Bürgermeister Peter Kirchner am Schreibtisch
Liebt seine Heimat und möchte mehr Freiheiten: Ehrenbergs Bürgermeister Peter Kirchner.
© Benjamin Lassiwe

Bürgermeister:

Kommunen zu stark ferngesteuert

Kommunen werden viel zu stark ferngesteuert. „Als demokratische Keimzelle könnten wir das vor Ort viel besser“, sagt Peter Kirchner, der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Ehrenberg in der Rhön. Die Kommune gehört zum „Sternenpark Rhön“.

„Wir sind hier das Herz der Rhön“, sagt Peter Kirchner. Der Bürgermeister von Ehrenberg am Fuß der Wasserkuppe, des höchsten Bergs in Hessen, begrüßt den Besucher in einem hübschen alten Fachwerk-Rathaus in der Mitte des Ortsteils Wüstensachsen. 2.600 Menschen leben hier, mitten im Dreiländereck von Hessen, Bayern und Thüringen.

Kommune im Sternenpark Rhön

Fünf kleine Dörfer im Ulstertal gehören zur Gemeinde – und wer hier abends vor die Tür geht, kann am Himmel die Milchstraße sehen. Denn die Gemeinde Ehrenberg gehört zum „Sternenpark Rhön“: Zusammen mit den Nachbarkommunen hat man sich darauf verpflichtet, auf übermäßige Beleuchtungen zu verzichten, „um das natürliche Phänomen des nächtlichen Sternenhimmels zu schützen.“

Ehrenberg setzt auf den Tourismus

„Der Tourismus ist ein zentrales Standbein für uns“, sagt Kirchner. Insgesamt 40.000 Übernachtungen pro Jahr verzeichnet die Gemeinde. „Das sichert am Ende unsere Infrastruktur“, sagt Kirchner. Der Lebensmittelladen, die Tankstelle, die Apotheke: In Ehrenberg gibt es das alles nur einmal. Aber es gibt diese Geschäfte noch. „Hätten wir die Gäste nicht, würde sich das alles nicht mehr tragen“, sagt Kirchner. Was den Bürgermeister auch zu einem grundlegenden Thema seiner Gemeinde führt: Die finanzielle und infrastrukturelle Ausstattung des ländlichen Raums. „Das ist in den letzten Jahren besser geworden“, sagt Kirchner.

Förder-Dschungel lichten

Aber immer öfter seien es spezielle Förderprogramme, über die die Mittel in den ländlichen Raum flössen. „Als ganz kleine Gemeinde, als ganz kleine Verwaltung, stellen wir fest, dass wir diesen Förderdschungel gar nicht richtig durchsteigen können“, sagt Kirchner. Die Förderprogramme seien oft viel zu differenziert, die Anträge zu kompliziert. „Wir haben im Rathaus auch gar nicht die Manpower, um diese sehr komplexen und sehr bürokratischen Programme bedienen zu können“, sagt der Bürgermeister. „Mir wäre es lieber, wenn die finanzielle Grundausstattung höher wäre und wir über die Jahre die Mittel hätten, um fest planbar unsere eigene Zukunft in die Hand zu nehmen.“

Denn jedes Förderprogramm diene auch ein bisschen der Fernsteuerung der Kommunen von der Landes-, Bundes- oder Europaebene, sagt Kirchner. „Ich würde mir wünschen, dass Bund und Land etwas auf diese Fernsteuerung verzichten.“ Denn die Kommunen könnten als demokratische Keimzellen vor Ort die eigene Zukunft auch selbst gestalten.

Wüstensachsen /Ehrenberg
Wüstensachsen  gehört zur Gemeinde Ehrenberg.



Dabei ist sich Kirchner durchaus der Risiken einer kleinen Gemeinde bewusst. „Wenn hier der Kämmerer krank wird, kann es sein, dass ich keine Vertretung hinbekomme und hier die Räder stillstehen“, sagt Kirchner. Mit den Nachbarkommunen habe man eine Verwaltungsgemeinschaft vereinbart. So werden etwa die Aufgaben des Standesamts nun gemeinsam geregelt. „Den Bürgern ist klar, dass wir zusammenarbeiten müssen“, sagt Kirchner. „Gleichzeitig wollen wir aber weiter den größtmöglichen Service an jedem Ort bieten.“

Denn am Ende überwiegen aus Sicht Kirchners vor allem die Vorteile des Dorflebens: Schon als Jugendlicher engagierte er sich für seine Gemeinde, schuf mit einigen anderen einen Jugendraum in seinem Heimatdorf. „Das war für mich damals der Auslöser“, sagt Kirchner. „Ich habe gemerkt: Wenn man selbst aktiv ist, kann man etwas bewegen – das ist das, was für mich das Dorfleben ausmacht.“

Das Leben auf dem Land

Das gemeinsame Anpacken, das gemeinsame Durchführen von Projekten böte ein Gefühl von Freiheit, das eigene Lebensumfeld mitgestalten zu können. „Das ist das, was für mich das Leben auf dem Lande ausmacht.“ Und weil Kirchner, der von Hause aus Lehrer für katholischen Religionsunterricht, Politik und Wirtschaft ist, abgesehen von seinen Studienzeiten stets in seinem Heimatdorf lebte, fiel es ihm auch nicht schwer, als er gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, für den Bürgermeisterposten zu kandidieren.

„Woanders möchte ich nicht Bürgermeister sein, nur in meiner Heimat, um unsere Dörfer voranzubringen."

Peter Kirchner, Bürgermeister von Ehrenberg

Auch bei seinem Wahlkampf kam ihm die Kleinheit seiner Gemeinde zu Gute. „Ich habe bei etwa 900 Haushalten in der Gemeinde zwischen 700 und 800 Hausbesuche gemacht“, sagt Kirchner. „Das hat zu vielen fruchtbaren Gesprächen geführt.“ Und auch wenn der Bürgermeister eigentlich Mitglied der Grünen ist: Bei seiner Wahl trat er als unabhängiger Kandidat an. „Mir war es wichtig, dass es um die Sache geht“, sagt Kirchner. „Ich will Bürgermeister für alle sein, und nicht nur für die, die einer bestimmten politischen Meinung sind.“

Was aus Sicht des Hessen einen guten Bürgermeister ausmacht? „Ein guter Bürgermeister muss mit Herzblut tätig sein“, sagt Kirchner. „Bürgermeister sein, ist nicht nur ein Job.“ Die Menschen müssten die Motivation spüren, die Gemeinde nach vorn zu entwickeln und die Zukunft des Ortes prägen zu wollen. Und: „Ein Bürgermeister muss gerne und gut Zuhören können“, sagt Kirchner. Bürgermeister seien oft gut darin, zu reden. „Ich finde zuhören aber wichtiger – denn nur, wenn ich mir die Zeit dafür nehme, finde ich auch heraus, wie jemand denkt und was ihn wirklich bewegt.

Fotocredits: Ortsbild: adobe stock