Insel Rügen Zweitwohnsitz Mecklenburg-Vorpommern
Ein Zweitwohnbesitzer auf der Insel Rügen klagte erfolgreich gegen das Einreiseverbot.
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Corona-Regeln

Zweitwohnsitz - wer darf jetzt einreisen?

Zweitwohnbesitzer dürfen sich freuen, aber nicht alle! Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat das Einreiseverbot für bestimmte Besitzer eines Zweitwohnsitzes in der Corona-Landesverordnung für unrechtmäßig erklärt. Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern lockert nun, aber nur für einen bestimmten Personenkreis unter den Zweitwohnbesitzern. KOMMUNAL sprach mit dem Mann, der erfolgreich gegen das Verbot geklagt hat, seinen Zweitwohnsitz auf der Insel Rügen aufsuchen zu dürfen.
Aktualisiert m 12. Mai 2021

Zweitwohnbesitzer verstehen in der Corona-Pandemie die Welt nicht mehr, zumindest die Welt in Mecklenburg-Vorpommern nicht. Die dortige Landesregierung unter Manuela Schwesig erlaubte im Corona-Lockdown seit Montag, 19. April, keine Reisen mehr zum Zweitwohnsitz.  Damit bleiben nicht nur touristische Reisen nach Mecklenburg-Vorpommern verboten.  "Zweit­wohnungs­besitzer und Dauercamper, die sich bereits im Land befinden, müssen das Land bis einschließlich Freitag, 23. April verlassen", lautete die strenge, massiv umstrittene Anordnung in der Corona-Pandemie.

Zweitwohnsitz: Klagen gegen Einreiseverbot für Besitzer

Klagen gegen das Einreiseverbot zum eigenen Haus oder zur eigenen Wohnung waren absehbar. Sie sind nicht neu: Am Anfang der Corona-Pandemie wurden im Frühjahr 2020  Besitzer eines Zweitwohnsitzes an der Küste in Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern gezwungen, ihre eigenen Wohnungen und Häuser zu verlassen. Zwei Berliner bekamen vor dem Verwaltungsgericht Potsdam  gegen das damals verfügte Einreiseverbots-Regelung durch den Landkreis Ostprignitz-Ruppin Recht: Sie durften weiterhin zu ihrem Zweitwohnsitz reisen, der Landkreis änderte seine Verordnung schließlich. Sie war auch von der brandenburgischen Landesregierung kritisiert worden. Anfang April 2020 kippte das Oberverwaltungsgericht Greifswald in zwei Eilverfahren das von der mecklenburg-vorpommerische Landesregierung verfügte Reiseverbot.

OVG Greifswald entscheidet für Zweitwohnbesitzer in Mecklenburg-Vorpommern

Jetzt erreichte ein Zweitwohnbesitzer erneut vor Gericht, dass er wieder an seinen Zweitwohnsitz reisen darf. Eine Entscheidung, die nun auch anderen Zweitwohnbesitzern hilft. Der Potsdamer Unternehmer Stephan Goericke hat voriges Jahr für seine Familie ein 250 Jahre altes Haus auf der Insel Rügen gekauft. Dort sollte er - wie alle anderen Zweitwohnbesitzer auch zum 23. April - abreisen und Mecklenburg-Vorpommern verlassen. Die Regelungen traten am Montag, 19. April, in Kraft.

Stephan Goericke, hier am Strand, kippt Zweitwohnsitzverbot
Zweitwohnbesitzer Stephan Goericke klagte erfolgreich.     ©Viktoria Goericke                 

"Zweitwohnbesitz bedeutet ja nicht, dass man dort Urlaub macht und wie ein Tourist behandelt werden kann."

Stephan Goericke, Unternehmer und Kläger

 "In Mecklenburg-Vorpommern gibt es rund 60.000 Zweitwohnbesitzer, die mehr als 150 Tage im Jahr dort wohnen", sagte Stephan Goericke zu KOMMUNAL. "Es ist ihr zweites Zuhause. Sie lassen ihr Geld da, beauftragen Handwerker. Da kann doch was nicht stimmen, wenn jemand sagt: "Pack Deine Sachen und geh - schon gar nicht als jemand, der gegen Corona geimpft ist." Für ihn und seine Familie war da eine Grenze überschritten. Der Zweitwohnbesitzer beschloss: "Ich werde mich dagegen juristisch wehren."

Geimpfte Zweitwohnbesitzer nicht gleichbehandeln nicht Ungeimpften

Mit Erfolg: Was das Oberverwaltungsgericht aber entschieden hat, bringt aber nur Geimpfte und Genesene zurück an ihren Zweitwohnsitz. In der Erklärung zum Beschluss hießt es wörtlich: "Das Gericht hat in seinem Beschluss ausgeführt, dass § 5 Corona-LVO M-V gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Von dem bestehenden Einreiseverbot und Ausreisegebot des § 5 Corona-LVO M-V würden sowohl die Gruppe der vollständig Geimpften wie auch die Gruppe der nicht geimpften Personen erfasst und damit gleichbehandelt.  Dies stelle sich aufgrund des Umstandes, dass vollständig Geimpfte bei der Epidemiologie keine wesentliche Rolle mehr spielen würden, als willkürlich dar."

Und weiter: Es liege kein sachlicher Grund mehr vor, vollständig geimpfte Personen im Sinne der vom Robert Koch-Institut gemachten Vorgaben  bei der Einreise zu ihrer Zweitwohnung wie nichtgeimpfte Personen zu behandeln. Ob und inwieweit auch in Ansehung von anderen Gruppen ein Gleichheitsverstoß vorliegen könnte (zum Beispiel Genesene), werde der Verordnungsgeber bei einer Anpassung der Corona-LVO M-V zu prüfen haben.

Gericht kippt nicht gesamte Verordnung mit Verbot für Zweitwohnbesitzer

Es dürfen sich also nicht alle Zweitwohnbesitzer freuen. Was selbst in Justizkreisen für Überraschung sorgt: Das Gericht kippte nicht die gesamte, von der Landesregierung erlassene Verordnung. In der Begründung dafür heißt es: Dies würde letztlich zu einer Steigerung der Risiko– und Gefährdungslage für die Gesundheit, Leib und Leben einer unüberschaubaren Vielzahl von Menschen führen. Ein weiterer wichtiger Grund sei darin zu sehen, die laufende Impfkampagne nicht zu gefährden.  Hier geht es zur Entscheidung des OVG Greifswald!

Landesregierung beschießt neue Corona-Regeln

Die Landesregierung in Schwerin war  aufgefordert, rasch eine neue Corona-Regelung zu erlassen  - und das aus verfassungsrechtlichen Gründen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hatte angekündigt, die Verordnung zu ändern. An diesem Dienstag, 4. Mai, hat sich das Landes-Kabinett nun damit beschäftigt. Es beschloss eine Veränderung zugunsten Geimpfter und Genesener. Andere Zweitwohnbesitzer haben hingegen das Nachsehen. Auch dürfen nicht geimpfte Familienmitglieder nicht nach Mecklenburg-Vorpommern kommen, betonte Gesundheitsminister Harry Glawe. So bringen die Entscheidung des Gerichts und der Kabinettsbeschluss nur für einen kleinen Teil der Zweitwohnbesitzer den erhofften Erfolg. Immerhin sind bislang (Stand 4. Mai, Robert-Koch-Institut) lediglich 8,1 Prozent der Deutschen vollständig geimpft. Die Neuregelung zugunsten Geimpfter soll ab diesem Mittwoch, 5. Mai, gelten. Inzwischen hat das Landes-Kabinett beschlossen, dass auch Kinder von Geimpften und Genesenen einreisen dürfen, auch wenn sie keine Impfung haben. Das sind die Voraussetzungen dafür!

Schwesig: Kabinett berät Änderung für Zweitwohnbesitzer

Regierungschefin Schwesig verwies darauf, dass die Landesregierung zuletzt auch schon an anderer Stelle Erleichterungen für vollständig geimpfte Menschen ermöglicht habe. So gelte für diese Personengruppe keine Testpflicht mehr etwa für den Besuch von Friseuren, Pflegeheimen oder Baumärkten.

Der Bürgerbeauftragte Matthias Crone hatte die strengen Coronaregeln für Zweitwohnbesitzer scharf kritisiert. Gegenüber dem NDR sagte er, die Abschottungsmentalität der Landesregierung bereite ihm Sorge. "Wir müssen darauf achten, dass solche Sonderwege uns nicht zu Sonderlingen machen."  Er betonte auch: Wer stets Türen schließe, müsse sich auch überlegen, wie er sie eines Tages wieder öffnen könne.

Kommunen wie Binz stecken in der Zwickmühle

Auch für die Kommunen ist das Einreisverbot für Zweitwohnbesitzern eine schwierige Angelegenheit. "Erfahrungsgemäß hat jede Medaille immer zwei Seiten", sagte Steffi Michalski,  2. stellvertretende Bürgermeisterin und Ordnungsamtsleiterin von Binz,  nach der von der Landesregierung erlassenen Verordnung auf Anfrage zu KOMMUNAL. "Dies betrifft zum Beispiel in gesundheitlicher Hinsicht unsere Verantwortung  gegenüber der Bevölkerung. Die hohe Zahl von Infizierten als auch die teilweise recht heftigen Verläufe der Erkrankten sind unübersehbar. " Dafür, so betonte sie, brauche man keine Auswertung des Robert-Koch-Instituts. "Erfahrungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis sprechen da eine deutliche Sprache."  Letztendlich warteten alle darauf, dass die Infektionslage sich endlich entspannt. "Wir erhoffen uns viele gesunde Gäste. Der Ort soll wieder geprägt sein von Beherbergung, Gastronomie und Handel", so die Vize-Bürgermeisterin. 

Als örtliche Ordnungsbehörde, die per Gesetz die Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz zu überwachen und durchzusetzen hat und nicht in Frage zu stellen hat, wolle man sich mit einer Bewertung einzelner Maßnahmen zurückhalten. "In dieser ohnehin schwierigen Zeit, geprägt durch die unterschiedlichsten Meinungen und auch Stimmungsmache, erscheint es mir wichtig, nicht noch Öl ins Feuer zu gießen, Unruhe oder Verunsicherung zu verbreiten", sagte die Ordnungsamtsleiterin des Ostseebades.

Die bisherigen Corona-Regeln in Mecklenburg-Vorpommern sehen so aus.