Mann springt in Badesee
Baden auf eigene Gefahr - oder doch nicht?
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Juristischer Leitfaden

Haftung: Welcher Badesee eine Aufsicht braucht

Die Menschen strömen in diesen Sommertagen wieder zu den Badeseen. Die Verunsicherung in den Kommunen aber ist nach wie vor groß: Haften sie, wenn etwas passiert? Der Bundesgerichtshof hatte 2017 in einem Urteil erklärt, dass eine Schwimmaufsicht den Badebetrieb überwachen muss, wenn Anlagen am Badestrand stehen. Eine Zwölfjährige hatte sich in einem kommunalen Freibad in Rheinland-Pfalz unter Wasser mit einem Arm in einer Boje verfangen hat. Sie wurde zwar gerettet, trug aber massive Hirnschäden davon. Ein vom bayerischen Justizministerium herausgegebener Leitfaden besagt, dass eine Aufsicht nicht notwendig ist, wenn an einem Badesee kein Eintritt verlangt wird. Allerdings müssen Kommunen und ihre Vertreter dennoch vieles beachten, damit sie strafrechtlich nicht für Unfälle verantwortlich gemacht werden können.

Handelt es sich um einen See mit einem Steg oder einem sonstigen Anleger, ist die Kommune in der Pflicht, die Badestelle beaufsichtigen zu lassen. Das zumindest war damals die Rechtsauslegung des Versicherers KSA. Ein vom bayerischen Justizministerium herausgegebener Leitfaden, den KOMMUNAL am Ende des Artikels als PDF verlinkt, dürfte dazu für Kommunen sehr hilfreich sein. Zum einen dürfte er für Beruhigung sorgen, zum anderen enthält er wertvolle Hinweise, was Kommunen beachten sollten, um nicht für Unfälle strafrechtlich belangt zu werden.

Badesee ohne kostenpflichtigen Eintritt: Aufsicht nicht notwendig

Die wichtigste Aussage des Rechtsexperten, auf dessen Expertise der Leitfaden des bayerischen Justizministeriums beruht: Wenn an einem Badesee in der freien Natur kein Eintritt verlangt wird,  ist eine Aufsicht nicht zwingend notwendig. Das BGH-Urteil sei nur auf entgeltpflichtige kommunale Bäder anwendbar. Ein Sprecher des Bayerischen Gemeindetags kommentierte diese Aussage auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks: "Gottseidank ist das jetzt vernünftig geklärt. Es ist wichtig, dass auch das Prinzip Eigenverantwortung der Bürger gestärkt wird."

Verkehrssicherungspflicht der Kommune an Badestellen

Doch der Rechtsexperte Georg Krafft macht in dem Leitfaden klar, dass die Kommune die Nutzung einer Badestelle nicht einfach so laufen lassen kann.  Das strafrechtliche Risiko treffe nicht nur Bürgermeister, sondern möglicherweise auch Stadt- und Gemeinderäte. Sie könnten unter Umständen strafrechtlich verantwortlich sein, wenn ihr Abstimmungsverhalten dazu geführt hat, dass gebotenene Sicherheitsmaßnahmen nicht getroffen wurden, so der Rechtsanwalt. Übertragen die kommunalen Entscheidungsträger die Prüfung der Verkehrssicherheit auf Dritte, sind sie auch damit nicht per se "aus dem Schneider". Denn sie seien strafrechtlich "einstandspflichtig", wenn die Prüfung an jemanden delegiert wurde, der dazu nicht oder nicht ausreichend geeignet ist.

Warnschilder an Badestellen reichen häufig aus

Gemeinden müssen also juristisch einiges beachten. So muss sich eine Gemeinde grundsätzlich schon bevor Unfälle passieren, ein Bild über mögliche Gefahrensituationen an Gewässern machen, das dokumentieren und gegebenenfalls auch Konsequenzen ziehen. Sie könnte Warnschilder aufstellen oder gegebenenfalls auch Badeverbote  verhängen. "Mit Schildern können die meisten Gefahren an Badegewässern abgewendet werden. Nur in extremen oder besonderen Fällen sind bauliche Maßnahmen erforderlich“, heißt es in dem Leitfaden. Dazu zählten etwa der Rückbau von Anlagen oder die Einzäunung des Geländes. Ob die Regeln auf den Schildern auch eingehalten werden, muss die Kommune jedoch nicht zwingend kontrollieren.

Die Kommunen müssten aber  vor Gefahren warnen, die nicht ersichtlich sind, so der Experte. Sollte es zu einem Unfall kommen, sei es kein Schuldeingeständnis, die Gefahrenquelle zu beseitigen. Im Gegenteil: Die Gefahrenquelle muss vielmehr sofort beseitigt werden oder es muss zumindest vor ihr gewarnt werden, betont der Experte. 

"Aktionismus" wäre es hingegen, wenn zum Beispiel davor gewarnt würde, dass jemand ausrutschen könnte, wenn am Ufer größere Steine im Wasser sind, die mit Algen bewachsen und damit rutschig sind. "Sowohl die Steine als auch der Algenbewuchs sind im klaren Wasser ohne weiteres zu erkennen. Neben dem Steinen kann man problemlos und sicher ins und aus dem Wasser gelangen", gibt es im Leitfaden in einem solchen Fall Entwarnung. Am Leitfaden haben auch Vertreter der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft DLRG sowie der Wasserwacht Bayern mitgewirkt. Sie ließen praktische Erfahrungen der Wasserrettung einfließen.

Nach der Rechtsprechung ist für die Haftung auch entscheidend, ob die Kommune den sogenannten Bade- und Erholungsverkehr "eröffnet" hat. Für die Bürger werden Anreize gesetzt, indem Liegewiesen geschaffen sind, Stege errichtet wurden, Badeinsel oder Zugänge ins Wasser sowie Kioske, Biergärten oder Spielplätze errichtet wurden.

Den Leitfaden mit wichtigen Praxishinweisen für die Kommunen und ihre Entscheidungsträger finden Sie hier als PDF: