Blitzer für Rafahrer? Ein Bürgermeister prüft die Einführung - wir zeigen die Hintergründe und erläutern, wie die Diskussion politisch geführt wird
Blitzer für Rafahrer? Ein Bürgermeister prüft die Einführung - wir zeigen die Hintergründe und erläutern, wie die Diskussion politisch geführt wird
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Vorstoß eines Bürgermeisters

Diskussion: Blitzeranlagen für Radfahrer?

Der Bürgermeister von Oberhaching, Stefan Schelle, hat eine deutschlandweite Diskussion ausgelöst. Es geht um Blitzeranlagen für Radfahrer. Im Visier hat er vor allem Rennradfahrer. Mit der Forderung löst der Bürgermeister viel Kritik aus. Und auch die Umsetzung wäre aktuell noch schwierig. Blitzeranlagen für Radler - Sinnvoll oder überflüssig? Rechtlich machbar? Gibt es Vorbilder in anderen Kommunen? Der KOMMUNAL-Überblick!

Zwischen der bayerischen Landeshauptstadt München und der Gemeinde Oberhaching gibt es seit kurzem einen neuen Radschnellweg. Und der wird rege genutzt – bis zu 5000 Radfahrer sind am Wochenende bei gutem Wetter auf dem Radweg unterwegs. Doch in der Gemeinde Oberaching kommt es seither immer wieder zu Verkehrsproblemen. Der Bürgermeister der Gemeinde, Stefan Schelle denkt daher laut über Blitzer für zu schnelle Radler nach und will die technischen und rechtlichen Möglichkeiten prüfen lassen.  

Messtechnik und Möglichkeiten

Die Gemeinde Oberhaching hat nun schon mal ein Messgerät aufgestellt – das allerdings zählt erst einmal die Zahl der Radfahrer. Die Ergebnisse zeigen laut Bürgermeister Stefan Schelle, dass „vor allem Rennradfahrer häufig mit bis zu 50 Stundenkilometer durch eine auf 10 km/H beschränkte Zone rasen“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Daher will er die gefühlte Geschwindigkeit nun genau messen lassen. Das Problem: In Deutschland gibt es bisher keine Messtechnik, die dafür zugelassen wäre. Technisch wäre das Blitzen zwar möglich, aber somit nicht beweiskräftig.

Schelle schweben mobile Blitzer vor. Die Geräte müssten somit vorher von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt geprüft und zugelassen werden. Schelle erhofft sich eine möglichst schnelle Zulassung. Die Prüfanstalt selbst sagte dem BR im Gespräch, ein solcher „Prüfvorgang könne viele Monate dauern“.

Die Diskussion trifft in eine Zeit, in der Kommunen verstärkt über neue Maßnahmen nachdenken – und mit Blick auf die Niederlande ganz konkret testen.

Blitzer für Radler: Niederlande im Pilotmodus

In Deutschland gibt es verschiedene Kommunen, die Warnschilder, geschwindigkeitsdämpfende Maßnahmen oder mobile Kontrollen diskutieren.

Unser Nachbarland, die Niederlande, sind da weiter. Dort laufen seit diesem Jahr Pilotprojekte, in denen Radverkehr auf Schnellstrecken per Sensor und Radar kontrolliert wird. In kleineren Gemeinden bereits erprobte Tests zeigen versuchsweise, wie Radlerüberwachung praktisch umsetzbar sein könnte. Bislang jedoch auch hier rein experimentell.  In der Schweiz und in Frankreich gibt es Testanlagen für Lärm-Blitzer, bisher aber keine speziellen Blitzer für Radfahrer. Die Diskussion läuft aber auch hier.

Welche Alternativen zum klassischen Blitzer es gibt

Immer wieder Thema in Kommunen sind auch Lärmblitzer für Motorräder – unter anderem laufen hierzu hitzige politische Diskussionen in Hamm und in Dortmund, jeweils in Nordrhein-Westfalen. Auch mögliche private Radarkontrollen sind immer wieder Thema in Gemeinderäten. In Hessen und Bayern etwa vergeben Kommunen Messungen und Auswertungen an private Anbieter. Aber auch hier: Für Radfahrer konkret existieren bislang keine etablierten oder pilotierten stationären Blitzerprojekte in Deutschland, wohl aber verwandte Debattenbereiche.

Die rechtliche Situation – was erlaubt ist und was nicht

Private Blitzer sind aber weiter die absolute Ausnahme in Deutschland. Geschwindigkeitskontrollen werden hier vor allem durch Polizei, Ordnungsämter oder beauftragte Stellen durchgeführt. Stationäre Anlagen bedürfen der Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, einer korrekten Aufstellung sowie Mindestabstände. Außerdem gibt es verbindliche Vorgaben für einzuhaltende Toleranzwerte. Private Betreiber dürfen nur für Behörden handeln – also mit Beauftragungen von Kommunen oder Kreisen. Alle Messwerte müssen von amtlich geschultem Personal dokumentiert werden.

Spezieller Status für Radfahrer

Es gibt bislang keine spezifische Regelung, die Radfahrer und ihre Geschwindigkeit analog zu motorisiertem Verkehr in festen Radarzonen erfasst. Das deutsche Recht regelt Tempoverstöße allgemein, sieht aber keine Technik für automatische Radarkontrollen im Radverkehr vor.

Bußgeldkatalog kompakt

Tempo- und andere Ordnungswidrigkeiten mit dem Rad – z. B. Fahren auf Gehwegen, Missachtung von Geschwindigkeitsgrenzen – werden im Bußgeldkatalog behandelt. Doch die Kontrolle erfolgt bislang durch mobile Maßnahmen – fest installierte Anlagen fehlen 

Damit es möglich wird, wären nötig:

  1. Rechtsgrundlage anpassen – Aufnahme von Rad-Geschwindigkeitsmessung und Missachtung in StVO und Bußgeldkatalog.
  2. PTB-Zulassung für neue Technik – Sensorik für Radler muss technisch geprüft werden.
  3. Datenschutz / Zuordnung – klare Regeln, dass nur die Temposünder erfasst werden, keine lückenhaften Datensätze.
  4. Kommunale Genehmigung & Personal – Messung, Auswertung und Bußgeldverfahren müssen durch qualifiziertes Amtspersonal erfolgen.

Was ist technisch und organisatorisch zu tun?

Bevor in Oberhaching ein mobiler Blitzer an den Start gehen kann, sind also noch einige Hürden zu überwinden. Dazu gehört auch die Anpassung von Messsystemen, damit diese Radfahrer (optisch oder sensorisch) erfassen können. Künstliche Intelligenz könnte hier helfen. Hinzu käme die Schulung und möglicherweise Neueinstellung von Personal, etwa Messtellenbeauftragte, Datenanalysten und gegebenenfalls zusätzliche Bußgeld-Sachbearbeiter. Die Bußgeldverfahren selbst müssen, wie bei Autofahrer auch, von den Ordnungsämtern oder der Polizei begleitet werden.

Würden Blitzer für Radler für mehr Sicherheit sorgen?

Was bleibt ist die politische Debatte über Sinn und Zweck solcher Maßnahmen. Die Befürworter sagen, damit könne die Sicherheit gestärkt werden und auch langsamere Radfahrer, vor allem aber Fußgänger würden so besser geschützt. Auch die Abschreckung durch das Wissen, auch auch Radfahrer nicht vor Radarfallen geschützt zu sein, könnte Wirkung zeigen. Was in Sachen Fairness und Gleichbehandlung gegenüber Autofahrern natürlich sinnvoll wäre. Von der Symbolwirkung mal ganz abgesehen.

Die Gegner hingegen argumentieren, dass Kosten und Aufwand, insbesondere für Technik und Personal in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen stehen. Auch Datenschutzbedenken werden immer wieder laut, ebenso die aktuell noch bestehende rechtliche Grundlage und das damit verbundene Risiko von möglichen Klagen. Andere sehen in den geplanten Aktionen „reine Abzocke“, der Allgemeine Deutsche Fahrradclub etwa sagt, die Ideen seien oft „Einnahmeorientiert statt an der Verkehrssicherheit orientiert“.