Corona-Krise-Wirtschaft
Mit ihrer Automobilindustrie leiden Städte wie Ingolstadt oder Wolfsburg besonders stark unter der Corona-Krise
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Wirtschaftsstudie zu Covid-19

Prognos: Diese Regionen trifft die Corona-Krise wirtschaftlich besonders stark

Das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos hat die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise auf die 16 Bundesländer und 401 Regionen erforscht. Welche Kreise und Städte besonders betroffen sind, welche weniger.

Eine jetzt veröffentlichte, von Prognos erstellte Kurzexpertise beleuchtet den aktuellen wirtschaftlichen Ausnahmezustand in der Corona-Krise erstmals auch nach regionaler Betroffenheit. Für ihre Studie analysierten die Verfasser die  Wertschöpfungs- und Zulieferverflechtungen mit dem Ausland. Außerdem schätzten sie die Konsequenzen auf die Binnenwirtschaft ab. "Die gewonnenen Erkenntnisse haben wir anhand einer Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit auf die einzelnen Regionen in Deutschland übertragen", erläutert eine Prognos-Sprecherin das Vorgehen.

Corona-Krise trifft laut Prognos-Studie Branchen unterschiedlich

Nach Einschätzung der Experten gibt es keinen Bereich der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens, auf den die Corona-Krise mit ihren massiven Beschränkungen keine Auswirkungen hat. Doch die Folgen sind von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Das Verarbeitende Gewerbe ist besonders stark betroffen: vor allem die Chemie- und Kunststoffindustrie, die Metall- und Elektroindustrie und Stahlindustrie.

Weite Teile des Dienstleistungssektors hingegen seien relativ "krisenfest", so die Verfasser der Studie. Aber auch im Dienstleistungsbereich haben die durch die Bundesländer beschlossenen Beschränkungen durchaus erhebliche Konsequenzen: durch den Ausfall von Kulturveranstaltungen, den weitgehend geschlossenen Einzelhandel und die brach liegende Gastronomie sowie den weggebrochenen Tourismus. Die Kreativwirtschaft - ausgenommen die Software- und Games-Branche - leidet insgesamt stark.

Öffentliche Verwaltung erfüllt trotz Corona zentrale Aufgaben

Die öffentliche Verwaltung und das Erziehungs- und Unterrichtsdienstleistungen sowie das Gesundheits- und Sozialwesen seien dagegen vergleichsweise stabil, ergab die Analyse. Positives Resultat der Untersuchung: Obwohl der Unterricht zuhause stattfindet und Bürgerämter geschlossen sind, erfüllen die Kommunen laut Prognos weiterhin zentrale Aufgaben. Und sie zahlen weiterhin die Gehälter. In vielen Bereichen des Gesundheitswesens ergibt sich durch die Pandemie sogar eine erhebliche Mehrbelastung.

Wie sieht das Gesamtergebnis in der Wirtschaftsstudie aus?

Bundesweit arbeiten etwa 61 Prozent der Beschäftigten in Branchen, die mittel bis hoch von der Corona-Krise betroffen sind. Etwa 39 Prozent der Arbeitnehnmer sind in Branchen tätig, die vergleichsweise gering betroffen sind. Das bedeutet: In allen Bundesländern leidet laut Prognos-Studie die Mehrheit der sozialversicherungspfllichtig Beschäftigten unter hoher bis mittlerer Betroffenheit.

Deutlich zeigt sich: Je nach regional vorherrschender Branchenstruktur trifft der wochenlange Lockdown die Bundesländer und Regionen und damit auch die Landkreise und Kommunen sehr unterschiedlich. Vor allem die Kernregionen der deutschen Schlüsselindustrien müssen sich auf hohe wirtschaftliche Verluste einstellen. Allen voran die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern, gefolgt vom Saarland, Thüringen und Rheinland-Pfalz.

Wie wirkt sich das auf die Kreise, Städte und Gemeinden aus?

Da in erhöhtem Maß die Standorte der Großindustrie sowie der Automobilindustrie betroffen sind, zeigt die Corona-Krise erhebliche Auswirkungen vor allem für die  Städte Wolfsburg, Salzgitter, Schweinfurt und Ingolstadt sowie die Landkreise Tuttlingen, Dingolfing-Landau, Olpe und den Märkischen Kreis. Am Automobildstandort Wolfsburg sind 60 Prozent der Beschäftigten in der Branche tätig.

Zu den Landkreisen und kreisfreien Städten mit einem Anteil von Branchen mit mittlerer und hoher Betroffenheit zählen auch der Hohenlohekreis und die Landkreise Gütersloh, Freising, Erlangen-Höchstadt sowie Rastatt.

Bonn oder Bad Kissingen wirtschaftlich weniger betroffen

Städte wie Heidelberg, Bonn und Münster hingegen könnten besser durch die Krise kommen, denn sie sind durch Gesundheitsbranchen, Verwaltung, Bildung und sonstige Dienstleistungen geprägt. Auch die kreisfreien Städte Herne und Wilhelmshaven sowie die Landkreise Bad Kissingen und Wolfenbüttel gehören zu den Regionen mit geringeren Auswirkungen. Dort ist der Anteil der mittel und stark betroffenen Branchen am geringsten.

Vergleichsweise schwächere Auswirkungen haben die Maßnahmen zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung des Corona-Virus in Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg sowie in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Brandenburg. Doch auch sie sind durch die Corona-Krise gebeutelt. Die Flächenländer vor allem in Tourismus und Gastgewerbe, die Städte durch den Wegfall von Messen und anderen großen Veranstaltungen. Einen detaillierten Überblick über die Regionen bietet die Deutschlandkarte von Prognos.

Corona-Lockdown an regionale Bedingungen anpassen

Die Verfasser der Studie gehen auch der Frage nach, ob aus den Ergebnissen Lehren für Wege aus dem Lockdown gezogen werden können. "Aus den regionalen Betroffenheitsanalysen lassen sich isoliert betrachtet keine abschließenden politischen Leitlinien für eine Strategie hin zu einer Lockerung der Beschränkungen des öffentlichen Lebens entwickeln", lautet das Fazit der Experten von Prognos. Das Wirtschaftsforschungsunternehmen hat einen von ihm entworfenen  Zehn-Punkte-Plan für die Lockerung der Beschränkungen veröffentlicht.

Für die Verfasser steht eines vor allem fest: Die jetzt von der Bundesregierung und den Ländern geplante Lockerung der Beschränkungen in der Corona-Krise müsse den regionalen Gegebenheiten angepasst sein. "Die Lockerung der Maßnahmen sollte mit den betroffenen Akteuren im Sinne einer zukunftsgerichteten Standortsentwicklung auf regionaler Ebene begleitet und abgestimmt werden", appellieren die Prognos-Experten an die Entscheidungsträger. Wichtige Zukunftsaufgaben seien nun anzugehen. Dazu gehören eine regionale Gesundheitsvorsorge, eine leistungsfähige Infrastruktur und stabile Lieferketten.