Alternativen für die Flüchtlingsunterbringung - eine Kommune geht einen besonderen Weg
Alternativen für die Flüchtlingsunterbringung - eine Kommune geht einen besonderen Weg
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Gastbeitrag

Flüchtlingsunterbringung in Tiny-Häusern

21. April 2023
Immer mehr Kommunen müssen in der Flüchtlingspolitik auf Notunterkünfte in Turnhallen und Containern zurückgreifen. Einen anderen Weg ist das Amt Wilstermarsch in Schleswig-Holstein gegangen. Im KOMMUNAL-Gastbeitrag erläutern Sozialamtsleiter Thorsten Frank und Amtsvorsteher Delf Sievers ihr einmaliges Konzept.

Die zu Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine noch große Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen in Privathaushalten ebbte mit zunehmender Dauer des Krieges rasch wieder ab. So zeichnete sich auch im Amt Wilstermarsch bereits im Sommer 2022 ab, dass es zu Schwierigkeiten bei der Flüchtlingsunterbringung kommen wird. Eigene Unterkünfte waren nach kurzer Zeit voll belegt und auf dem freien Wohnungsmarkt war kaum noch geeigneter Wohnraum zu finden. Die Zuweisungen von Flüchtlingen dauerten jedoch an. Damit begann die Suche nach Alternativen. Doch wie sollten die Unterbringungsmöglichkeiten aussehen? Notunterkünfte in einer Turnhalle oder der Aufbau eines Containerdorfes sollten unbedingt vermieden werden. So entstand die Idee, Tiny-Häuser zu beschaffen.

Das sind die Vorteile der Flüchtlingsunterbringung in Tiny Houses

Die kleinen Wohneinheiten haben aus unserer Sicht gleich mehrere Vorteile:

Eigene Küche und Nasszelle sowie ein abgeschlossener Wohnbereich schaffen Privatsphäre, wodurch Konfliktpotential durch gemeinsam genutzte Räume in Sammelunterkünften umgangen wird.

Der Ankauf von Möbeln und Elektrogeräten entfällt, da die Häuser komplett ausgestattet sind. Nicht nur Wohnraum ist knapp. Auch günstige Möbel und Hausrat sind mittlerweile schwer zu bekommen.

Kurze Lieferzeiten ermöglichen eine zeitnahe Belegung der Häuser. Ankauf und Umbau von Bestandsimmobilien hätten dagegen deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen als die sechs Wochen bis zur Lieferung der Tiny-Häuser. Für diese werden lediglich Wasser- und Abwasser- sowie Stromanschlüsse benötigt, schon sind sie bezugsfertig.

Mehrere amts- und gemeindeeigene Grundstücke boten sich für die Aufstellung der Häuser an. Ein Grundstückserwerb war somit nicht notwendig. Die Häuser können auf mehrere Standorte in verschiedenen Gemeinden verteilt werden. Die Unterstützung der Flüchtlinge wird so auf mehrere ehrenamtliche Helfer verteilt.

Wie der Gemeinderat bei der Flüchtlingsunterbringung einbezogen wurde 

Zunächst musste die Selbstverwaltung von der Idee überzeugt werden. Im Rahmen einer Bauausschusssitzung wurden verschiedene Modelle besichtigt. Bauausschuss und Amtsausschuss sprachen sich schließlich für die Anschaffung von Tiny-Häusern aus. Auch einige Gemeinden und die vom Amt mitverwaltete Stadt Wilster haben den Kauf eigener Häuser beschlossen. Ein Anreiz war dabei natürlich auch die Förderung durch das Land Schleswig-Holstein, das Kosten für die Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge bis zur Höhe von 100.000,00 € je Gemeinde mit 75 % bezuschusst. Den Anfang machten die Gemeinden Dammfleth und Wewelsfleth, die zunächst drei Häuser bestellten. Diese wurden auf einem amtseigenen Grundstück in der Gemeinde Dammfleth aufgestellt, wo sich bereits eine für die Flüchtlingsunterbringung genutzte Unterkunft befindet. Vom Hauptgebäude aus war eine Versorgung der Tiny-Häuser mit Strom und Wasser einfach realisierbar.

Das Modell, für das wir uns entschieden haben, verfügt über 36 m² Wohnfläche. Das klingt zwar klein, die Häuser haben allerdings einiges zu bieten. Neben einem Wohnraum mit gut ausgestatteter Küchenzeile gibt es zwei Schlafräume mit vier Betten und ein Duschbad. Man wohnt zwar etwas beengt, aber sehr gemütlich.

Natürlich wurde für die Häuser eine Baugenehmigung benötigt. Allerdings konnten wir diese in einem vereinfachten Verfahren für Flüchtlingsunterkünfte erhalten. Sie ist zunächst für drei Jahre befristet. Sofern die Häuser dauerhaft an ihrem Standort verbleiben sollen, kann eine dauerhafte Baugenehmigung beantragt werden.

Flüchtlingsunterbringung

Das Nachnutzungskonzept der Tiny Houses 

Sollten die Häuser irgendwann nicht mehr für Flüchtlinge benötigt werden, gibt es bereits mehrere Optionen für eine Nachnutzung. Neben der Verwendung als Obdachlosenunterkünfte wäre auch eine Vermietung möglich. Durch die benachbarte Industrie besteht ein hoher Bedarf an Unterkünften für Monteure. Auch eine Nutzung im touristischen Bereich ist denkbar. So wird in der Gemeinde Brokdorf über eine spätere Vermietung an Fahrradtouristen nachgedacht. Doch auch jetzt schon fließen Einnahmen für die Tiny-Häuser. Die Gemeinden erhalten dafür eine Miete vom Amt Wilstermarsch. Das Amt wiederum weist die Flüchtlinge als Obdachlose ein und erhebt dafür eine Benutzungsgebühr. Finanziell rechnet es sich sowohl für die Gemeinden wie auch für das Amt. Die Kosten von rd. 85.000,00 € je Haus inkl. Anschlusskosten sind überschaubar.

Mittlerweile sind alle drei Häuser in Dammfleth mit Familien aus der Ukraine belegt. Die Akzeptanz der Unterkünfte durch die Bewohner ist sehr groß, es herrscht Zufriedenheit. Für uns der Beleg, dass wir mit der Anschaffung von Tiny-Häusern richtiglagen. Folgerichtig wurden zwischenzeitlich weitere Häuser für Nachbargemeinden bestellt.

Zu den Autoren: 



 

Thorsten Franck ist Leiter des Ordnungs- und Sozialamtes des Amtes Wilstermarsch in Schleswig-Holstein

Delf Sievers ist Amtsvorstezhen des Amtes Wilstermarsch mit seinen 6500 Einwohnern