KI-Assistenten im Schwimmbad
Smarte Unterstützung am Beckenrand
Am Montagmorgen ist das SILVANA Sport- und Freizeitbad in Schweinfurt für Schulen und Vereine reserviert. Kurz nach acht ploppen die ersten blauen Punkte auf dem Bildschirm von Tobias Steinmetz, Mitarbeiter der Stadtwerke Schweinfurt GmbH, auf. Sie bewegen sich innerhalb der virtuellen Konturen des Schwimmerbeckens. Die blauen Punkte sind Schülerinnen und Schüler, die den Sportunterricht im Schwimmbad absolvieren. Das Programm auf Steinmetz‘ Computer gehört zum neuen KI-Assistenzsystem SharKI, das die Aufsichtskräfte seit April dieses Jahres in dem Bad mit Innen- und Außenbecken unterstützt.
Die Bilder von Steinmetz‘ PC sehen die Schwimmmeisterinnen und Schwimmmeister auf ihren Smartwatches. Auf diesen Uhren können sie mit einem Wisch nach links die unterschiedlichen Becken betrachten. Ist ein Badegast in Not, leuchtet der Punkt rot, die Uhr vibriert und gibt ein lautes Piepen von sich.
KI-Assistenten für mehr Sicherheit im Schwimmbad
„Wir haben insbesondere im letzten Jahr ein verstärktes Eingreifen unserer Aufsichten wahrgenommen“, sagt Steinmetz. Damit meint er: Es kam vermehrt zu Notfällen, die einen Rettungseinsatz erforderten. „Es ist statistisch belegt, dass immer mehr Jugendliche und auch Erwachsene schlecht oder gar nicht schwimmen können“, ergänzt er. Mit den Schichtführern des Schwimmbads überlegte er, was sie dagegen tun wollen. Neben Schwimmkursangeboten sind Assistenzsysteme für die Becken-Aufsichten im Gespräch – auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in der Bäderbranche.
Speziell in der Sommersaison habe die Stammmannschaft permanent damit zu kämpfen, den Betrieb aufrechtzuerhalten. „Denn sobald jemand krank ist, müssen wir schon Becken schließen“, so Steinmetz. Mit Blick auf die KI-Assistenz wünscht er sich von der Politik, dass mit einer Zertifizierung des Systems die Aufsicht mit einem geringeren Personalaufwand für einen sicheren Betrieb anerkannt wird.
KI-Assistenten analysieren Bewegungsabläufe
„Mit dem KI-Assistenzsystem haben wir 18 Augen mehr an den Beckenrändern“, berichtet der Mitarbeiter der Stadtwerke Schweinfurt. Mit den 18 Augen sind die Deckenkameras gemeint, die das Geschehen in den Becken anonymisiert aufnehmen. Das System verarbeite keine Bilder. Stattdessen wandele es die Aufnahmen der Kameras in eine Art Strichmännchen um. „Die KI schaut insbesondere auf die Knie- und Ellenbogengelenke sowie den gesamten Bewegungsablauf der Strichmännchen – und vergleicht diese mit typischen Schwimmbewegungen“, erklärt Steinmetz.
Dabei gibt es drei Stufen der Alarmierung: Die blaue Kategorie signalisiert lediglich die Schwimmerinnen und Schwimmer im Becken. Leuchtet ein Punkt gelb auf der Smartwatch der Aufsichtskräfte, hat das System eine Auffälligkeit erkannt. Das könne ein Kind sein, das gerade erst schwimmen lernt und immer mal wieder an seine Grenzen stößt. Ein roter Punkt bedeutet ernsthafte Gefahr. „Wenn die KI anschlägt und einen roten Alarm meldet, hat sie atypische Schwimmbewegungen oder gar schon Regungslosigkeit erkannt“, sagt Steinmetz. Er erinnert sich an einen Alarm, der aufgrund von Ruderbewegungen eines Badegastes angeschlagen hatte – die Person hatte einen Krampf und konnte schnell aus dem Becken geholt werden.
Wie die KI-Assistenz lernt
Damit das System lernt, gibt die Beckenaufsicht nach jedem Alarm ein Feedback: grüner Daumen heißt, der Alarm war gerechtfertigt; roter Daumen signalisiert einen Fehlalarm. Bevor das System in Betrieb ging, fütterten es die Stadtwerke mit typischen Schwimmbewegungen. Steinmetz spricht von einer „Anlernphase“ Anfang des Jahres. Der Dienstleister habe außerdem die Wasserflächen konfiguriert und die Treppen, Ein- und Ausstiegspunkte sowie die Sprungbretter im System hinterlegt, sodass es an diesen Punkten nicht zu Fehlalarmen kommt. Danach gab es noch eine Art „Kalibrierungs-Tauchgänge“, bei denen ein Mitarbeiter mit einer Taucherflasche im Becken an verschiedenen Punkten diverse Bewegungsabläufe wiederholt hat. Das Ziel: alle Kameras entsprechend der Becken auszurichten. Bereits in der zweiten Woche nach der Anlernphase ging es in den Testbetrieb.
Dazu gehörte auch, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ins Boot zu holen: Der Dienstleister führte eine Schulung zur Theorie und Praxis im Backend durch, erklärte die Funktionsweise der Smartwatches. „Was die Technologie angeht, gab es keine Skepsis von den Mitarbeitenden“, sagt Steinmetz. Nach der vierten Woche der Einführung sei das System stabil gelaufen, sodass es primär positives Feedback von der Beckenaufsicht gab. „Sie erkennen, dass uns das System wirklich ein Stück weit mehr an Sicherheit bei der täglichen Arbeit bringt“, weiß Steinmetz.
Pilotversuch im Außenbereich
Sechs Uhren sind im Einsatz, dazu kommen die Kameras und die Künstliche Intelligenz. "Wir haben einen knappen sechsstelligen Betrag investiert“, berichtet er. SharKI ist ein sogenanntes Software-as-a-Service-System. Das heißt: Die Betriebs- und Wartungskosten der kommenden Jahre sind inkludiert.
Im Moment funktioniert das nur im Innenbereich. „Wir sind aber gerade dabei, auch das erste Außenbecken zu erschließen“, so Steinmetz. Der erste Pilotversuch läuft mit einem kleinen Außenbecken und einem vorhandenen Mast als Kamerastandort. Das Assistenzsystem auf die großen Freibadbecken auszurollen, sei der nächste Schritt. Hier müssten zunächst Masten für die Kameras installiert werden.
Aufklärungsarbeit und Datenschutz
Und was sagen die Badegäste? Fühlen sie sich nicht beobachtet von den 18 Kameraaugen? „Wir arbeiten sehr eng mit der bayerischen Landesdatenschutzbehörde zusammen“, so Steinmetz. Aufgrund der anonymisierten Kameraaufnahmen sei die Privatsphäre der Badegäste geschützt. Er und sein Team setzen auf Aufklärungsarbeit in puncto Datenschutz. In einer Einführungswoche und bei weiteren Aktionen konnten die Badegäste auf einem Live-Bildschirm sehen, wie die Daten verarbeitet werden – und, dass die Menschen in den Becken nicht erkennbar sind.