Fachkräfte aus dem Ausland
Die Stadt Pfungstadt setzt auch auf Erzieherinnen aus Namibia.
© Stadt Pfungstadt

Fachkräftegewinnung

Fachkräfte für Kommunen: Erfahrung, Heimatliebe, neue Chancen

21. September 2025
Ob Rentner im Projekteinsatz, Rückkehrer mit Heimatliebe, internationale Fachkräfte oder Flüchtlinge mit Perspektive – Kommunen zeigen, wie vielfältig erfolgreiche Personalgewinnung heute aussehen kann. Dazu gehört auch die eigene Ausbildung als Schlüssel für eine starke Verwaltung von morgen. KOMMUNAL stellt erfolgreiche Konzepte vor.

Annette Lübbers, Gudrun Mallwitz und Rebecca Piron

Wenn Kommunen vor Ort keine Fachkräfte mehr finden – lohnt sich dann der Blick ins Ausland? Einige Städte und Gemeinden beantworten diese Frage für sich mit Ja. Besonders in Kitas und Kliniken gehen sie diesen Weg. Ein Beispiel ist Pfungstadt in Südhessen. Wie viele Kommunen suchte auch die Stadt vergeblich nach Erzieherinnen und Erziehern. Bis sie im Rahmen einer Veranstaltung mit der Partnerstadt Oshikuku auf eine Vermittlungsagentur für Fachkräfte aus Namibia aufmerksam wurde.

Blick über den Tellerrand: Wie Pfungstadt Erzieherinnen aus Namibia gewann

2024 beauftragte Pfungstadt die Agentur, vier Kita-Fachkräfte zu rekrutieren. Die Vorbereitung der Fachkräfte begann dabei schon im Herkunftsland: Sprachkurse, interkulturelle Trainings und Einführungen ins deutsche Bildungssystem bildeten die Grundlage. Neun Monate später, im Januar dieses Jahres, traten vier Erzieherinnen aus Namibia ihren Dienst an – sofort Vollzeit einsetzbar, wie Bürgermeister Patrick Koch berichtet. Zwar verursacht die Zusammenarbeit mit einer Agentur zusätzliche Kosten, doch dafür sei der Erfolg garantiert, sagt der Bürgermeister. „Unsere Stellenanzeigen verpufften oft ohne Rückmeldung – hier wussten wir: das Personal kommt.“

Für die neuen Kolleginnen war der Schritt nach Deutschland groß, aber lohnend. „Ich lebe meinen Traum und bin glücklich, Kindergärtnerin in Deutschland zu sein“, sagt Linea. Julia war neugierig auf das deutsche Bildungssystem und will ihre Erfahrungen aus Namibia einbringen. Etuna beschreibt die Arbeit als bereichernde Erfahrung. Gleichzeitig wünscht sie sich rückblickend eine intensivere kulturelle Vorbereitung – etwa durch ein Mentorenprogramm.

Erzieherin aus Namibia
Von Namibia nach Deutschland - als Erzieherin in Pfungstadt.

Stadt half bei der Wohnungssuche

Beim Ankommen unterstützte die Stadt die neuen Fachkräfte aktiv. „Wir haben ein Haus mit vier Schlafzimmern angemietet, das die Frauen nun von uns mieten“, erzählt Koch. Außerdem werde gezielt der Kontakt ins Stadtleben gefördert – etwa durch Einladungen zu Veranstaltungen. „Man muss sich am Anfang schon auch ein bisschen kümmern“, so der Bürgermeister.

Eine Hürde bleibt jedoch: Die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Während das namibische Sozialpädagogikstudium in Hessen anerkannt wird, ist das etwa in Nordrhein-Westfalen nicht der Fall. Seriöse Vermittlungsagenturen wissen allerdings genau, wo eine Anerkennung möglich ist – und richten ihre Suche entsprechend aus. 

Bürgermeister reiste nach Namibia

Anfängliche gab es in Pfungstadt ein Bedenken: Zieht man nicht anderen Ländern dringend benötigtes Fachpersonal ab? „Wir haben schnell gelernt, dass gute Agenturen nur dort rekrutieren, wo es tatsächlich ein Überangebot an Fachkräften gibt“, sagt Koch. Davon konnte er sich diesen Sommer selbst überzeugen. Gemeinsam mit einer Europaabgeordneten und einem Staatssekretär reiste er nach Namibia. Dort traf die Delegation Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, einen Gouverneur, den deutschen Botschafter, das Goethe-Institut – und viele weitere Akteure. Das Fazit: Zwar gebe es einige wenige Glücksritter unter den Agenturen, die Mehrheit arbeite jedoch seriös und werde von beiden Seiten geschätzt.

Pfungstadt bewertet den neuen Weg als vollen Erfolg – so sehr, dass eine zweite Anwerbungsrunde bereits angelaufen ist. Dennoch bleibt Koch realistisch: „Dieses Modell kann ein wichtiger Baustein sein, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Aber bessere Bezahlung und attraktivere Arbeitsbedingungen bleiben entscheidend – und darüber entscheiden andere Ebenen.“

Experten-Tipp: Um die richtige Agentur für sich zu finden, sollten Kommunen sich die jeweiligen Referenzen ansehen. Gibt es bereits eine andere Kommune oder einen anderen Arbeitgeber aus der Region, der Erfahrungen gesammelt hat? Dann lohnt sich ein unbürokratischer Anruf. (Andre Stephan-Park, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit)

Vom Flüchtling zum Verwaltungsangestellten

In Pfungstadt sieht man neue Chancen für die Fachkräftegewinnung nicht nur in Namibia: Auch direkt vor der eigenen Haustür gibt es ein Potenzial, das aktuell noch selten genutzt wird. Sobald Flüchtlinge, eine Arbeitserlaubnis haben, können ihre Qualifikationen für die Städte und Gemeinden von großem Wert sein. So ist es in Pfungstadt etwa mit einem aus Syrien geflohenen Rechtsanwalt, der heute als Flüchtlingshelfer für die Stadt arbeitet. „Ich habe ihn damals bei einem Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung kennengelernt und er hatte großes Interesse bei uns in der Verwaltung anzufangen“, erzählt Bürgermeister Patrick Koch. Die Stadt half ihm, eine eigene Unterkunft und Sprachkurse zu bekommen. Außerdem half sie ihm, seinen Bruder nachzuholen, der mittlerweile in Deutschland studiert hat und als Controller arbeitet.

Omar Novak unterstützt bei der Integration

Ähnlich ist es auch in Künzelsau in Baden-Württemberg. Omar Novak floh 2015 aus Syrien. Dort hatte er sein Studium der Agrarwissenschaften noch nicht abgeschlossen. Hier konnte er ab 2017 eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten machen und arbeitet heute im Integrations-Team der Stadt. Er kennt die Probleme der Ankommenden aus erster Hand: Sprachbarrieren, Papierberge, Unsicherheit. Genau deshalb ist er prädestiniert für die Rolle, sagt Bürgermeister Stefan Neumann. Die Verwaltung habe mit ihm nicht nur einen Mitarbeiter gewonnen, sondern auch eine Brücke zu den Menschen, die neu in der Stadt ankommen.

Said Ramez Payenda, Kämmerer in Ratzeburg
Omar Novak arbeitet mittlerweile seit acht Jahren in der Stadtverwaltung von Künzelsau. 

Doch aufgrund der zu Anfang in den meisten Fällen bestehenden Sprachbarriere braucht es auch ein gewisses Entgegenkommen des Arbeitgebers. „Ich hatte Glück mit meinen Ausbildern bei der Stadtverwaltung und den Lehrern in der Berufsschule“, erinnert sich Omar Novak. „Sie haben am Anfang viel mit mir auf Englisch gesprochen und wenn es sein musste, haben wir mit Hand und Fuß kommuniziert. Denn die Fachbegriffe kannte ich auf keiner Sprache – nicht auf Deutsch, nicht auf Englisch und auch nicht auf Arabisch.“ Gleichzeitig hat die Stadt sich darum gekümmert, dass er jede Woche Einzelunterricht in Deutsch bekam, bis er das höchste Sprachniveau C2 erreichte.

„Meiner Wahrnehmung nach schlummert in den Geflüchteten, die in unseren Kommunen leben, ein großes Fachkräfte-Potenzial, das bislang noch viel zu wenig gehoben wird. Viele bringen wertvolle Erfahrungen, Talente und eine beeindruckende Motivation mit, doch zu oft werden sie durch bürokratische Hürden, lange Verfahren oder Sprachbarrieren ausgebremst“, sagt Novak. „Kommunen könnten hier eine Schlüsselrolle spielen, indem sie nicht nur Verwaltung, sondern auch Brücke sind: durch Praktika, Einstiegsprogramme oder Trainee-Stellen, die den Menschen den ersten Schritt ermöglichen. Ebenso wichtig ist eine Sprachförderung, die über Alltagsdeutsch hinausgeht und das berufliche Vokabular in den Blick nimmt – damit man sich auch wirklich 'zu Hause' im Arbeitskontext fühlen kann.“

Grundsätzlich brauche es mehr Offenheit, Mut und Flexibilität bei der Anerkennung von Qualifikationen und eine Willkommenskultur in den Behörden selbst: interkulturelle Kompetenz, Neugier und der Wunsch, voneinander zu lernen. Wenn das gelinge, profitierten nicht nur die Geflüchteten, sondern auch die Verwaltungen – weil sie neue Perspektiven und frischen Wind ins Team holen.

Flüchtling als Kämmerer in Ratzeburg

Flüchtlinge sind aber nicht nur im Bereich der Integration eine Bereicherung für die Kommunen. Das zeigt auch das Beispiel Ratzeburg in Schleswig-Holstein. Dort ist Said Ramez Payenda heute Kämmerer. 2010 kam der damals 16-Jährige aus Afghanistan. Als er volljährig wurde, sollte er abgeschoben werden. Der damalige Bürgermeister der Stadt bekam das mit und bot Payenda eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten an. Payenda, der eigentlich Mathematik studieren wollte, nahm das Angebot an, machte im Anschluss noch eine Weiterbildung zum Diplom-Verwaltungsfachwirt und orientierte sich innerhalb der Verwaltung in die Richtung, die ihm schon immer am Herzen lag: Die Zahlen. Mittlerweile ist er seit vier Jahren Kämmerer in Ratzeburg und hat hier auch eine Familie gegründet. „Mir ist die Integration leicht gefallen“, sagt er über sich selbst. „Flüchtlinge brauchen Ziele, ohne sie wird es schwierig. Lernen ist sinnstiftend, arbeiten auch.“

Experten-Tipp: Wenn eine Kommune fähige Bewerberinnen und Bewerber findet, denen die nötigen Deutschkenntnisse fehlen oder deren Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wird, kann sich die Kommune für eine Beratung an die Vermittlungsfachkräfte der Agentur für Arbeit wenden. Optionen sind zum Beispiel die Förderung von Deutschkursen oder eine assistierte Ausbildung durch die Agentur für Arbeit. Auch ein durch die Agentur für Arbeit arrangiertes Probearbeiten ist möglich. (Andre Stephan-Park, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit)

Rück-Care-Paket: So wirbt der Landkreis  Oder-Spree um Rückkehrer

Karolin Ring ist eine von denen, die zurückgekehrt sind in die Heimat. Mit 18 Jahren war sie nach dem Abitur weggezogen für das Studium, danach blieb sie in Berlin und arbeitete zehn Jahre als Journalistin für ein großes Medienunternehmen. „Als das erste Kind da war, entschloss ich mich, nach Beeskow zurückzuziehen“, erzählt sie. „Wir kauften einen Mehrgenerationenhof.  Dort wohne ich seither mit meiner Frau, den zwei Kindern und der Oma.“ Ausschlaggebend war der Wunsch, dass die Großeltern miterleben, wie die Kinder aufwachsen. Diese Motivation ergab jüngst auch eine Studie des Berlin-Instituts zur ostdeutschen Landjugend. Die meisten kommen wegen der Familie dort zurück in die Heimat.

Karolin Ring
Karolin Ring kehrte in den Landkreis Oder-Spree zurück, sie arbeitete zunächst bei der Stadt Beeskow und dann in der Landkreisverwaltung.

 Nach Rückkehr Stelle in der Stadt Beeskow angetreten

Der Brandenburger Landkreis Oder-Spree wird Prognosen zufolge weiter an Einwohnen verlieren, wie so viele Regionen in Ostdeutschland.  Für die Kommunen wird es damit noch schwieriger werden, geeignetes Personal zu finden. Karolin Ring hat nach ihrer Rückkehr 2018 in der Stadt Beeskow eine Stelle als Beauftragte für die Beteiligung von Kindern und Jugendrechten angenommen. Als der Bürgermeister dann Landrat wurde, wechselte sie mit ihm in die Landkreisverwaltung – als Pressesprecherin. Sie sieht für die Kommunen Vorteile, wenn sie auch auf Rückkehrer setzen. „Ich fühle mich der Heimat verbunden, will etwas bewegen und bin mit vollem Herzen dabei.“ 

1.000 Päckchen als Werbebotschaft aus der Heimat

Der Landkreis Oder-Spree wirbt derzeit mit 1.000 Päckchen für eine Rückkehr in die Heimat – eine Aktion, die von der Staatskanzlei Brandenburg mit 11.000 Euro gefördert wird. „Wir haben überlegt: Wie können wir Kontakt aufnehmen zu Leuten, die weggezogen sind und bei ihnen die Heimat liebevoll wieder ins Bewusstsein rücken“, sagt Sandra Jakobitz, die das Projekt beim Landkreis koordiniert. Die Idee Rück-Care-Packet ist an die einstigen Care-Pakete angelehnt, sie wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von USA nach Europa geschickt. Doch vor allem bedeutet das Wort Care übersetzt: „Fürsorge, Zuwendung, sich kümmern.“ 

Rück-Care-Pakete Oder-Spree

Daheimgebliebene können Rück-Care-Pakete verschicken

Die frankierten Päckchen wurden an Gemeinden und Städte übergeben. Dort können Daheimgebliebene sie abholen – etwa in der  Gemeinde Berkenbrück beim Bürgermeister und in Bad Saarow in der Bibliothek - und dann an eine Person verschicken.  Sie enthalten Informationen über die Heimat wie die Entdeckerkarte oder die Spätaufstehertouren  und ein selbst gestaltetes Quartett über den Landkreis. Auf dem beigelegten Zettel steht: „Wir würden uns freuen, wenn Du zurückkommst.“ In den gelben Päckchen sind auch eine Brotbackmischung, regionaler Honig, Saatkugeln und die Kontaktdaten der Landkreismitarbeiterin. „Wir bekommen seither immer wieder Anfragen, sagt Jakobitz. „Vier Rückkehrer sind mit der Familie schon da.“ Sie hilft bei der Wohnungssuche – und bei der Jobsuche. Vielleicht ist auch jemand für die Kommunen als Arbeitgeber dabei.

Experten-Tipp: Um Nachwuchs zu gewinnen, sollten Kommunen gezielt Rückkehrer ansprechen. Sie bringen Heimatverbundenheit und Praxiserfahrung mit und sind oft hoch motiviert, ihre Region mitzugestalten. Durch Willkommensinitiativen, persönliche Ansprache und attraktive Karrierewege in Verwaltung und Betrieben können sie erfolgreich gebunden werden.

Willich setzt auf Nachwuchs: 90 Azubis sichern die Zukunft der Stadtverwaltung

Bürgermeister Christian Pakusch begrüßt jeden neuen Auszubildenden persönlich mit Handschlag. „Unsere Azubis sind unsere Zukunft – sie sind unsere Lebensversicherung“, betont er. Die 50.000-Einwohner-Stadt Willich in Nordrhein-Westfalen setzt konsequent auf Nachwuchsförderung. „Derzeit haben wir rund 90 Auszubildende“, berichtet der Bürgermeister.

30 von 1.000 Stellen noch unbesetzt

Der Fachkräftemangel macht auch vor Willich nicht halt: Von gut 1.000 Stellen sind aktuell rund 30 unbesetzt.  Umso wichtiger ist es, in vielen Berufsfeldern selbst auszubilden. Unter den 31 neuen Auszubildenden in diesem Jahr sind drei Verwaltungsfachangestellte, zwei dual Studierende, eine Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste sowie eine Teilnehmerin im Freiwilligen Ökologischen Jahr. Außerdem starteten ein Gärtner, eine Gärtnerin und eine Tischlerin. Zehn neue Auszubildende beginnen ihre Ausbildung zur Erzieherin. Auch ein angehender Notfallsanitäter wurde in diesem Jahr per Handschlag vom Bürgermeister begrüßt.

Auszubildende Willich 2025
Die neuen Auszubildenden der Stadt Willich.

Wie Willich um Auszubildende wirbt

Wie findet die Stadt geeignete Bewerberinnen und Bewerber? Mit klarer Botschaft in lockerer Sprache: „Du suchst eine praxisnahe, zukunftsorientierte und abwechslungsreiche Ausbildung? Dann bist Du hier genau richtig. Entdecke Deinen Traumjob bei der Stadtverwaltung Willich.“ Zur Wahl stehen elf Berufsfelder. Bewerbungen sind online, per Mail oder klassisch per Post möglich. Wer überzeugt, wird zu einem Einstellungstest eingeladen – mit Diktat, Rechenaufgaben sowie Fragen zum Allgemeinwissen und Arbeitsverhalten. Wer diese Hürde nimmt, folgt einem 20- bis 30-minütigen Vorstellungsgespräch. Schon wenige Tage später gibt es die Entscheidung.

Auch beim Arbeitgebermarketing geht Willich neue Wege. „Als wir anfingen, über soziale Medien für uns zu werben, wurde das zunächst kritisch gesehen“, erinnert sich Pakusch. Der Erfolg beim ersten Video auf Instagram ließ nicht lange auf sich warten: Für eine Stelle im Stadtmarketing gingen 27 Bewerbungen ein – und die Skeptiker verstummten.

Expertentipp: Kommunen können dem Fachkräftemangel wirksam begegnen, indem sie konsequent in die eigene Ausbildung investieren. Entscheidend dabei: Breite Ausbildungsangebote schaffen – nicht nur klassische Verwaltungsberufe. Werben Sie zielgruppengerecht – junge Menschen sind am besten über Social Media und authentische Einblicke in den Arbeitsalltag zu erreichen. Wichtig ist auch die Perspektive auf Übernahme.

Von wegen Rente! Nürnberg baut auf Know-how jenseits der Altersgrenze

Warum sollten die Städte, Gemeinden und Landkreise auf Fachwissen und Erfahrung verzichten? „Die Stadt Nürnberg nutzt gezielt die Möglichkeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Regelaltersgrenze hinaus zu beschäftigen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, sagt Andreas Franke, Leiter des Amtes für Kommunikation und Stadtmarketing. 

Wann beschäftigt die Stadt weiter?

Die Stadtverwaltung unterbreitet Beschäftigten entsprechende Angebote. „Gleichzeitig ist es der Stadt Nürnberg wichtig, auch Nachwuchskräften und Berufsunerfahrenen einen guten Berufseinstieg zu ermöglichen“, betont Franke. Wann werden langjährige Mitarbeiter angesprochen? „Wenn etwa vergleichbare Stellen bereits erfolglos ausgeschrieben wurden oder belastbare Erkenntnisse vorliegen, dass eine Nachbesetzung durch externe Ausschreibungen aktuell problematisch ist“, so der Sprecher der Stadt. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung bestehe auch, wenn zum Beispiel ein Projekt weiterbetreut werden soll, das vor dem offiziellen Ausscheiden von Mitarbeitern nicht abgeschlossen werden kann. „Dies ist der Fall, wenn eine Vertretung mit erheblich höherem Aufwand verbunden wäre oder nicht möglich ist“, erläutert er. Im Einzelfall wäre auch eine Weiterbeschäftigung denkbar, wenn die Einarbeitung einer neuen Kollegin oder eines neuen Kollegen mit erheblichem Wissensverlust verbunden wäre.

Nach der Abschiedsfeier rief das Personalamt an

Christel Paßmann gehört zu denen, die nie richtig aufgehört haben, für den Arbeitgeber tätig zu sein. Im September 2020 ging die Kulturmanagerin offiziell in den Ruhestand – nach vier Jahrzehnten im Dienst der Stadt Nürnberg, davon viele Jahre als Projektleiterin der „Blauen Nacht“, die jedes Jahr Tausende von Besuchern anzieht.  Zuvor hatte sie sich im Kulturamt einen Namen gemacht, organisierte Fortbildungen, Führungen und künstlerische Projekte. Später übernahm sie im Bildungszentrum den Fachbereich Politik und Geschichte, bevor sie ins Kulturreferat wechselte und dort zur Fußball-WM 2006 mit dem „Rasenstück“ eine spektakuläre Kunstaktion organisierte.

Christel Paßmann, Nürnberg
Christel Paßmann: Neugier statt Abschied.

Die Kulturbürgermeisterin verabschiedete Paßmann in den Ruhestand. Der währte keinen Tag. Nach der Abschiedsfeier rief das Personalamt an. Das Gesundheitsamt suchte in den ersten Corona-Monaten dringend Unterstützung. Also sortierte sie Datenverzeichnisse, ordnete Pressemitteilungen und sorgte dafür, dass in der Krise niemand den Überblick verlor. Danach folgten neue Projekte: Veranstaltungsreihen im Rahmen des Symposiums „Urbanum“, eine Tagung zu Kunst im öffentlichen Raum, schließlich noch einmal die Rückkehr zur „Blauen Nacht“, weil die Nachfolgerin wegen Schwangerschaftsurlaub eine Pause einlegte. Heute, mit 70 Jahren, klingt bei Paßmann alles nach Neugier statt nach Abschied. Sie arbeitet, wenn es sich ergibt, weiter auf Minijob-Basis, baut Vereine mit auf, engagiert sich ehrenamtlich – und freut sich zugleich über ihren Enkel und eine „Wunschenkelin“.  Wenn die Stadt sie braucht, ist sie zur Stelle. Sie sagt: „Solange ich Lust habe, mache ich weiter.“

Derzeit arbeiten 75 früher fest Beschäftigte bei der Stadt Nürnberg - immer befristet und die Arbeitszeit beträgt weniger als die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. 

Expertentipp: Um Fachkräfte zu gewinnen, können Kommunen Ruheständler projektbezogen einsetzen. Entscheidend ist, ihr Wissen an Nachwuchskräfte weiterzugeben – etwa durch Mentoring. So bleiben Erfahrung und Kompetenz erhalten, während die Verwaltung sich zugleich verjüngt.

Fotocredits: Erzieherinnen aus Namibia: Stadt Pfungstadt Omar Novak: Privat Karolin Ring: Privat Rück-Care-Pakete: Sandra Jakobitz Christel Paßmann: Privat Auszubildende Willich: Pressestelle/plu