Recht Aktuell
Darf ein Rechtsextremist Bürgermeister werden? Kommune bezweifelt Verfassungstreue
Verfassungstreue ist eine wichtige Voraussetzung für einen Bürgermeister. Denn er ist Beamter. Und da gelten bestimmte Voraussetzungen, um das Amt überhaupt annehmen zu können. In gleich zwei Fällen in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen stellt sich die Frage aktuell. Aufschluss könnte derweil ein Gerichtsurteil aus Bayern geben.
Der Fall eines Bürgermeisters in Mecklenburg-Vorpommern
Anfang der Woche wurde in Klein Bünzow bei Anklam (900 Einwohner) Alexander Wendt zum stellvertretenden Bürgermeister gewählt. Der neue Gemeinderat hatte ihn mit Mehrheit in geheimer Wahl dazu benannt. Nun ist Alexander Wendt jedoch kein Unbekannter. Er wollte schon vor einigen Monaten Bürgermeister der Gemeinde werden. Der Kreiswahlausschuss hatte ihm das seinerzeit verwehrt. Denn Wendt ist Gemeindevertreter für die Partei "Die Heimat" (früher NPD). Zwar trat er als Bürgermeisterkandidat als parteiloser Kandidat an, ist jedoch Mitglied der Partei. Man zweifle an der Abgrenzung zu den Zielen der rechtsradikalen Partei, hieß es damals aus dem Kreiswahlausschuss und gab den Fall an den Landesverfassungsschutz. Der kam zur gleichen Einschätzung und machte "erhebliche Bedenken an der Verfassungstreue" geltend.
Das ist der Hintergrund - ein Beamter ist zur Verfassungstreue verpflichtet
Hintergrund ist das Beamtenrecht. Es verpflichtet Staatsdiener dazu, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für ihre Erhaltung einzutreten. Bereits der Zugang zum Beamtenverhältnis ist nur den Personen gestattet, die die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG / § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG).
Alle Bewerber müssen die Gewähr bieten, für diese zentralen Prinzipien einzutreten. Unter Eintreten wird dabei nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts ein aktives, über ein bloß verbales Bejahen hinausgehendes und äußerlich erkennbares Verhalten verstanden, durch welches die „Persönlichkeit des Bewerbers“ beurteilt werden soll.
Wie der Fall des stellvertretenden Bürgermeisters nun weitergeht
Nach Informationen der örtlichen Zeitung, dem Nordkurier, beschäftigt sich nun erneut die Kommunalaufsicht mit dem Fall des gewählten stellvertretenden Bürgermeisters. Eine Antwort, ob die Stellvertreterwahl rechtmäßig ist, könne derzeit noch nicht gegeben werden, zitiert das Blatt einen Sprecher der Kreisverwaltung.
Hintergrund: Ein stellvertretender Bürgermeister ist kein Wahlbeamter, es handelt sich um ein Ehrenamt. ABER: Ist der Bürgermeister verhindert, treten seine Stellvertreter für die Gemeinde in Erscheinung. Auch sie müssen einen Amtseid leisten.
Auch der AfD-Landrat in Thüringen beschäftigt die Justiz
Das Landesverwaltungsamt in Thüringen behandelt jetzt ebenfalls einen Fall zum Thema Verfassungstreue. Robert Sesselmann ist in diesem Jahr zum ersten AfD-Landrat gewählt worden. Er ist nun Chef im thüringischen Landkreis Sonneberg. Der Landesverfassungsschutz in Thüringen bezeichnet seine Partei als "gesichert rechtsextrem". Man wolle daher eine Prüfung der Verfassungstreue von Robert Sesselmann vornehmen, heißt es.
Die Frage lautet: Hat Sesselmann die persönliche Eignung für das Amt und bietet Gewähr dafür, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten?
Allerdings reicht es hier nicht aus, seine Parteimitgliedschaft zugrunde zu legen. Für eine abschließende Bewertung müssten sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls genau ermittelt und juristisch gewürdigt werden, heißt es von Seiten der Behörde.
Im thüringischen Kommunalwahlgesetz gibt es - bezogen auf Bürgermeister, und somit anwendbar auch auf einen Landrat - folgenden Passus dazu:
„Zum Bürgermeister kann nicht gewählt werden, wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt. Darüber hinaus ist nicht wählbar, wer im Übrigen die persönliche Eignung für eine Berufung in ein Beamtenverhältnis nach den für Beamte des Landes geltenden Bestimmungen nicht besitzt.“
Reicht eine Parteimitgliedschaft für Konsequenzen aus?
Die Frage in Thüringen lautet also: Wie wirkt sich die Mitgliedschaft in einer politischen Partei auf die Verfassungstreue aus? Das ist unter anderem davon abhängig, wie Behörden beziehungsweise Gerichte, insbesondere das Bundesverfassungsgericht die Partei einstufen. Bei der NPD war das eindeutig - sie halt als verfassungswidrig. Die AfD hingegen gilt - auch nicht deutschlandweit, sondern nur in Thüringen - als "erwiesen extremistische Vereinigung" - und das begründet nach herrschender Auffassung keinen unmittelbaren Verfassungstreuepflichtverstoß. Es kann einen solchen aber indizieren. Die Einstufung als "erwiesen rechtextremistisch" hat für andere Behörden oder Gerichte aber keine Bindungswirkung.
Urteil zum Beamtenrecht aus Bayern gibt Hinweise
Aufschluss könnte ein Urteil aus Bayern aus dem vergangenen Jahr geben. Hier ging es um die Entfernung einer Lehrerin aus dem Beamtenverhältnis wegen Verstößen gegen die Verfassungstreue.
Sie soll Anhängerin der Reichsbürger gewesen sein. Gegen sie wurde eine Disziplinarklage auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eingereicht. Das Verwaltungsgericht München hatte in diesem Fall zu entscheiden. Sie war allerdings diesbezüglich einschlägig vorbestraft. Zudem soll sie sich in mehreren Schreiben an den Ersten Bürgermeister des Marktes W. und die geschäftsleitende Beamtin gewandt, um Einwände gegen die Aufstellung eines Mobilfunkmastes vorzubringen. Sie habe in ihren Schreiben eine ganze Reihe von Merkmalen, wie sie in Kreisen der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ typischerweise Verwendung finden, verwendet. Sie habe weiter in mehreren Schreiben versucht, Behördenmitarbeiter zu einem bestimmten Handeln anzuweisen beziehungsweise Anordnungen zu treffen. Außerdem lägen mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse über einen Gesamtbetrag von knapp 15 000 € vor.
Das Urteil lautete dann wie folgt:
„Die Beklagte hat durch ihr Verhalten ein einheitliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Sie hat dabei nicht nur außerdienstlich gegen ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen, sondern auch innerdienstlich gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue bzw. politischen Treuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Diese verlangt, dass Beamtinnen und Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
In der Begründung heißt es weiter:
Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition … Die dem Beamten obliegende Verfassungstreuepflicht stellt eine beamtenrechtliche Kernpflicht dar und erfasst deshalb das gesamte Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb seines Dienstes…§ 33Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bestimmt, dass der Beamte sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für ihre Erhaltung eintreten muss.
Damit einher geht nicht nur das Verbot einer gegen die Verfassung gerichteten Verhaltensweise, sondern eine Pflicht zum aktiven Handeln. Bekenntnis bedeutet in diesem Zusammenhang eine nach außen erkennbare gefestigte Einstellung, die ein Eintreten für die Erhaltung der demokratischen Grundordnung ermöglicht. Es muss zumindest erwartet werden, dass sich ein Beamter eindeutig von allen Bestrebungen distanziert, die den Staat und seine freiheitliche demokratische Grundordnung angreifen und diffamieren…
Das Gericht schränkte aber auch ein:
Allerdings können Disziplinarmaßnahmen in einem bestehenden Beamtenverhältnis nur dann ergriffen werden, wenn ein konkretes Dienstvergehen vorliegt. Hierfür reicht allein die ,mangelnde Gewähr‘ für ein jederzeitiges Eintreten des Beamten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht aus; erforderlich ist der Nachweis einer Verletzung dieser Dienstpflicht…Das bloße Haben einer Überzeugung oder die bloße Mitteilung, man habe eine solche, ist für die Annahme einer Verletzung der Treuepflicht grundsätzlich nicht ausreichend; vielmehr bedarf es einer Äußerung der verfassungsfeindlichen Gesinnung durch eine verfassungsfeindliche Handlung … Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht.