortschritt, für andere ein Symbol übergriffiger Bürokratie. Der Psychologe und Extremismus-Forscher Ahmad Mansour findet im KOMMUNAL-Podcast klare Worte: „Wir erleben eine Gesellschaft, die sich zunehmend in Empörungskulturen verliert. Worte werden zu Waffen, und viele haben Angst, sie zu benutzen.“
Der Psychologe warnt vor einem Klima, in dem jede Formulierung sofort als politisches Statement verstanden wird. „Wir reden mehr über Worte als über Inhalte. Das ist der eigentliche Kulturkampf.“
Zwischen Ideologie und Alltag
Mansour sieht in der aktuellen Symbolpolitik ein gefährliches Ablenkungsmanöver: „Wenn Kommunen anfangen, Schilder umzubenennen, statt Probleme zu lösen, dann zeigt das, wie sehr Ideologie schon in den Verwaltungsalltag eingesickert ist.“ Gleichzeitig betont er, dass Sprache nicht beliebig sei: „Natürlich verändern sich Begriffe. Aber nicht, weil ein Ausschuss es beschließt, sondern weil Menschen sie mit Leben füllen.“
Kommunen müssten, so Mansour, „aufhören, sich von lautstarken Minderheiten treiben zu lassen“. Stattdessen brauche es „Mut zur Sachlichkeit“.
„Wir müssen wieder streiten lernen“
Im Gespräch mit KOMMUNAL bringt Mansour den Kern seiner Kritik auf den Punkt: „Das größte Problem ist nicht die falsche Sprache, sondern die Sprachlosigkeit der Mehrheit.“ Er fordert mehr Diskussionskultur – auch und gerade in den Kommunen.
„Wir dürfen nicht verlernen, uns zu widersprechen, ohne uns zu hassen“, sagt Mansour. „Meinungsfreiheit heißt nicht, dass alle klatschen müssen. Sie heißt, dass ich aushalte, wenn jemand widerspricht.“
Wenn Neutralität zur Mutprobe wird
Ein weiterer Streitpunkt im Podcast: die Regenbogenflagge an öffentlichen Gebäuden. Mansour nimmt eine differenzierte Position ein: „Ich verstehe die Symbolkraft – aber Symbole ersetzen keine Politik.“
Er warnt davor, Neutralität mit Feigheit zu verwechseln: „Kommunen müssen Haltung zeigen, aber sie sollten sich nicht von jeder Bewegung vereinnahmen lassen.“
Gleichzeitig fordert er konkrete Taten gegen Diskriminierung: „Eine Flagge ändert nichts, wenn Betroffene sich im Alltag nicht sicher fühlen. Dann braucht es Schutzkonzepte, keine PR-Gesten.“
Vertrauen beginnt mit Klartext
Am Ende der Diskussion geht es um ein großes Wort: Vertrauen. Mansour beschreibt die Lage so: „76 Prozent der Deutschen glauben, sie dürften ihre Meinung nicht mehr sagen. Das ist ein Warnsignal.“
Für ihn liegt die Ursache nicht in Verboten, sondern im sozialen Klima: „Menschen trauen sich nicht mehr, weil sie befürchten, sofort in Schubladen gesteckt zu werden. Dabei wäre genau jetzt Offenheit gefragt.“
Sein Appell: „Kommunalpolitiker müssen wieder Brückenbauer sein. Wer vermitteln kann, statt zu moralisieren, stärkt das Vertrauen in die Demokratie.“
Mehr Streit, weniger Schlagworte
Der Podcast zeigt, wie tief die Risse in der gesellschaftlichen Debatte verlaufen – und dass sie nur durch offene Gespräche geheilt werden können.
„Wir brauchen wieder Mut zum Widerspruch“, sagt Mansour zum Schluss. „Denn Demokratie bedeutet nicht Einigkeit, sondern die Fähigkeit, Unterschiede auszuhalten.“
Wer wissen will, warum der Psychologe überzeugt ist, dass „die Zukunft der Demokratie auf dem Marktplatz und nicht im Ministerium entschieden wird“, sollte sich die neue Folge „Die ungewöhnlichste Fraktionsgemeinschaft Deutschlands“ unbedingt anhören – überall, wo es Podcasts gibt und natürlich auch hier direkt zum Reinhören: