
Leitartikel
„Wir werden…“ – Was der Koalitionsvertrag den Kommunen wirklich bringt
„Wir werden“ – das Lieblingswort der neuen Bundesregierung zieht sich wie Kaugummi durch den Koalitionsvertrag. Doch für Kommunen ist nicht alles heiße Luft – Zwischen Altschuldenhilfe und Digitalversprechen könnten sich echte Chancen verstecken. Irgendwo zwischen Hoffnung und Haushaltsvorbehalt ist der Koalitionsvertrag nämlich aus kommunaler Sicht weit besser, als er auf den ersten Blick scheint.
800x „wir werden“ – was der neue Koalitionsvertrag wirklich bedeutet!
Wenn ein Koalitionsvertrag vor allem aus dem Wort „werden“ besteht – über 800 Mal übrigens – dann kann man sicher sein: Hier wird vor allem eines gemacht – Hoffnung. Oder besser: Hoffnung auf Umsetzung vertagt. Wer sich durch das Papier quält, das die neue Bundesregierung sich als „gute Geschäftsgrundlage“ schönredet, merkt schnell: Die große Erzählung fehlt, dafür ist viel Luft drin. Und ein paar Punkte, die den Kommunen tatsächlich helfen könnten. Vorausgesetzt, es kommt jemand, der sie auch wirklich umsetzt.
Asylpolitik: Arbeitskreis statt Abschreckung
Wer dachte, es gäbe ein Asylmoratorium oder gar eine Zeitenwende – der irrt. Bürgerkriegsflüchtlinge sollen künftig nicht mehr ins Bürgergeldsystem rutschen, sondern sich mit Asylbewerberleistungen begnügen. Auch der Familiennachzug wird temporär gestoppt. Zwei Jahre lang. Das klingt nach Signal, ist aber eher ein Flackern als ein Leuchtturm.Was Grenzkontrollen und Zurückweisungen betrifft: Die wurden angekündigt, juristisch sind sie längst möglich, aber wer sie bisher nicht durchsetzte, dem fehlt wohl eher der Wille als das Werkzeug. Das wissen Bürgermeister in Grenznähe besser als mancher Abgeordnete in Berlin-Mitte.
Jobcenter: Sanktionen reloaded
Die Zeiten des Schmusens mit der Arbeitsverweigerung sollen vorbei sein. Sagen sie jedenfalls. Die Grundsicherung wird neu gestrichen, genannt, verpackt – und das Fördern-und-Fordern-Prinzip soll durch schnellere Sanktionen gestärkt werden. Wenn das wirklich umgesetzt wird, atmen viele Landräte auf. Aber auch hier gilt: „Wir werden…“ ist kein Verwaltungsakt.
Digitalministerium: Bürgerportal als neues Utopia
Es klingt traumhaft: Ein einziges digitales Bürgerportal, alle Anträge mit einem Klick, Unternehmensgründungen in 24 Stunden. Schön wär’s. Aber man erinnert sich unweigerlich an den letzten Digitalpakt – der floppte, weil die Realität nun mal nicht per Mausklick modern wird. Wenn das neue Digitalministerium mehr als nur ein Rebranding des Scheiterns ist, dürfen sich Bürgermeister freuen. Wenn nicht, wird es halt wieder ein weiteres Fenster, das nicht öffnet.
Bildung: multifunktional, multivage
Schulen werden endlich erkannt als das, was sie sind: Orte, an denen mehr gebraucht wird als Lehrer mit Kreide. Es soll Teams geben, Bürokratieabbau, Digitalpakt 2.0 und ein neues Schulessen-Budget. Alles gut und schön. Aber solange Pauschalen anstelle echter Bedarfe verteilt werden, bleibt es beim hehren Anspruch. Und ja, liebe Ministerien: Ein Sammelantrag für das Mittagessen ist kein Fortschritt, sondern ein Armutszeugnis für ein Land mit einer der höchsten Steuerquoten der Welt.
Energiepolitik: CO2-Kohle für alle
Ein Hoch auf die Technologieoffenheit – das alte Heizungsgesetz ist weg vom Fenster, stattdessen soll Flexibilität regieren. Die Strompreise sollen sinken, CO2-Einnahmen „zurückgegeben“ werden. An die Bürger? Nicht direkt, lieber indirekt. Das bedeutet: Der Staat nimmt, gibt dann ein bisschen zurück – aber ohne Kassenbon. Und ohne Gewähr.
Verkehr: Tempo 100 für die Bahn
Kein Tempolimit, dafür mehr Geld für die Bahn und eine still angedachte PKW-Maut zur Finanzierung der Autobahn GmbH. Das klingt nach „Gebt dem Volk, was es liebt“ – bis es irgendwann bezahlen muss. Immerhin: Die Pendlerpauschale steigt. Ein Segen für alle, die mit dem alten Diesel zur Arbeit tuckern und dabei täglich mehr Schlaglöcher als Blitzer sehen.
Wohnungsbau: 15-Euro-Träume
Wohnraum für unter 15 Euro pro Quadratmeter – das will die Koalition mit günstigen Bundesgarantien in Großstädten ermöglichen. Die Frage ist nur: Wie viel Einfluss hat der Staat tatsächlich auf Baukosten, wenn Handwerker fehlen, Genehmigungen dauern und sich jeder dritte Antrag im Paragraphendschungel verirrt?
Kommunalfinanzen: Wer bestellt, bezahlt – vielleicht
Der Klassiker der kommunalen Gerechtigkeit feiert ein Comeback: „Wer bestellt, bezahlt“. Was in jedem Wirtshaus selbstverständlich ist, ist in Deutschland bisher eher Anekdote als Praxis. Wenn das tatsächlich kommt, wäre das ein Durchbruch. Wenn. Denn auch hier fehlen Zahlen, Mechanismen, Zuständigkeiten. Aber hey – wir werden…
Altschulden: 250 Millionen Trostpflaster
Die Altschulden der Kommunen werden angegangen – mit 250 Millionen Euro pro Jahr. Das hilft einigen besonders belasteten Kommunen, ist aber bundesweit eher ein Tropfen auf die marode Straßenlaterne. Und wie beim guten Wein gilt auch hier: Entscheidend ist die Lage – also, in welchem Bundesland man sitzt.
Innenstadtförderung: Zwischen Hoffnung und Habseligkeit
Ein Zukunftspakt soll die finanzielle Handlungsfähigkeit sichern – was auch immer das konkret heißt. Gleichzeitig will man Innenstädte mit EU-Mitteln stärken. Klingt nach Aufbruch, bleibt aber im Stil eines Verwaltungsakts mit drei Durchschlägen. Der Wille ist erkennbar, der Plan nicht.
Fazit: Hoffnung ja – Umsetzung fraglich. Der Koalitionsvertrag ist kein großer Wurf, aber auch kein Totalausfall. Für Kommunen gibt es immerhin Lichtblicke. Die Umsetzung jedoch hängt, wie immer, an den Personen. Und darum gilt: Wer nichts wird, wird Koalitionspapier. Und wer wirklich etwas bewirken will, muss es halt vor Ort tun!