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  3. Diese Dörfer können Digitalisierung!
Laptop auf dem Land
Die Digitalisierung ist eine wichtige Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Kommune.
© AdobeStock

Landleben

Diese Dörfer können Digitalisierung!

von Annette Lübbers
Reporterin
24. November 2022
Was mancherorts noch Zukunftsmusik ist, kann in zwei Gemeinden bestaunt werden: die weit fortgeschrittene Digitalisierung auf dem Land. Von einem Rohrbruch in der Kommune erfahren Bürger beispielsweise über eine App und auf einer digitalen Anzeigentafel im Ort.

Noch vor wenigen Jahren fuhren regelmäßig Mitarbeiter vom Städtischen Bauhof zu den hölzernen Anschlagtafeln und wechselten die Bekanntmachungen der Verwaltung aus. Ein zeitintensives Unterfangen, denn zu den zwei inzwischen digitalbegeisterten Gemeinden gehören so einige Dörfer. Heutzutage können sich die Mitarbeiter die langen Fahrten sparen: In den beiden Kommunen gibt es jetzt digitale Anschlagtafeln, die per Computer ein Update bekommen. Veränderungen wie diese hat es in den vergangenen vier Jahren in den beiden Orten viele gegeben: Gottesdienste werden live übertragen, damit auch nicht mehr bewegliche Seniorinnen und Senioren auf ihre geistliche Ansprache am Sonntag nicht verzichten müssen. Die Digitalisierung ist auf dem Land schon länger angekommen.

Digitalisierung als kommunales Ziel

Die beiden Gemeinden liegen im bayerischen Landkreis Regen: Spiegelau und Frauenau. Karlheinz Roth, der Bürgermeister von Spiegelau sagt: „Ein homogenes, stimmiges System zu schaffen, war bei all unseren Projekten oberstes Gebot. Wenn Sie heute in Spiegelau einen Rohrbruch haben, dann bekommen Sie diese Nachricht innerhalb weniger Sekunden auf Ihre App und dieselbe Mitteilung erscheint in Echtzeit auf unseren digitalen Anschlagtafeln. Diesen Rundumservice wissen unsere  Bürgerinnen und Bürger sehr zu schätzen.“ 

Ein Coworking-Space wurde eingerichtet und eine Gemeinschaftspraxis testet, wie die medizinische Versorgung der Bewohner mit telemedizinischer Anwendung verbessert werden kann. Eine ganze Reihe von Apps können sich die weniger als 7.000 Bürgerinnen und Bürger der beiden Schwesterngemeinden herunterladen:  SchulApp, RathausApp und eine VereinsApp.

Gemeinsames Konzept für digitalen Fortschritt

Wie wurde dieser digitale Fortschritt möglich? 2016 suchte das Land Kommunen, die als Modell für das „Digitale Dorf der Zukunft“ dienen wollten. Hintergrund des Projektes bilden Entwicklungen, die in vielen ländlichen Regionen Deutschlands beobachtet werden können: Viele junge Menschen wandern ab oder kehren nach ihrer Ausbildung nicht zurück. Die Überalterung nimmt zu, Dienstleistungen werden eingeschränkt oder gänzlich eingestellt. Ein Teufelskreis: Ohne funktioniere Infrastrukturen lässt sich der Trend zur Abwanderung kaum mehr stoppen oder gar umkehren. „Die Modellprojekte sollen wesentliche Lebensbereiche im ländlichen Raum umfassen und miteinander vernetzen.

Den Rahmen hierfür bilden elf Themenfelder, in denen sich Digitalisierungsprojekte grundsätzlich anbieten: Arbeiten, Dienste, Energie, Bildung, Medizin, Mobilität, Pflege, Wohnen, Landwirtschaft, Tourismus sowie Kultur“, heißt es in der Projektbeschreibung. Um dem integrativen Gedanken eines digitalen Dorfes zu folgen, sollten aus mindestens drei der elf Themenfelder möglichst synergetische Umsetzungsideen realisiert werden. Die beiden Gemeinden Spiegelau und Frauenau bewarben sich mit einem gemeinsamen eigenen Digitalisierungskonzept – und gewannen.

Experten vom Technologie Campus Grafenau

Mittlerweile sind weitere Kommunen  und Regionen dazugekommen: Rupertiwinkel, die sogenannten Hörnerdörfer Balderschwang-Obermaiselstein, das obere Rodachtal sowie die Steinwald-Allianz. Das Besondere an dem Projekt: Die Kommunen erhalten jeweils einen technisch versierten Kooperationspartner an die Hand. Spiegelau und Frauenau konnten auf die technische Expertise des Technologie Campus Grafenau zurückgreifen. Dessen wissenschaftliche Begleitung und Beratung bei der Umsetzung der einzelnen Projekte wurde vom Land Bayern finanziell getragen. Die Umsetzung benötigt natürlich ein kommunales Budget.

Spiegelaus Bürgermeister Karlheinz Roth stellt klar: „Insgesamt haben wir etwa 200.000 Euro Eigenmittel aufgebracht. Für eine so kleine Gemeinde ist das viel Geld, aber solche Zahlen darf man nicht isoliert betrachten. Durch effizientere und schlankere Abläufe sparen wir auch viel ein. Das beste Beispiel: In zwei Jahren haben wir als Verwaltung kein einziges Blatt Papier bestellt. Für jedes eingesparte Blatt haben wir zudem 12 Liter Wasser eingespart. Dazu kommt die Menge an Tonern, die wir nicht verbraucht haben, weil unsere Verwaltung mittlerweile fast gänzlich auf digitale Abläufe setzt.“  

Markenname Doham 4.0

Unter dem Markennamen „Dahoam 4.0“ ermittelte ein Team des Technologie Campus Grafenau mit den Kommunen zunächst einmal die Bedarfe. Hanna Schürzinger, Projektleiterin Smarte Gemeinde/Digitales Alpendorf im Forschungsteam Smart Region, erklärt: „Dies ist ein ganz wesentlicher erster Schritt. Eine digitale Entwicklung kann nur dann gelingen, wenn sie anhand dieser Bedarfe umgesetzt wird. Sonst ist es unmöglich, die Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot zu holen.“ Karlheinz Roth nickt: „Unsere Bürgerschaft hat diesen Prozess mit großer Begeisterung begleitet. Unsere Schule ist mittlerweile digital bestens ausgestattet und unsere Bibliothek verfügt – neben dem analogen Lesestoff – mittlerweile über 60.000 elektronische Medien. Ein Service, der sich für 15 Euro Mitgliedsbeitrag im Jahr sehen lassen kann.“

Ältere Menschen von digitalen Lösungen überzeugen

Projektleiterin Schürzinger hält das sogenannte BLADL-Projekt für eines der Highlights in den beiden kleinen Kommunen. BLADL steht für „Besser Leben im Alter mit digitalen Lösungen“. Das vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales geförderte Seitenprojekt beschäftigt sich mit der Frage, „wie moderne digitale Technologien dazu genutzt werden können, um das Leben älterer Menschen positiv zu verändern und was getan werden muss, damit ältere Menschen nicht von diesen Entwicklungen abgehängt und befähigt werden, diese nutzbringend zu verwenden“. 

Genau das scheint in Spiegelau und Frauenau besonders gut gelungen zu sein. Hanna Schürzinger erläutert: „Das Schulungskonzept und die sogenannte Wisch-App für die digitale Ertüchtigung der älteren Generation haben wir intern entwickelt. Wischen und Scrollen – das erschließt sich vielen Älteren ja nicht immer sofort. Meine Kolleginnen und Kollegen haben eigene Sprechzeiten für die

Seniorinnen und Senioren abgehalten. Das hat eine Menge Spaß gemacht, weil wir die Älteren genau dort abholen konnten, wo sie in Sachen Digitalisierung stehen. Daraus hat sich sogar ein eigener Stammtisch in der Wirtschaft entwickelt.“

Dorfbus und Buchungsapp

Schwierig gestaltete sich das Thema Mobilität. Das Dorfbuskonzept – eine Mischung aus Rufbus und Taxi – verbindet die 33 Ortsteile von Spiegelau mit Hilfe eines festen Haltestellenplans und ermöglicht damit den Lückenschluss zum öffentlichen Nahverkehr. Der Bus wird auch sehr gut angenommen. Schwieriger ist es mit der damit verbundenen Buchungs-App, die von den Seniorinnen und Senioren bislang eher verhalten genutzt wird. Hanna Schürzinger hat dafür eine neue Zielgruppe im Blick – nämlich die Jugendlichen ohne eigenen Führerschein, aber großer digitaler Kompetenz.

 Die Expertin für Digitales unterstreicht den für sie wichtigsten Aspekt eines solchen Umgestaltungsprozesses: „Die eigentliche Digitalisierung beginnt in den Köpfen aller Beteiligten. Der Prozess ist ein langwieriger. Er muss gewollt sein und gelebt werden.“ Ein Projekt hat sich für die Bürgerschaft – und damit auch für die Kommunen – allerdings als weniger relevant erwiesen: das Projekt „Digitale Nachbarschaftshilfe“ oder „Digitales Hilfeportal“. Hanna Schürzinger sagt lachend: „Darüber ist aber niemand wirklich traurig. Für den erkrankten Nachbarn miteinkaufen? Das funktioniert hier ohne die Unterstützung der kleinen digitalen Helferlein. In Spiegelau und Frauenau redet man anscheinend noch miteinander – anlog und in Echtzeit.“ Bürgermeister Karlheinz Roth sagt: „Wir haben von Anfang an gesagt: Was nichts nützt, bekommt auch keine künstliche Zwangsbeatmung.

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