Bürgermeisteramt
Junger Bürgermeister: Aufbruch an der Oder
Schon sein Großvater war Bürgermeister in Gartz an der Oder. Der Vater engagierte sich im Stadtrat. Seit mehr als einem halben Jahr hat der 25-jährige Luca Piwodda den Schlüssel des Rathauses. „Politik war für mich das Normalste der Welt, weil am Küchentisch immer darüber gesprochen wurde“, sagt der ehrenamtliche Bürgermeister der kleinen, nur 2.500 Einwohner zählenden brandenburgischen Stadt an der deutsch-polnischen Grenze. Unser Treffpunkt: der Konferenzraum, den er für sein Ehrenamt gelegentlich als Büro nutzt. Die Einrichtung stammt noch aus der DDR, aus der Wand hängen einige Kabel lose in den Raum hinein. „Wir müssen hier noch einiges machen“, sagt Piwodda entschuldigend. „Im Ort gab es viel Stillstand.“ Er ist angetreten, um das zu ändern.
Bürgermeister von Gartz will Stadt beleben
Als Jugendlicher und junger Erwachsener engagierte Luca Piwodda sich einige Jahre lang in der Partei seines Vaters, der SPD, und machte ein Praktikum beim örtlichen Bundestagsabgeordneten. Aber das war ihm „viel zu verkrustet“, wie er sagt. „Ich habe die Politik als alt, als träge und auch als langweilig erlebt.“ Der junge Gartzer wollte die Dinge anders machen. Mit Freunden gründete er einen Verein, die „Kulturallianz Gartz“. Gemeinsam engagierten sie sich für ihre Stadt, organisierten Konzerte und Theateraufführungen, Filmvorführungen und Lesungen. Mittlerweile sind es 30 Veranstaltungen im Jahr – so viel Leben hatte Gartz schon lange nicht mehr gesehen.
Zuletzt entstand aus einem alten Gaswerk ein Nachbarschaftstreff und der Verein wurde dafür Brandenburger Landessieger beim Deutschen Nachbarschaftspreis. Doch aus der Kulturallianz entstand noch mehr: Piwodda und seine Freunde gründeten eine eigene politische Partei, die „Freie Politische Allianz“. Mit ihr traten sie zu den Brandenburger Kommunalwahlen an – oder wollten es zumindest: Formfehler sorgten dafür, dass er am Ende als Einzelbewerber auf den Wahlzetteln stand. Weil er am Ort bekannt war, wurde er trotzdem gewählt. „Ich mache Fehler und ich werde auch Fehler machen, weil ich noch nie zuvor ein Amt innehatte“, räumt der junge Bürgermeister ein. „Ich probiere viel aus, aber es geht nur mit den Menschen, wenn es funktionieren soll.“
Die Bürgerbeteiligung steht bei Piwodda auf der Liste der Themen ganz oben. „Wir kommen aus einer Zeit, wo diejenigen, die Kommunalpolitik gemacht haben, das mit einer Mentalität des „Ich entscheide das“ gemacht haben“, sagt Piwodda. „Die Bürger wurden nicht mitgenommen.“ Das gelte auch für die Landesebene. „Im Landtagswahlkampf war hier nur der SPD-Kandidat für einen Tag vor Ort“, sagt der Bürgermeister. „Alle anderen Parteien haben sich hier nicht blicken lassen – ein paar Wahlplakate gab es, aber mehr auch nicht.“ So etwas trage nicht dazu bei, dass sich Menschen neu für Politik begeistern ließen, meint er. In Gartz habe man lange das Gefühl gehabt, vergessen worden zu sein.
Bürgersprechstunde alle zwei Monate
Piwodda setzt nun auf Transparenz und auf Kommunikation. Wenn der Bürgermeister von Gartz zu einer Veranstaltung geht, veröffentlicht er anschließend ein Social Media-Video dazu. Einmal pro Woche stellt er einen Wochenbericht ins Netz. Alle zwei Wochen bietet er eine Bürgersprechstunde an. Und auch auf Festen und Veranstaltungen ist er für die Gartzer ansprechbar. Er wollte mit einem Klischee aufräumen: dass in der Politik nur gestritten und nichts erreicht werde. „Mir war es nach den Kommunalwahlen wichtig, dass wir in der Stadtverordnetenversammlung keine Fraktionen bilden“, betont er. „Wir sind hier ja nur zehn Leute.“
"Menschen interessieren sich wieder für Kommunalpolitik"
In früheren Legislaturperioden habe es auch in der kommunalen Vertretung Referate, etwa über die Sozialpolitik der SPD gegeben. In der Kommune müsse man aber nicht den Bundestag imitieren, meint er: „Bei uns geht es aber eher darum, ob, wann und wie eine Straße gebaut wird.“ Das hat die Gartzer zumindest neugierig gemacht: „In der ersten Stadtverordnetenversammlung nach der Wahl waren 40 Gäste anwesend. Jetzt pegelt sich das bei etwa 20 ein – aber die Menschen interessieren sich wieder für die Kommunalpolitik.“
In Gartz hat man lange das Gefühl gehabt,
vergessen worden zu sein.“
Die Gartzer hätten wieder das Gefühl, dass es sich lohne, in Gartz zu leben und der oft schon totgesagte Ort eine Zukunft habe, will er beobachtet haben. Im Juni 2024 wurde der Amtsdirektor abgewählt, was für Piwodda ebenfalls ein Zeichen des Aufbruchs war. Auch das 775-jährige Stadtjubiläum von Gartz habe als eine Art Katalysator gewirkt. „In diesen vier Tagen war eine echte Aufbruchsstimmung zu spüren“, sagt Piwodda. Alle Vereine hätten sich beteiligt. 400 Menschen hätten an einer Fotoaktion teilgenommen und eine große 775 nachgestellt.
Bei einer Aktion „Gartz schöner machen“ seien zahlreiche Blumentöpfe neu aufgestellt worden. „Und dann erarbeiten wir ein Tourismuskonzept“, erzählt er. „Wir wollen das Oderufer zu einer Promenade machen und es soll dort eine Fischgaststätte, einen Bootsverleih und andere Tourismusangebote geben.“ Das Städtchen in der Uckermark hat mit vier Ferienpensionen, der im Zweiten Weltkrieg teilzerstörten Kulturkirche St. Stephan und der alten Stadtmauer schon heute einiges zu bieten, worauf man aufbauen könne.
Kommunale Wärmeplanung wird vorbereitet
Zudem will der ehrenamtliche Bürgermeister sich dafür einsetzen, dass Gartz die Erneuerbaren Energien als Chance begreift. „Ich arbeite hauptberuflich bei einem Windenergieanlagen-Betreiber, damit kenne ich mich natürlich schon von Berufs wegen aus“, sagt Piwodda. Als Kommune ist Gartz auch verpflichtet, bis 2027 mit einer kommunalen Wärmeplanung zu beginnen. Doch Vorarbeiten dafür wurden in Gartz bislang nicht gemacht. „Man hat es einfach ausgesessen“, so der junge Kommunalpolitiker. Auf den Gedanken, städtische Gebäude mit einer Photovoltaik-Anlage auszustatten, sei beispielsweise niemand gekommen. Zumindest bis zu seinem Amtsantritt noch nicht.