Tesla Gigafactory in Grünheide
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Tesla Gigafactory in Grünheide: Probleme in der Gemeinde

Es ist die Nachricht der Woche: Im brandenburgischen Grünheide soll die nächste Tesla-Gigafactory entstehen. Das gab der Chef des US-Elektroauto-Herstellers vor einigen Tagen bekannt. Rund 7.000 Arbeitsplätze könnten mit der Fabrik entstehen – eine gute Nachricht für die knapp 8.000 Einwohnergemeinde, oder? KOMMUNAL hat bei Ulrich Kohlmann, einem Gemeindevertreter vom Bürgerbündnis nachgefragt.

KOMMUNAL: Seit einer Woche spricht ganz Deutschland von Grünheide. Hier, südöstlich von Berlin soll die nächste Tesla-Gigafactory entstehen. Wie haben Sie persönlich davon erfahren?

Ulrich Kohlmann: Ich habe wie andere Gemeindevertreter aus dem Fernsehen davon erfahren, dass Tesla eine Fabrik in Brandenburg bauen will. Ich war ziemlich überrascht, weil wir vorher, auch auf Nachfrage nichts, vom Bürgermeister erfahren haben.

KOMMUNAL: Haben Sie sich überrumpelt gefühlt?

Naja, sagen wir es mal so: Es ist ein völlig ungewöhnliches Verfahren. Als Gemeinde haben wir die Planungshoheit und das Land hat die Ansiedlung  geheim verhandelt.

KOMMUNAL: Was hätte es geändert, wenn die Gemeindevertreter, früher von der Planung erfahren hätten?

Wir hätten Zeit gehabt, um uns vorzubereiten.  Denn auf uns kommen Aufgaben zu, die wir so noch nie zuvor hatten. Wenn hier neue Arbeitskräfte herziehen oder täglich pendeln, müssen wir auf jeden Fall den Öffentlichen Nahverkehr anpassen. Wir haben hier lediglich eine Bahn, die einmal in der Stunde kommt und ein paar Buslinien, die eigentlich nur im Schülerverkehr ordentlich fahren. Ansonsten ist der ÖPNV hier äußerst dünn bestellt. Und das muss sich natürlich ändern. Aber soweit ich weiß, ist in diesem Bereich noch nichts geplant, geschweige denn wurde mit der Deutschen Bahn gesprochen.

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KOMMUNAL: Und wie sieht es mit dem Individualverkehr in Grünheide aus?

Wir haben schon jetzt viele Staus. Auch in den Nachbargemeinden wie Erkner gibt es Probleme mit dem Durchgangsverkehr und das auch außerhalb der Rushhour. Das heißt, wir müssen sehr eng mit den umliegenden Gemeinden zusammenarbeiten, damit der Verkehr in Zukunft optimal fließt.

KOMMUNAL: Welche Aufgaben kommen noch auf Grünheide zu?

Wir brauchen eine neue Kita, eine neue Schule, mehr Gesundheits- und Einkaufsangebote und definitiv besseres Internet. Also eigentlich brauchen wir alles, was Sie sich vorstellen können. Wir brauchen eine komplette Bandbreite bis hin zur Gefahrenabwehr. Und vor allem brauchen wir einen Ort, an dem sich Menschen treffen können. Aber erst einmal sollten wir uns um den Verkehr kümmern, danach kommt die Daseinsvorsorge.  

KOMMUNAL: Sie haben gesagt, dass Sie mehr Einkaufsangebote brauchen. Glauben Sie, dass Sie bei den großen Ketten, wie Edeka und Kaufland kräftig in der Werbetrommel rühren müssen oder werden viele Einzelhändler und Supermärkte von sich aus nach Grünheide wollen?

Das weiß ich nicht. Wir haben keine Kontakte und wir haben auch keine Erfahrung damit, weil wir uns noch nie als Gemeindevertretung mit solchen Themen befassen mussten.

KOMMUNAL: Das klingt, als hätte Grünheide selbst noch keinen Plan. Wie ist denn die Stimmung vor Ort? Freuen Sie sich denn überhaupt über die Gigafactory?

Natürlich. Für unsere Gemeinde ist das eine große Chance. Aber die Freude darüber weicht gerade einer großen Skepsis, ob das alles so funktioniert und vor allem: Wie es funktioniert. So haben wir beispielsweise den Wirtschaftsminister von Brandenburg gefragt, wie es mit der Gewerbesteuer aussieht und seine Antwort war, dass es keinen Hinweis gebe, dass die Gewerbesteuer nicht nach Grünheide fließt. Aber die Fabrik müsse eine eigene GmbH sein. Das müsse er noch klären. Damit machen wir uns natürlich Sorgen, dass wir die ganzen Lasten tragen, aber keine Gewerbesteuer einnehmen.

KOMMUNAL: Grünheide kann ja zumindest auf die Einkommenssteuer hoffen, wenn die neuen Arbeitskräfte nach Grünheide ziehen. Wie sieht es denn eigentlich mit Wohnungen und Häusern aus? Müssen nicht schnellstmöglich Bauflächen ausgewiesen werden?

Es ist davon auszugehen, dass sich die Grundstückspreise verdoppeln werden. Hinzu kommt, dass wir ein Erholungsgebiet sind, das von Wald und Seen umgeben ist. Es wird schwer, neue Flächen in der Größenordnung zu finden. Wir haben zwar noch ein paar Reserven im Innenbereich, aber wir wissen nicht, ob sie ausreichen.

KOMMUNAL: Was braucht denn die Gemeinde, damit alles nach Plan funktioniert?

Ganz klar: Das Land Brandenburg muss den Ausbau der technischen Infrastruktur und der Daseinsvorsorge finanzieren, unser Haushalt gibt dies nicht her. Ansonsten brechen wir zusammen. Aber es müssen auch Umweltaspekte geklärt werden, die noch Fragen aufwerfen.

KOMMUNAL: Inwiefern?

Für die Tesla Gigafactory sollen 300 Hektar Wald entfernt werden und bislang wurden Naturschutzverbände und Bürger noch nicht involviert. So hat der Naturschutzbund (NABU) bereits mitgeteilt, dass der zugrundeliegende Bebauungsplan fast 20 Jahre alt ist und unklar ist, ob sich seitdem die Rahmenbedingungen so verändert haben, dass natur- und artenschutzrechtliche Belange ausreichend berücksichtigt worden sind. Der NABU fordert jetzt eine Beteiligung.

KOMMUNAL: Das klingt nach vielen offenen Fragen, die Sie nach und nach beantworten müssen. Wie wollen Sie das alles angehen?

Schritt für Schritt. Und das bedeutet, dass ein Team zu bilden wäre aus Verwaltung, Gemeindevertretung, Ortsbeiräten und externem Sachverstand. Wir brauchen definitiv Unterstützung in der Planung. Denn eines ist klar: Die Tesla Gigafactory wird ein Gemeinschaftsprojekt, dass wir nur dann bestmöglich umsetzen können, wenn wir innerhalb der Gemeinde alle an einem Strang ziehen und wenn sich das Land für uns einsetzt und uns nicht hängen lässt.

 

Auch von Njema Drammeh