Bürgemeister gelingt Mega-Coup
Tesla-Ansiedlung: Schweigen für den Investor
Grünheide, malerisch gelegen, zwischen Wald und der Löcknitz, einem Nebenfluss der Spree, einst ein Ort der Sommerfrische für die Einwohner der deutschen Hauptstadt. Und bald ein Zentrum der Elektromobilität: Denn der amerikanische Autobauer Tesla will in Grünheide eine Gigafactory errichten. Im Ort wusste davon bis vor kurzen kaum jemand. „Ich konnte, wollte und durfte darüber nicht reden“, sagt Grünheides Bürgermeister Arne Christiani. Europaweit habe es über 300 Bewerber für den Standort gegeben – und es seien Bewerber gescheitert, weil der Name ihres Ortes plötzlich öffentlich wurde. „Und da ist der Investor ganz knallhart gewesen und hat gesagt: Ihr seid raus.“ Nicht einmal den eigenen Gemeinderat durfte Christiani über die Pläne informieren. „Wer bei der letzten Wahl auf meiner Seite war, hat dafür bislang Verständnis gezeigt – die andere Seite allerdings eher nicht“, sagt der Bürgermeister. „Aber es ging nun einmal nicht anders.“ Seit dem Jahr 2003 ist Arne Christiani Bürgermeister von Grünheide. Schon zu DDR-Zeiten war er im Altkreis Fürstenwalde für Jugend und Sport zuständig. Später war er für das Amt Grünheide tätig, insgesamt ist er nun über 27 Jahre in Grünheide.
„Eine Kommune alleine kann so etwas nicht“
Was er anderen Bürgermeistern rät, die es mit einem größeren Investor zu tun bekommen? „Eine Kommune alleine kann so etwas nicht“, sagt Christiani. Grünheide hat da durchaus Erfahrungen: 2001 hatte man sich um eine Ansiedlung von BMW auf dem Gelände bemüht, auf dem nun Tesla bauen will. Doch das Unternehmen ging nach Leipzig. Das habe ihm gezeigt, dass so ein großes Vorhaben an höchster Stelle im Land angesiedelt sein muss, sagt Christiani. „Der Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister müssen dahinter stehen, und sie müssen alle Ressorts in ihrem Kabinett dahin bringen, dass es einheitlich gewollt ist, ebenso der Landkreis und die Kommune“, sagte Christiani. „Und nur, wenn alle sagen, „ja wir wollen es“, dann scheitert es nicht an der Bürokratie.“ Weswegen eine Kommune aus seiner Sicht stets einen guten Draht zur Kreis- und Landesebene haben sollte. „Ich bin kein großer Freund von Rechtsstreitigkeiten zwischen den einzelnen Ebenen“, sagt Christiani.
Ohne das Ehrenamt kann eine Gemeinde nicht leben
Dass BMW sich 2001 nicht in Grünheide angesiedelt habe, habe auch an den weichen Standortfaktoren gelegen: Schulen, Sportangebote, Gastronomie. „Da waren wir damals nicht gut aufgestellt – seitdem haben wir viel Geld investiert, um da Fortschritte zu machen.“ Heute gebe es in der Gemeinde sowohl staatliche als auch private Schulen, ein lokales Bündnis für Familie, gute Sport- und Kulturangebote. „Wir haben in allen Ortsteilen Jugendclubs, eigene Freiwillige Feuerwehren und im Haushalt der Gemeinde sechs Stellen, die sich nur mit Kinder-, Jugend-, Tourismus und Freizeitangeboten beschäftigen.“ Und im Ortsteil Kienbaum hat sich die Sportschule der Bundespolizei angesiedelt. Denn in Grünheide geht es nicht nur um Tesla. Am ersten Dezemberwochenende beispielsweise bedankt sich die Gemeinde Jahr für Jahr bei rund 300 Menschen, die ehrenamtlich in der Gemeinde tätig sind, für ihr Engagement des letzten Jahres. „Ohne dieses Engagement kann eine Gemeinde nicht leben“, sagt Christiani.
Was sich durch die Ansiedlung von Tesla in Grünheide verbessern könnte
Engagement zeigt die Gemeinde auch für ältere Mitbürger. Zum Beispiel mit dem „Grünheide Bus“. Denn der Ort besteht aus insgesamt sechs Ortsteilen – wer einmal durch alle von ihnen fahren will, legt eine Strecke von 56 Kilometern zurück. „Das ist eine Strecke, die nicht unbedingt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu absolvieren ist“, sagt Christiani. Deswegen hat sich die Gemeinde mit den Johannitern zusammengetan: Sie betreiben einen Kleinbus, den jeder rufen kann, der zum Einkaufen oder zum Arzt gefahren werden möchte. Die Kosten teilen sich die Kommune, der Ort und der Fahrgast. „Ich hoffe aber, dass wir durch die Tesla-Ansiedlung auch im Bereich des ÖPNV größere Fortschritte machen können.“ Und auch das Thema preiswertes Wohnen bewegt den Bürgermeister der Berliner Umlandgemeinde: Die Gemeinde besitzt rund 300 kommunale Wohnungen. „Dass eine Kommune Wohnungen besitzt und damit die Mietpreise bestimmen kann, gehört für mich zur Daseinsvorsorge dazu“, sagt Christiani. Im Zusammenhang mit der Tesla-Ansiedlung werde man neu bauen müssen – sofern das Land Brandenburg der Gemeinde Grünheide nun gestattet, auch jenseits des Brandenburger Landesentwicklungsplans Bauland auszuweisen.
Was macht einen guten Bürgermeister aus?
Wie sich Arne Christiani einen guten Bürgermeister vorstellt? „Ein guter Bürgermeister sollte, egal, wie lange er im Amt ist, immer noch versuchen, das Ohr an der Masse zu haben“, sagt Christiani. „Und wenn er es nicht selber mitbekommt, sollte er wenigstens auf gute Berater und Menschen hören, die ihm sagen, wie die Bevölkerung denkt.“ Es gehe darum, die Bodenständigkeit zu behalten, auch als Bürgermeister. Selbst wenn plötzlich ein großer Investor, wie Tesla, vor der Tür steht.