Kurorte hat es während des Lockdowns besonders hart erwischt - wie sie jetzt in die Zukunft aufbrechen wollen
Kurorte hat es während des Lockdowns besonders hart erwischt - wie sie jetzt in die Zukunft aufbrechen wollen

Kur- und Heilbäder

Corona-Krise: Kurorte endlich auf Erholungskurs

Die Corona-Pandemie hat die Kur- und Heilbäder-Orte in Deutschland an die Grenzen des Leistbaren geführt. Gleichzeitig hat die Krise die Gesundheit in den Fokus gerückt. Wie geht es den Kommunen jetzt und wie stärken sie sich für die Zukunft? KOMMUNAL hat sich umgehört.

Über 350 Kurorte gibt es in Deutschland und so verschieden ihre Ausrichtungen sind, so ähnlich sind die Herausforderungen für die jeweiligen Kommunen. Das größte Thema ist die Finanzierung. „Alle Kurorte haben eine sehr kosten- und personalintensive Infrastruktur, die einen hohen Mehrwert, aber auch hohe Einschränkungen für die Kommunen bedeutet“, sagt Brigitte Goertz-Meissner, die Präsidentin des Deutschen Heilbäderverbandes. Diese Infrastruktur sei ohnehin schwer kostendeckend zu erhalten – in der Corona-Zeit brachte ihre Pflege die betroffenen Kommunen an die Grenzen. „Sämtliche Einrichtungen mussten komplett schließen. Das war dramatisch und ein riesiger Kraftakt für die Kommunen. Sie mussten alles, was in kommunaler Trägerschaft liegt, ja weiter betreuen und bezahlen, trotz fehlender Kurtaxe“, so die Präsidentin.

 Am besten weggekommen seien dabei Orte mit Rehakliniken, die nicht schließen mussten, während Orte mit Thermalbädern die größten Verluste gemacht hätten. Doch trotz der harten Einschnitte durch die Pandemie blickt Goertz-Meissner positiv in die Zukunft der Kurorte und Heilbäder in Deutschland. „Das Wort ‚Kur‘ ist vielleicht verstaubt, die Angebote sind es nicht und es gibt eine deutlich steigende Nachfrage und immer jüngeres Publikum". Durch die Pandemie sei das Gesundheitsbewusstsein der Menschen noch einmal deutlich gewachsen und das vom Bundestag erst jüngst verabschiedete Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung, wonach Kuren wieder zur Pflichtleistung der Krankenkassen werden, könnte diesen Trend noch einmal verstärken.

Für die Kurorte geht es nun darum, den Blick auf die Zukunft zu richten 

Die Zukunftsorientierung und Positionierung als Kurort ist laut Goertz-Meissner ein herausfordernder Prozess. „Es gibt nicht die eine Strategie. Jeder Kurort muss seinen ganz eigenen Weg finden, der zu ihm, seinem Produkt und seiner Zielgruppe passt“, sagt die Präsidentin. Dabei müsse man nicht jeden Hype bedienen, sondern vielmehr langfristig auf die Qualität als Kurort bauen. Eine wesentliche Voraussetzung für eine stabile Entwicklung als Gesundheitszentrum sei ein enger Schulterschluss zwischen Kurverwaltung und Stadt. Dabei gehe es bei der Zusammenarbeit zwischen Kommune und Kurverwaltung um weit mehr als die Verwaltung der bestehenden Dinge. Vielmehr betreffe die Pflege und Modernisierung des Kurorts immer auch die zukünftige Stadtentwicklung – einen Bereich, der prioritär in politischer Hand liegt. Entsprechend einflussreich ist ihrer Erfahrung nach der Kopf eines Kurortes. „Der Bürgermeister spielt eine wichtige Rolle dafür, wie stark ein Kurort ist. Er entscheidet, wo der Zug hinfährt“, so Goertz-Meissner.

„Der Bürgermeister spielt eine wichtige Rolle dafür, wie stark ein Kurort ist. Er entscheidet, wo der Zug hinfährt.“

Brigitte Goertz-Meissner

Im niederbayerischen Kurort Bad Füssing ist die Kur seit Langem Chefsache. Schließlich ist sie in der rund 8.000 Einwohner starken Gemeinde das Hauptthema und sorgt in Normalzeiten für rund 450 Millionen Euro touristischen Jahresumsatz. 2019 noch zählte der Ort 335.543 Übernachtungsgäste. „Der Kurstatus ist der Kern unserer Kommune. Wir sind einzig und allein darauf spezialisiert“, sagt Bürgermeister Tobias Kurz. Dies spiegelt sich auch in der organisatorischen Struktur wider. So gibt es einen eigene Kur- und Tourismusausschuss im Gemeinderat und die Kurverwaltung ist ein Teilbetrieb der Gemeinde und Teil der Kommunalverwaltung. Entsprechend eng verläuft der Austausch zwischen Bürgermeister Kurz und der Kurdirektorin Daniela Leipelt. Für Leipelt geht es bei der Gestaltung eines Kurorts nicht nur um Tourismus, „sondern um Orts- und Lebensraumkonzepte“. Als Kurverwaltung müsse man der Motor sein für den Ort und ständig weitergehen .

Corona war für die Kurorte ein Schock mit Folgen...

„Wir haben in Bad Füssing kaum Gewerbesteuern und leben fast ausschließlich vom Kurbeitrag. Kommt der Gast nicht, haben wir keine Einnahmen, aber müssen weiter das Personal bezahlen, die Grünanlagen pflegen und die Einrichtungen in Stand halten“,  sagt Kurz. Als eine der ersten Reaktionen hat die Gemeinde deshalb die laufenden Baumaßnahmen gestoppt. Parallel dazu begann sie, um finanzielle Hilfen zu kämpfen. Der Einsatz wurde belohnt: 1,8 Millionen Euro der in Bayern an Kurorte ausgezahlten 10 Millionen Euro gingen nach Bad Füssing, hinzu kamen 1,9 Millionen Euro vom Bund sowie das Kurzarbeitergeld für das angestellte Personal. Mittlerweile laufen Baumaßnahmen wieder, die Betriebe vor Ort haben bislang alle überlebt. „Die Hilfen sind angekommen“, betont Kurdirektorin Leipelt, auch wenn 2020 letztlich nur 154.981 Übernachtungsgäste kamen – das sind minus 53,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bürgermeister Kurz stellt aber  klar: „Ein nochmaliger Lockdown wäre ein Genickschlag – ich wünsche unserem Ort, dass wir nie mehr so etwas erleben müssen“. Seit Wiederaufnahme des Kurbetriebs prangt nun ein Herz mit der Aufschrift „Endlich wieder Bad Füssing“ an verschiedenen Plakatwänden und Schildern im Ort. Es ist das Symbol einer kommunalen Restart-Kampagne und getragen von der großen Hoffnung, dass die Gäste diesmal bleiben dürfen.

Ein nochmaliger Lockdown wäre ein Genickschlag – ich wünsche unserem Ort, dass wir nie mehr so etwas erleben müssen“.

Tobias Kurz, Bürgermeister von Bad Füssing

Wie sich die privaten Betreiber in Kurorten im Vergleich geschlagen haben...

Ortswechsel nach Bad Aibling, einem Kurort, der sich deutlich von Bad Füssing unterscheidet. Mit rund 19.000 Einwohnern ist Bad Aibling fast zweieinhalb mal so groß wie Bad Füssing und blickt auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück. Zudem ist Bad Aibling Schulstadt. Das Kurthema macht nur einen Teil der Identität Bad Aiblings aus – gleichwohl ist der Einfluss des Kurtourismus auf die Infrastruktur enorm. „Vieles, was mit der Kurstadt zu tun hat, wird von den Bürgern zwar geschätzt, aber nicht unbedingt sofort mit dem Kurbetrieb in Verbindung gebracht“, sagt Thomas Jahn, Geschäftsführer der AIB-KUR GmbH & Co. KG. „Viele Menschen nehmen das positive Stadtbild wahr und ahnen eher unterschwellig, warum manche Sachen hier verortet sind und wir ein viel größeres Angebot haben, als es normal wäre bei dieser Größe“.

Was die organisatorische Struktur anbelangt, gibt es ebenfalls deutliche Unterschiede zu Bad Füssing. So existiert in Bad Aibling keine klassische kommunale Kurverwaltung, sondern eine eigenständige AIB-KUR GmbH & Co. KG, bei der die Stadt mit aktuell rund 50 Prozent beteiligt ist. Die restlichen Anteile werden von privaten Unternehmern getragen. „Das ist eine sehr bunte Mischung und das ist auch gut so“, sagt Geschäftsführer Jahn.  Es gebe zudem die Kontrolle durch den paritätisch besetzten Aufsichtsrat, dem neben fünf Mitgliedern aus der Wirtschaft auch fünf Stadtratsmitglieder angehören. „Wir geben die Leitlinie vor und sagen, wo die Reise hingeht. Wir führen auch die Gästebefragungen durch und wissen, wo stehen unsere Gastbetriebe, wo werden Schwerpunkte gesetzt und was ist am Markt durchsetzungsfähig“.

Vor diesem Hintergrund übernimmt die GmbH Aufgaben wie das Stadtmarketing, die Organisation kultureller Veranstaltungen, die Gästekommunikation und den innerstädtischen ÖPNV und die Redaktion des „Stadtjournals“. In der Corona-Zeit wurde das Themenfeld der GmbH noch einmal deutlich geweitet und hat die AIB-KUR GmbH & Co. KG „schnell die Rolle der kommunikativen Drehscheibe für die Kommune übernommen“, wie Jahn berichtet. In der Krisen-Praxis bedeutete dies laut Jahn einen „Allround-Job“. „Wir haben Masken gekauft, Kurzarbeitsanträge ausgefüllt, Hilfen beantragt, mit Mietern und Vermietern telefoniert, ein Gutschein-System initiiert, die Medienarbeit übernommen und im Sommer 50 Openair-Konzerte veranstaltet“, erzählt Jahn. Mit Erfolg: Stand heute gibt es noch alle Betriebe in Bad Aibling,  nur drei Gastgewerbe seien verloren gegangen. Dies sei zum einen den finanziellen Hilfen zu verdanken, die geflossen sind und zum anderen der intensiven Zusammenarbeit und Kommunikation vor Ort. „Unterm Strich sind wir gut durch die Pandemie-Zeit hindurchgekommen“, resümiert Jahn.  „Wir mussten uns mit niemandem abstimmen und konnten auf ein Riesenvertrauen durch die Kommune zählen“. Bei allen negativen Folgen habe die Pandemie als „Beschleuniger für uns als Gesundheitsstadt“ gewirkt. Aktuell in Planung: ein ambulantes Reha-Programms für Post-Covid-Patienten.