Neuwahlen im März?
Ampel zerbricht: Scholz will Vertrauensfrage stellen
Aktualisiert am 7. November 2024
Es war eine schonungslose Abrechnung mit dem Finanzminister, die der Bundeskanzler am Mittwochabend vor laufenden Kameras vornahm. Er warf Christian Lindner verantwortungsloses Handeln, Klientelpolitik und Egoismus vor. Zu oft habe er Gesetze sachfremd blockiert, zu oft habe er sein Vertrauen gebrochen. "Es gibt keine Vertrauensbasis mehr für die weitere Zusammenarbeit", betonte Scholz. Daher habe er den Bundespräsidenten gebeten, Lindner als Bundesfinanzminister zu entlassen. Schon vor dem Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und FDP hatte sich abgezeichnet, dass eine Einigung zwischen den drei Koalitionspartnern nur noch schwer gelingen kann. Nun zerbrach die Ampel ausgerechnet an dem Tag, an dem Donald Trump als Sieger der US-Wahlen erklärt wird und damit erneut ins Präsidentenamt zurückkehren wird.
Lindner: "Ich sollte die Schuldenbremse aushebeln, dazu war ich nicht bereit"
Linder hatte sich geweigert, auf die Vorschläge von Scholz einzugehen, die unter anderem weitere Milliarden Euro an Unterstützung für die Ukraine beinhalteten und ein Arbeitsplätze-Paket für Mitarbeitende der Automobil-Branche. Der Kanzler verwies auf Artikel 115 des Grundgesetzes, der es ermögliche, in einer außergewöhnlichen Notsituation einen sogenannten Überschreitungsbeschluss zu fassen. Lindner sagte in seinem Statement, Scholz habe ultimativ verlangt, die Schuldenbremse auszusetzen. "Damit hätte ich meinen Amtseid verletzt." Im Koalitionsausschuss hatte Finanzminister Lindner ein "geordnetes Verfahren" für Neuwahlen vorgeschlagen. Er wäre so lange im Amt geblieben, sagte Lindner. Doch Scholz habe den Bruch der Koalition gezielt herbeigeführt.
Der Bundesfinanzminister betonte, er habe "Vorschläge für eine Wirtschaftswende vorgelegt, um das Land auf Erfolgskurs zu bringen". Er unterstrich: "Diese Vorschläge wurden von der SPD nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert." Auch er sparte nicht mit Attacken gegen den Kanzler: "Scholz Gegenvorschläge sind matt, unambitioniert und leisteten keinen Beitrag zur Bekämpfung wirtschaftlicher Herausforderungen", so Lindner.
Scholz: Vertrauensfrage am 15. Januar
Der Kanzler will die Vertrauensfrage in der ersten Sitzungswoche des Bundestags im neuen Jahr stellen. Der Bundestag solle am 15. Januar darüber abstimmen. "So können die Mitglieder des Bundestages entscheiden, ob sie den Weg für Neuwahlen freimachen", so der Kanzler. Die vorgezogenen Neuwahlen könnten dann "spätestens bis Ende März stattfinden".
Minderheitsregierung - Scholz will mit Merz sprechen
Die FDP ziehe all ihre Minister aus der Bundesregierung zurück, kündigt Fraktionschef Christian Dürr an. Verkehrsminister Volker Wissing kündigte an, aus der FDP auszutreten und will bis zur geplanten Neuwahl im Amt bleiben.
Da die Liberalen die Koalition verlassen, müssen SPD und Grüne nun versuchen, im Bundestag wechselnde Mehrheiten zu organisieren. Scholz kündigte an, möglichst schnell mit Oppositionsführer Friedrich Merz sprechen zu wollen. Aus der oppositionellen CDU kamen am Abend bereits Forderungen, Scholz solle die Vertrauensfrage schon in der nächsten Sitzung stellen. Eine Minderheitsregierung wäre eine Missachtung des Wählerwillens. CDU-Fraktionschef Merz will, dass Scholz bereits in dieser oder in der kommenden Woche den Weg für Neuwahlen freimacht.
Gesetze sollen rechtzeitig verabschiedet werden
Bis zum 20. Dezember sollen alle wesentlichen Gesetze im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden, die keinen Aufschub dulden, kündigte Scholz an. Er nannte den Ausgleich der kalten Progression, der für die Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto ab 1. Januar bedeute, die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie.
Droht Stopp bei Förderprogrammen?
Wie die WELT berichtet, dürfte es zunächst eine Haushaltssperre geben. Womöglich aber finde sich in den nächsten Tagen noch eine Mehrheit im Bundestag für den Nachtragshaushalt. Ab 1. Januar beginnt dann eine vorläufige Haushaltsführung. Im Wesentlichen würden nur gesetzliche Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, ausgezahlt. Das würde bedeuten, dass Förderprogramme womöglich gestoppt werden müssen.