Das Rathaus von Grünheide - Ausgangspunkt für ein Gerichtsurteil zum Thema "Freies Mandat" für Gemeindevertreter im Rathaus
Das Rathaus von Grünheide - Ausgangspunkt für ein Gerichtsurteil zum Thema "Freies Mandat" für Gemeindevertreter im Rathaus

Urteile widersprechen sich

Urteile: 3G für Gemeindevertreter im Rathaus ist offenbar rechtens

2 Juristen, 3 Meinungen. So ist es auch im Kommunalrecht immer mal wieder. Und so bleibt auch die Frage final ungeklärt, ob ein Bürgermeister einem Stadt- oder Gemeinderat den Zutritt zu einer Sitzung verweigern darf, wenn dieser nicht nach den 3 G Regeln geimpft, genesen oder frisch getestet ist. Es deutet aber vieles darauf hin, dass 3 G möglich ist. Die Urteile im Überblick!

AKTUALISIERUNG VOM 13. JANUAR 2022: 

DAS IM TEXT ZITIERTE URTEIL DES VG MINDEN AUS DEM SEPTEMBER 2021 IST INZWISCHEN VOM OVG MÜNSTER AUFGEHOBEN WORDEN. DAS WAR UNS ZUM ZEITPUNKT DES VERFASSENS DES ARTIKELS NICHT BEKANNT! 

AUCH DAS VG GELSENKIRCHEN HAT ZUDEM EIN URTEIL GEFASST, DAS DIE ANWENDUNG DER REGELUNGEN DER CORONASCHUTZVERORDNUNG AUCH AUF KOMMUNALPOLITIKER IN NRW BESTÄTIGT HAT! 

SEIT DEM 11. JANUAR GILT IN NRW LAUT CORONASCHUTZVERORDNUNG ZUDEM 3G AUCH FÜR GEMEINDERATSMITGLIEDER, ERGÄNZT UM DIE MÖGLICHKEIT, DASS AUCH EIN KONTROLLIERTER SELBSTTEST, VORGENOMMEN UNMITTELBAR VOR DER SITZUNG, ZULÄSSIG IST...

IM FOLGENDEN FINDEN SIE DEN TEXT OHNE DIESE NACHTRÄGLICHE KORREKTUR IM ORIGINAL: 

In den vergangenen Wochen hatten sich gleich mehrere Gemeindevertreter, aber auch zwei Bürgermeister an KOMMUNAL gewandt. Die Frage war immer die Gleiche:  "Kann ich als Gemeinderat mein Mandat noch frei ausüben oder muss ich mich der 3G-Regel unterwerfen". Und auf Seiten der Bürgermeister die immer gleiche Frage: "Darf ich zum Schutz der anderen Gemeindevertreter jemanden von der Sitzung ausschließen, der sich weigert, seinen Impf- oder Genesenen-Status offenzuegen und zusätzlich nicht zu einem Corona-Test bereit ist?"

Gemeindevertreter: 2 Gerichte mit unterschiedlichen Urteilen...wirklich widersprüchlich?  

Leider können wir Ihnen die Frage auch heute - 5 Wochen nach unserem letzten Beitrag zu diesem Thema mit diversen Aussagen von Juristen - nicht sicher beantworten. Doch zwei Urteile legen zumindest den Schluss nahe, unter welchen Voraussetzungen 3 G wohl erlaubt ist. Aber beginnen wir von vorne:

Kurz vor Weihnachten prasselten zwei weitere Urteile ein, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das jüngste Urteil stammt aus Brandenburg. Dort hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder über einen Fall einer Gemeindevertreterin in Grünheide zu entscheiden. Die Gemeinde mit ihren knapp 8000 Einwohnern ist seit einiger Zeit weltbekannt, weil dort E-Auto Bauer Tesla eine neue Gigafactory baut, die in wenigen Tagen ihre finale Genehmigung bekommen soll. Umso dringender sind dort im Moment Sitzungen des Gemeinderates, denn es gilt, im Eiltempo wichtige Entscheidungen zu treffen. Umso gereizter reagierte bei der vielen momentanen Arbeit ihr Bürgermeister Arne Christiani (seit 18 Jahren Bürgermeister in Grünheide), als eine Gemeindevertreterin sich weigerte, einen entsprechenden Corona-Nachweis zur Sitzung des Hauptausschusses am 2. Dezember mitzubringen. Die Notwendigkeit, dem Impfpass zu zeigen oder einen aktuellen Corona-Test vorzulegen, hatte er vorher allen Gemeinderatsmitgliedern schriftlich mitgeteilt und sie aufgefordert, diese zur Sitzung mitzubringen. 

Die Gemeinderätin sah das anders und pochte auf Ihr Recht auf die Teilnahme an allen Sitzungen der Gremien. Sie sei von den Bürgern gewählt und übe ihr Mandat entsprechend aus. Sie zog vor der Verwaltungsgericht in Frankfurt, wollte eine Eilentscheidung erreichen. 

Genau das hat das Gericht nun aber abgelehnt. Eine Eilentscheidung sei nicht notwendig, es könne im Hauptverfahren grundsätzlich entschieden werden. 

Die Urteilsbegründung zeigt jedoch schon deutlich auf, was wohl im Hauptverfahren zu erwarten ist. Wörtlich heißt es vom Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder: "Ein Mitglied der Gemeindevertretung kann im Falle eines groben Verstoßes gegen die Ordnung des Raumes verwiesen werden. Da ein kompletter Ausschluss eines Gemeindevertreters im Falle eines groben Verstoßes gegen die Ordnung gesetzlich möglich ist, kann erst Recht der Zugang zu einer Sitzung der Gemeindevertretung, respektive zu einer Sitzung des Hauptausschusses, beschränkt werden, wenn dies zur Wahrung der Ordnung erforderlich ist. Damit zitiert das Verwaltungsgericht ein Urteil des VG Bayreuth vom 13. September 2021 (B9E 21.1008, juris, RN 25, zu den vergleichbaren Vorschriften der bayerischen Gemeindeordnung)."

Weiter sagt das Verwaltungsgericht in Frankfurt/Oder: "Der Vorsitzende eines Ausschusses - (Anmerkung der Redaktion: Hier der Bürgermeister) - handhabt die Ordnung und übt das Hausrecht aus. Der Ausschussvorsitzende hat im Rahmen seiner Sitzungsleitung einen geordneten, insbesondere ungestörten Ablauf der Ausschussitzung sicherzustellen. Die Ordnungsmaßnahmen können daher gegen Zuhörer wie gegen Ausschussmitglieder gerichtet sein. Das einzelne Mitglied einer Gemeindevertretung hat laut Grundgesetz einen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Hieraus folgt, dass Mitglieder der Gemeindevertretung grundsätzlich während der Sitzungen von gesundheitsgefährdenden Einwirkungen zu verschonen sind".

Ganz anders die Rechtssprechung zum Thema Gemeindevertreter in NRW 

Das klingt - obwohl in der Hauptsache noch nicht entschieden - sehr eindeutig und deckt sich mit den Urteilen aus Bayern. Das Verwaltungsgericht in Minden sieht das jedoch anders. Dort hat das Gericht (AZ 2 L 595/21) geurteilt, dass eine städtische Coronaschutzverordnung zur Handhabung der 3 G Regeln in kommunalen Gremien nicht ausreichend ist, um ein Mitglied, das weder gegen Corona geimpft noch nachweislich genesen oder getestet ist, von Ratssitzungen auszuschließen. Eine solche Regelung greife in das freie Mandat des Ratsmitglieds ein und sei unrechtsmäßig. 

Auch hier ging dem Urteil eine Auseinandersetzung zwischen dem Bürgermeister und einem Ratsmitglied voraus. Er hatte sich geweigert, sich testen zu lassen oder einen Impfnachweis vorzulegen. Laut dem Urteil ist die Stadt nicht ermächtigt, eine Regelung zu erlassen, die derart in das Recht von Kommunalpolitikern auf freie Mandatsausübung eingreift. Eine solche Bestimmung könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur der Parlamentsgesetzgeber, im vorliegenden Fall also Landtag von Nordrhein-Westfalen, erlassen. 

Und exakt hier liegt der Unterschied - der Fall in NRW bezieht sich auf eine Auseinandersetzung im September. Zu diesem Zeitpunkt gab es vom Landtag noch kein entsprechendes Gesetz in NRW. Im jüngsten Fall in Brandenburg ist das aber der Fall. UND: Schon damals sagte das Gericht, ähnlich wie in Brandenburg, dass der Bürgermeister die Anordnung einer entsprechenden Nachweispflicht fordern könne, um die Teilnehmer vor einer Ansteckung zu schützen. Nur dürfe das Ratsmitglied nicht auf den Kosten für den Test (zum damaligen Zeitpunkt waren die Bürgertests nicht kostenfrei) sitzenbleiben. Auf diese Möglichkeit des kostenloses Tests hat nun auch das Verwaltungsgericht in Frankfurt/Oder noch einmal hingewiesen. 

Inzwischen hat in NRW der Landtag eine neue Regelung erlassen. Danach dürfen solche Personen an den Sitzungen teilnehmen, müssen sich platzmäßig jedoch von den übrigen Mandatsträgern absondern. „Personen, die ihr individuelles Schutzinteresse höher als das der Allgemeinheit bewerten“, seien so zu platzieren, „dass von ihnen keine gesundheitliche Gefahr für die Allgemeinheit“ ausgehe, heißt es im Zusammenhang mit der Übergangsregelung.

Brandenburg hat dafür in einer Regelung zudem die Möglichkeit für "Hybride Ratssitzungen" geschaffen. In dem Bundesland ist es inzwischen grundsätzlich möglich, per Video von daheim an Sitzungen der Gremien teilzunehmen. Voraussetzung ist aber, dass die jeweilige Kommune die Landesregelung in ihre jeweilige Satzung übernommen hat. Das haben bisher vergleichsweise wenige Städte und Gemeinden getan. In einem solchen Fall - bei der Möglichkeit der Online-Teilnahme - wird niemandem der Zugang verwehrt. Im Notfall müsste die Kommune dafür sorgen, dass die betreffende Person Zugang zu einem internetfähigen Gerät bekommt.