Arbeitspflicht für Asylbewerber Mann schneidet eine Hecke (Symbolbild)
Hecken schneiden, Rasen mähen - Asylbewerber müssen gemeinnützige Arbeiten übernehmen.
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Migrationspolitik

Arbeitspflicht für Asylbewerber - und die Sanktionen?

Deshalb hat Christian Herrgott, der Landrat des Saale-Orla-Kreises in Thüringen, die Arbeitspflicht für Asylbewerber bereits eingeführt. Im KOMMUNAL-Interview erläutert er Beweggründe, das konkrete Vorgehen – und mögliche Sanktionen.

Im Saale-Orla-Kreis müssen Asylbewerber gemeinnützige Arbeiten übernehmen - vier Stunden am Tag, für 80 Cent pro Stunde. Der Landrat Christian Herrgott war der erste, die die Arbeitspflicht eingeführt hat.

KOMMUNAL: Herr Herrgott, weshalb gibt es seit Februar im Saale-Orla-Kreis die Arbeitspflicht für Asylbewerber?

Christian Herrgott: Wir haben die Arbeitspflicht für vier Stunden pro Tag eingeführt, weil das Asylbewerberleistungsgesetz die Möglichkeit dafür bietet. Ich sehe dies als wesentlichen Integrationsbaustein für die Menschen, die zu uns kommen und in den ersten Monaten nicht arbeiten dürfen. Wir holen sie gleich ab, indem wir ihnen gemeinnützige Tätigkeiten zuweisen. Das hat der Kreistag so beschlossen.

KOMMUNAL:  Was wollen Sie konkret damit erreichen?

Herrgott: Damit schaffen wir von Beginn an eine Arbeitsstruktur. So können diejenigen, die dauerhaft bleiben dürfen, auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Und auch diejenigen, die kaum eine Chance haben, zu bleiben, können so der Gesellschaft für Sozialleistungen, die sie erhalten, etwas zurückgeben.  Damit steigt auch die Akzeptanz in der Bevölkerung.

KOMMUNAL: Hören Sie Befürchtungen wie „Die nehmen uns dann die Arbeit weg“?

Herrgott: Wir sind ein Landkreis mit knapp 80.000 Einwohnern und reden über 150 Asylbewerber, die bei uns für die Arbeitspflicht infrage kommen. Nein, ich habe so einen Satz noch nicht gehört.  Unsere Unternehmen – etwa im Gartenbau – suchen händeringend Personal. Wenn der Einstieg in eine Anstellung über eine gemeinnützige Tätigkeit gelingt, wird das nur positiv gesehen.

KOMMUNAL: Für wen gilt die Arbeitspflicht?

Herrgott: Gestartet sind wir mit einer Arbeitspflicht für Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften, künftig soll sie aber auch für Flüchtlinge in Wohnungen gelten. Das organisieren wir gerade.

KOMMUNAL:  Welche Aufgaben sollen die Flüchtlinge erledigen?

Herrgott: Momentan fallen nur Arbeiten innerhalb der Gemeinschaftseinrichtung an. Dazu zählen Rasenmähen, Reinigungsarbeiten und Heckenschneiden. Das wollen wir erweitern auf gemeinnützige Hilfe in der Kommune, bei Organisationen und Vereinen - den Sportplatz herrichten oder beim Winterdienst helfen. Einfache Tätigkeiten, die ohne Fachkenntnisse, ohne Sprachkenntnisse und ohne komplizierte Maschinen ausgeführt werden können.

KOMMUNAL: Wie wird das organisiert?

Herrgott: In den Gemeinschaftsunterkünften kümmern sich Sozialarbeiter. Die Dienste werden entsprechend eingeteilt, die Menschen angeleitet und die Arbeit kontrolliert. Das funktioniert sehr gut nach den bisherigen Erfahrungen.

KOMMUNAL: Und außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte?

Herrgott: Wir sind derzeit dabei, uns mit Vereinen und gemeinnützigen Trägern zu verständigen, wie wir das dann organisieren, wenn etwa der Fußballverein seinen Rasen gemäht haben will. Die Asylbewerber fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Einsatzstellen, was im ländlichen Raum nicht immer so einfach ist. Während des Arbeitseinsatzes muss es eine Anleitung und Betreuung geben.

KOMMUNAL: 80 Cent pro Stunde, vier Stunden am Tag Arbeit, gibt es da auch Widerstand?

Herrgott: 70 Prozent reagieren sehr positiv. Die Menschen wollen überwiegend arbeiten. Etwa 20 Prozent haben wir ein bisschen motivieren und aufklären müssen, bei zehn Prozent ist es schwierig, sie an Tätigkeiten heranzuführen.

KOMMUNAL Drohen dann Sanktionen?

Herrgott: Für uns steht nicht die Sanktion im Vordergrund. Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht die Möglichkeit vor, Totalverweigern bis zu 180 Euro von rund 460 Euro Zuwendung im Monat zu streichen. Wir wollen aber, dass sie mitmachen und unterbreiten auch Alternativangebote. Und die meisten freuen sich über die zusätzlichen 64 Euro im Monat.

KOMMUNAL: Bietet das Asylbewerberleistungsgesetz eine ausreichende gesetzliche Grundlage?

Herrgott: Paragraf 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes wurde im Februar geändert und damit reichen aus unserer Sicht die Grundlagen für die Arbeitspflicht aus. Wir haben alle Kommunen angeschrieben und darüber informiert, dass nun auch zusätzliche Tätigkeiten erlaubt sind. Etwa Arbeiten für den Bauhof im Kommunalwald. Bei der Bezahlkarte für Flüchtlinge, die wir im Landkreis auch eingeführt haben, gibt es hingegen dringenden Handlungsbedarf. Es geht darum, dass künftig auch für diejenigen, die in Wohnungen und nicht in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, der Sachleistungsvorrang gilt.

KOMMUNAL Wie bewerten Sie Ihre bisherigen Erfahrungen?

Herrgott: In den Gemeinschaftsunterkünften ist die Arbeitspflicht ein Erfolg.

KOMMUNAL: Viele kritisieren die Arbeitspflicht, vor allem die Flüchtlingsverbände.

Herrgott: Die Reaktionen sind in meiner Wahrnehmung zu dreiviertel positiv. Wir hören aber tatsächlich auch den Vorwurf, die Asylbewerber würden zu Billiglöhnen beschäftigt. Die 80 Cent sind jedoch kein Stundenlohn, sondern eine Aufwandsentschädigung. Zusätzlich werden die Kosten für das tägliche Leben übernommen.

KOMMUNAL Was raten Sie anderen Kommunen?

Herrgott: Unser Ratschlag: Schauen Sie, ob die Arbeitspflicht für Ihren Landkreis oder Ihre Stadt und Gemeinde umsetzbar ist. Wie sieht die Personalisation aus, ist der Aufwand machbar und wollen wir das überhaupt umsetzen?

Landrat des Saale-Orla-Kreises Christian Hergott

In den Gemeinschaftsunterkünften ist die Arbeitspflicht ein Erfolg."

Christian Herrgott, Landrat im Saale-Orla-Kreis

KOMMUNAL:  Was sollte sich in der Asylpolitik ändern?

Herrgott: Deutschland braucht dringend eine Zugangsbegrenzung, weil die Zahlen deutlich über die Integrationsfähigkeit hinausgehen. Was auf Bundes- und EU-Ebene angekündigt ist, muss endlich umgesetzt werden. Dazu gehört das Thema schnellere Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht. Wir sollten uns vielmehr auf diejenigen konzentrieren, die eine echte Chance haben, bei uns zu bleiben.

KOMMUNAL: Sie haben sich bei ihrer Wahl im Januar gegen den AfD-Bewerber nur mit Unterstützung eines überparteilichen Bündnisses durchgesetzt. Wie erklären Sie sich, dass die AfD nun auch auf kommunaler Ebene erfolgreicher wird?

Herrgott: Bei uns in einem dünnbesiedelten Landkreis im Osten Deutschlands mit einer sehr schwierigen demografischen Entwicklung hat sich viel Frust angestaut. Die Menschen leiden unter Entscheidungen, die von der Bundesregierung über Nacht getroffen werden. Ein Beispiel ist das Gebäudeenergiegesetz. Die Vorgaben können die Hausbesitzer mit ihrem Einkommen kaum umsetzen. Was am grünen Tisch ausgedacht wird, ist nicht immer praktikabel. Die Menschen fühlen sich von der aktuellen Bundespolitik nicht mehr vertreten. Sie erwarten, dass man kopfklare, rationale Politik für sie macht und dass die Politik sie mit ihren Entscheidungen unterstützt und nicht nur einschränkt. Und sie erwarten, dass Recht umgesetzt wird.

KOMMUNAL: Thüringen wählt im September einen neuen Landtag. Wie sehr wird die Asylpolitik Ihrer Ansicht nach das Wahlergebnis beeinflussen?

Herrgott: Asylpolitik wird sicherlich eine große Rolle bei der Landtagswahl spielen. Kommunalpolitiker, die mit der Bezahlkarte für Asylbewerber und der Arbeitspflicht vorangehen, können zeigen, dass es keiner Extreme bedarf, sondern vernünftiger, bodenständiger Politik.

Fotocredits: Christian Herrgott: Saale-Orla-Kreis