Gigafactory in kleinem Dorf
Wie sich Grünheide durch Tesla verändert
Ulrich Kohlmann saß vor seinem Fernseher, als Tesla-Chef Elon Musk verkündete, dass die nächste Produktionsstätte des Unternehmens östlich von Berlin entstehen soll. „Ich war ziemlich überrascht“, erklärt der Gemeindevertreter. Denn bis zu dem Zeitpunkt wussten Kohlmann und andere Kommunalpolitiker nichts von den Plänen, weil das Land Brandenburg die Verhandlungen mit Tesla im Geheimen geführt hat. Kohlmann, der mit seiner Familie in Grünheide lebt, freut sich darüber, dass E-Auto-Pionier Elon Musk ausgerechnet seine Gemeinde ausgewählt hat. Dennoch macht er sich auch Sorgen. „Auf uns kommen Aufgaben zu, die wir so noch nie hatten.“ Hinzu kommt Musks enger Zeitplan: Im Frühjahr 2020 soll es mit dem ersten Spatenstich losgehen und 2021 sollen bereits die ersten E-Autos vom Band laufen. Da bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen und neue Mitarbeiter nach Grünheide ziehen könnten, muss die Gemeinde schnellstmöglich ihre Infrastruktur anpassen: „Der ÖPNV ist hier sehr dünn bestellt. Das muss sich natürlich ändern. Zudem brauchen wir eine neue Kita, eine neue Schule, mehr Gesundheits- und Einkaufsangebote, also eigentlich die komplette Bandbreite bis hin zur Gefahrenabwehr“, zählt Kohlmann die Aufgaben auf und aus seinem Mund hört sich die To-do-Liste endlos lang an.
Mit Teslas Gigafactory müssen sich natürlich einige Dinge ändern
Doch nicht nur Grünheide muss neue Lösungen finden, sondern auch die umliegenden Kommunen wie Erkner. Ihre Einwohner könnten zum Arbeiten nach Grünheide pendeln oder Teslas Mitarbeiter zu ihnen ziehen. Allerdings ächzen Regionen wie Erkner bereits heute unter vielfältigen Problemen. So sind in der brandenburgischen Kleinstadt die Straßen vollgestopft und die Staus sehr lang. Wird sich das Problem durch die geplante Ansiedelung verstärken? Und machen sich die Kommunalpolitiker hier ebenfalls Sorgen? „Nein, wir sehen die geplante Ansiedelung als riesengroße Chance. Denn die Probleme, die entstehen könnten, haben wir auch heute schon", meint der Bürgermeister von Erkner, Henryk Pilz. Und schränkt ein: "Vielleicht nicht in der Größenordnung, aber wir haben sie. Jetzt, mit der geplanten Gigafactory, werden wir aber endlich mal ernst genommen auf Landes- und Bundesebene. Und die Probleme landen nicht nur bei irgendeinem Sachbearbeiter, sondern direkt bei den Chefs“, so Pilz. Davor, so erzählt er, habe es jahrelang nicht geklappt, so viele Entscheidungsträger in so kurzer Zeit an einen Tisch zu bekommen. In seiner Stadt will er nun das drängendste Problem anpacken. Nämlich den Verkehr. Da Erkner der direkte Zubringer nach Berlin ist und innerstädtisch zwei Landstraßen in eine münden, geht er davon aus, dass hier noch weitere Straßen gebaut werden müssen, damit das erhöhte Verkehrsaufkommen abgefedert werden kann. Zudem will er, dass die Regionalbahn die Taktung von einmal pro Stunde auf alle zwanzig Minuten erhöht.
„Weil der Bau von neuen Straßen und Autobahnen sehr lange dauert, würde ich etwas pragmatischer an die Sache herangehen und von Erkner Shuttles anbieten, die morgens und abends zum Tesla-Werk fahren und so den Verkehr entlasten“ schlägt Renée Tribble, Gast-Professorin für Stadtentwicklungsplanung und Stadtmanagement von der Uni Kassel vor. Außerdem könnten zukünftig auch Fahrradwege eine Lösung sein: „Das Fahrrad ist nicht nur besser fürs Klima, sondern entlastet auch den Individualverkehr und macht die Gemeinde darüber hinaus auch touristisch sehr interessant, wenn die Wege auch die Anbindung an die umliegenden Seen verbessern.“
Zurück zu Bürgermeister Henryk Pilz: Obwohl er hofft, dass sich die Stadt durch die geplante Gigafactory positiv verändern wird, stellt er sich auch einige Fragen: „Die hier ansässigen Firmen leiden bereits heute unter einem großen Fachkräftemangel. Wird sich dieser durch Tesla verstärken? Und wo kommen die Fachkräfte her, etwa aus Polen? Und wie werden sich die Pendlerströme verändern? Das sind Fragen, die wir uns heute stellen, aber erst beantworten können, wenn es mit der Produktion losgeht.“ Doch Pilz weiß, dass er bei all der Planung nicht nur an die neuen Bürger, sondern auch an die bestehenden Einwohner denken muss. „Mit ihrer Meinung steht und fällt das Projekt. Deshalb laden wir zu Bürgerversammlungen und Infoveranstaltungen ein und informieren regelmäßig die Presse über weitere Fortschritte. Außerdem nutzen wir auch Facebook für die Kommunikation“, erklärt er.
Das Projekt "Tesla in Grünheide" - kann es funktionieren?!
Zustimmung für das Vorgehen kommt von Daniel Dettling, einem promovierten Verwaltungswissenschaftler vom Zukunftsinstitut in Berlin: „Dort, wo Bürger eingebunden werden, werden auch Projekte besser umgesetzt. Lässt man die Bürger jedoch außen vor, folgen häufig Klagewellen und die Projekte ziehen sich in die Länge. Die Einbindung der Akteure vor Ort ist der wichtigste Erfolgsfaktor!“ Damit Grünheide den engen Zeitplan einhält, setzt der Zukunftsforscher vor allem auf Public Private Partnerships: „Wenn es um Schnelligkeit geht, ist der Staat schnell überfordert, weshalb es hier private Unternehmen braucht. Es geht um eine Win-Win-Situation.“ Aus seiner Sicht könnten Wohngenossenschaften schnell und agil neuen Wohnraum schaffen. „Für Unternehmen wie Bosch und Daimler wurden im Zuge der letzten Industrialisierung auch in kürzester Zeit Werkssiedlungen gebaut. Wieso sollte das nicht auch heute für Tesla funktionieren?“
Grünheide als ländlicher Raum - das ist der Pluspunkt hier!
Selbst Kitas können innerhalb einiger Monate von privaten Anbietern gebaut werden. Doch damit die Menschen nicht nur für die Arbeit nach Grünheide pendeln, sondern mit ihrer Familie dorthin ziehen, setzt Dettling vor allem auf besondere Kita- und Schulkonzepte: „Wichtig ist, dass hier nicht einfach die nächstbeste Kita oder Schule gebaut wird, sondern dass sich die Einrichtungen von anderen unterscheiden und ein besonderes Angebot an Kultur-, Sport-, Musik- oder Aktivitäten beispielsweise im Wald anbieten.“ Und auch ein großes Angebot an Vereinen ist entscheidend dafür, ob sich Menschen als Teil der Gemeinschaft und damit heimisch fühlen: „Und genau hier kann der ländliche Raum gegenüber Großstädten enorm punkten“, weiß Dettling. Die Engagementquote sei hier viel höher, auch weil soziale Netzwerke besser funktionieren.
"Wo Bürger eingebunden werden, werden auch Projekte besser umgesetzt. Lässt man sie jedoch außen vor, ziehen sich die Projekte in die Länge.“
Daniel Dettling
Und Renée Tribble ergänzt: „Ausschlaggebend für den Wohnort einer Familie ist auch, dass der Partner vor Ort eine Arbeit findet.“ Die Region rund um Grünheide hat für sie enormes Potenzial. Zum einen, weil die grüne Natur zur Erholung einlädt und zum anderen durch die Nähe zu Berlin und Dresden. Anderen kleinen Gemeinden, die in einer ähnlichen Situation wie Grünheide sind, will sie aber noch eines mit auf den Weg geben: „Liebe Kommunen, tut euch zusammen und stellt auch Forderungen an den Investor. Denn schließlich kann sich dieser genauso am Ausbau der Infrastruktur beteiligen!“
die Pläne und laden Sie regelmäßig zu Bürgerversammlungen ein
kommunen zusammen
Lösungen zu finden
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angebote wie Shuttles, die von der Nachbarkommune zum Arbeitgeber fahren