Viele kleine Gemeinden können gar nicht alle Fördermittel überblicken. Zudem besteht immer ein Risiko, dass das Geld nicht reicht.
© Montage: Melina Werner

Fördergeld

Ein Kämmerer spricht Klartext

12. Juli 2021
Deutschlands Kommunen hängen immer mehr am Tropf von Bund und Ländern. Fördergelder sorgen für Ungerechtigkeiten und helfen meist nicht denen, für die sie aufgelegt wurden. Das sagt ein Kämmerer im KOMMUNAL-Gastbeitrag. Aus Angst um seinen Job möchte er seinen Namen an dieser Stelle aber nicht lesen! Dafür wird er umso deutlicher! Der Redaktion ist der Autor natürlich bekannt.

Fördergeld ist kein wahrer Segen für die Kommunen. Vor allem die Kleinen können sich den Aufwand kaum leisten, um zu partizipieren. Die Vergabe von Fördermitteln ist unübersichtlich und hochgradig ungleich. In kleinen Städten gibt es vielleicht nur einen Mitarbeiter, der das überhaupt kann. Wenn dieser im Urlaub ist oder gar krank, gibt es niemanden, der diese Aufgabe richtig erfüllen kann. 

Große Ressourcen gleich viel Fördergeld

Wer Ressourcen hat beschäftigt Personal einzig für die Akquise von Fördermitteln. Sogar Beratungsfirmen haben sich auf dem Markt positioniert, um am Kuchen zu verdienen. In einer großen Stadt ist das zwangsläufig so, in einer kleinen Gemeinde gibt es dafür keine Kapazitäten. In einer kleinen Kommune gibt es häufig keinen finanziellen Spielraum und keine Ressourcen, in großen Städten ist genügend Flexibilität da. Hier kann eine Maßnahme immer geschoben werden.

Ist ein Förderprogramm in Arbeit, so bekommt man es manchmal mit, wenn eine Vorabpressemitteilung den Weg zum Wirtschaftsförderer der Kommune findet. Diese sind aber sehr ungenau und grob. 

Wer soll das bezahlen?

Lobbyvereine wie Politiker versenden die veröffentlichten Förderprogramme dann an ihre Netzwerke und Verwaltungen im Wahlkreis. Doch hier wird auch wieder Personal benötigt, um zu entscheiden, ob eine Förderung für die Gemeinde interessant ist oder nicht. An dieser Stelle ist dann noch nicht ein Euro geflossen.

Die Beantragung erfolgt häufig nach dem Windhundprinzip. Wer zu erst kommt, mahlt zu erst. Hier stellt sich die Frage: Wer hat am ehesten die Ressourcen, schnell Anträge zu erzeugen oder die Planunterlagen zu beschaffen? Größere oder schlicht reichere Kommunen haben oftmals bereits Projekte in der Schublade, die nur noch geringfügig angepasst werden müssen. Auch können große Kommunen eher Mitteleinsätze aufschieben.

Viele Vorgaben für Fördergeld

Ein anderes Problem gibt es beim Antragsverfahren mit einer Stichtagsregelung. Hier werden bis zu einem Stichtag alle Anträge gesammelt und im Nachhinein bewertet. Die Prüfbehörde muss irgendein Ranking vornehmen. Oftmals wird nach einem höheren Nutzen entschieden und auch hier haben große Städte wieder einen Vorteil, da Schicht mehr Menschen von den Fördermitteln profitieren, gewinnen sie häufiger. Aber auch wer bessere Machbarkeitsstudien vorweisen kann hat, wird bevorzugt. Solche Studien sind jedoch aufwändig und teuer in der Erzeugung. Wie soll das gerecht verglichen werden? 

Eine komplexe Baumaßnahme, wie eine Dreifeldsporthalle, könnte kleine Gemeinden überfordern – fachlich wie finanziell. Wer keinen Architekten im Bauamt hat, muss sich einen einkaufen. Doch genau diese Mehrkosten können das Aus für ein Projekt bedeuten. Eine Bewilligung von Fördermitteln bezieht sich in der Regel auf Kostenschätzungen im Antrag, spätere Mehrkosten werden aber nicht mehr gefördert. Auch ist der Zeitplan immer sehr wichtig, weil sonst Fördermittel verfallen. Bei einer kleinen Gemeinde ist das fatal. Ganz besonders dann wenn sie nicht einmal etwas dafür kann. Bauverzögerungen – etwa durch schlechte Witterung – sind keine Seltenheit. 

Teurer bauen, aber nicht besser

Wir etwa haben eine größere und teurere Halle gebaut, weil wir noch Fördermittel nutzen wollten, die vorschreiben, dass ein gewisser Anteil von Verwaltungsbüros im Bau enthalten sein muss. So haben wir unsere Mehrzweckhalle bekommen, die aber teurer war und Mittel gebunden hat, die nicht unbedingt nötig waren.

Hat man nun alles geschafft, beginnt die nächste Unsicherheit: Bei Formfehlern können Fördermittel verfallen. Dazu kommt, die Gemeinden müssen die Projekte gewissermaßen vorfinanzieren. Viele Geldmittel fließen erst am Ende, wenn alles abgerechnet ist. Bei einer kleinen Gemeinde ist es klar, wenn eine Sporthalle in zwei Jahren saniert werden muss, aber wenn es keine Zuwendungen gibt, gibt es auch keine Sanierung. Eine Große Stadt hingegen kann ihren Bürgern immer Ausweichmöglichkeiten bieten, da sie mehrere Hallen haben. Und meist liegen fertige Planungen bereits in der Schublade, wenn ein passendes Fördermittel veröffentlicht wird. So kann direkt ein Antrag gestellt werden und man ist beim Windhundverfahren vorn mit dabei. 

Fördermöglichkeiten sind unübersichtlich

Es gibt ein unüberschaubares Wirrwarr an Fördermöglichkeiten. Niemand kennt alle Programme. In der Realität kann kein Wirtschaftsförderer alle Programme kennen. Zu viele Förderer spielen hier eine Rolle: Die Europäische Union, Bund und Länder, Regierungspräsidien Landkreise und andere Staaten, Energieunternehmen, Stiftungen und viele mehr. Allein in der Förderdatenbank werden aktuell fast 2600 Förderprogramme gelistet. Es gibt Programme, die beispielsweise  Flutlichtanlagen auf Sportplätzen fördern, wenn der Antragsteller ein Sportverein ist und nicht die Kommune. Es ist also gegebenenfalls sinnvoll die Flutlichtanlage an einen örtlichen Verein zu verpachten, um eine Förderung zu bekommen. Es ist also kompliziert! Ein Wirtschaftsförderer allein reicht nicht aus, denn wir benötigen ein interdisziplinäres Team, um die gut gemeinten Fördermittel zu bekommen. Do das gibt es garantiert nicht in einer kleinen Gemeinde. 

Ein breiteres Umlageverfahren, etwa aus der Einkommens- oder der Umsatzsteuer, wäre also eine charmante Lösung, auch wenn diese neue Probleme mit sich brächte.